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H. Bollmann ‡
   
   

Unterwüsten Nr. 93 - Linnenbröker - Bollmann

Das Haus Nr. 93 auf der Krutheide[1]
von Dr. Heiner Kleine

So haben wir das 'Bollmannsche Haus' auf der Krutheide in Erinnerung.[2]

Mancher wird sich noch erinnern an das markante Bruchsteinhaus auf der Krutheide nahe der Loose, das Mitte der 1980er Jahre dem Straßenbau zum Opfer fiel.

Das Haus mit dem Fachwerkanbau muss in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre erbaut worden sein. Zu jener Zeit wurden in Unterwüsten die Hausnummern in der Reihenfolge der Bauanträge vergeben. Zeitlich fällt es also zwischen den Neubau des Krautkrugs (1885) und den Bau des Hauses Burre[3] im Frettholz.

Aufgrund der Verbreiterung der Straße von der Loose in Richtung Wüsten und des Baus von Ölabscheidern, die heute an dieser Stelle sind, wurde das Haus abgerissen. 

Die Bewohner des Hauses

Hier geben uns die Adressbücher erste Anhaltspunkte. So sind im 'Adressbuch für das Fürstenthum Lippe' von 1901 die Familienvorstände Heinrich  Linnenbröker als Zimmerer und August Linnenbröker als Knecht aufgeführt. Im 'Adreßbuch des Landes Lippe' von 1926 sind Linnenbröker, Hch., Zimmermeister und Bollmann, Hch., Zimmermann und Tischler genannt. Im ersten Adressbuch nach dem Krieg von 1952, wo in Wüsten bereits zu einem großen Teil Straßennamen und innerhalb der Straßen Hausnummern vergeben waren, ist nur noch Frau Karoline Bollmann, Krutheide Nr. 11 erwähnt. Im Adressbuch von 1972 ist als Mitbewohnerin Frau Frieda Beiderwieden genannt.

Ob die Eltern des 1863 geborenen Hermann Heinrich Linnenbröker, Johann Christoph Linnenbröker und Anna Maria Henriette Schmiedeskamp, den Bau in Auftrag gegeben haben oder ob er erst später von der Familie Linnenbröker erworben wurde, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Gekauft hat die Familie Linnenbröker das Grundstück jedenfalls von den von Lengerkes, den  Besitzern des Ritterguts Steinbeck und seit den 1880er Jahres auch des Schwaghofs. Dort ist der zwei Jahre ältere Bruder von Heinrich Linnenbröker,  Christoph August, 1885 als Dienstknecht nachgewiesen, was für die Abwicklung der Transaktion möglicherweise nicht ohne Belang gewesen ist. Auch soll Heinrich Linnenbröker für ein Fachwerkgebäude des Schwaghofs die Zimmermannsarbeiten durchgeführt haben.

Mit Sicherheit kann aufgrund des Adressbucheintrags gesagt werden, dass um die Jahrhundertwende zwei der drei Kinder des Ehepaars Linnenbröker-Schmiedeskamp, nämlich neben Heinrich auch der Bruder August, mit ihren Familien in dem mächtigen Bau lebten. (Der 1866 geborene jüngste Sohn, Simon Friedrich, wohnte spätestens seit 1892 in Exter Nr. 118, wo in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre auch die Eltern starben.)

Für August Linnenbröker, in erster Ehe verheiratet mit Conradine Wilhelmine Henriette Pumphans m. Pumpmeier und nach deren Tod seit 1910 mit Friederike Dorothee Sophie Hölscher, war das Haus allerdings nur eine Station unter mehreren: Seine 4 Kinder hatte er als Einlieger in Unterwüsten Nr. 32 (Jobstmeier oder Schwarzejobst) bekommen, 1910 wohnte er in Unterwüsten Nr. 106 (Meierherm/Prüßner), und die letzten zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod im Jahre 1935 lebte er in Bad Salzuflen, wo er als Salinenarbeiter tätig war.

Sein Bruder Heinrich dagegen konnte das Haus rund ein halbes Jahrhundert als Lebensmittelpunkt für sich und seine Familie betrachten. Er hatte Ende 1887 die zwei Jahre ältere Karoline Justine Charlotte Filges aus Büxten geheiratet. Mit ihr hatte er zwei Töchter bekommen, die 1884 vorehelich geborene Martha Pauline Luise und im Jahr 1890 Karoline Henriette, die unter dem Namen „Lina“ bekannt war. Martha heiratete den 1882 geborenen Postschaffner August Tölle aus Talle und zog mit ihm nach Bielefeld; die Familie hatte zwei Kinder, Klara und Fritz. Lina dagegen blieb in Wüsten. Sie hatte den aus Solterwisch stammenden Heinrich Dietrich Wilhelm Bollmann kennengelernt, das älteste von sieben Kindern des Tischlers Karl Heinrich Christoph Bollmann und seiner Frau Christine Luise Henriette Hempelmann, und heiratete ihn im November 1912. Da der 1884 geborene Heinrich Bollmann ebenfalls Tischler war, betrieben er und sein Schwiegervater die Werkstatt nun gemeinsam als Zimmerei und Tischlerei.

Die Hinteransicht des Hauses mit dem Fachwerkanbau, in dem die Zimmerei
und Tischlerei von Hch. Linnenbröker und
Hch. Bollmann untergebracht war.
[4]

Das Haus im Winter.
Im Hintergrund das Haus Kleemann.
[6]

Vier-Generationen-Bild: Der Zimmermeister Heinrich Linnenbröker, seine Tochter Martha Linnenbröker, verh. Tölle, deren Tochter Klara (Clärchen) Tölle, verh. Eid (hinter der Bank
stehend), und deren Tochter Lore Eid
(verh. Mähler), wohl 1938.
[5]

Das Haus stand  ehemals im Vordergrund rechts , hinter dem kleinen Wanderweg, der zum Gut Steinbeck führt.[7] (Situation Juni 1992)

Nach den Kriegsjahren kam auch wieder junges Leben in das Haus, denn in den ersten Jahren der Weimarer Republik bekam das Ehepaar Bollmann zwei Kinder: Lina Martha Henriette, geboren am 05.10.1919, und Heinz Ewald, geboren am 20.03.1923. Martha wurde 1934 von Pastor Böke konfirmiert und trat nach der Schulzeit eine Stelle als Haustochter auf dem Nachbarhof Unterwüsten Nr. 101 (Kleemann) an. Allerdings war ihr die Stelle nicht lange vergönnt, denn bereits wenige Monate nach ihrer Konfirmation ist sie am 17. Juli 1934 an den Folgen einer bei einem Fahrradunfall erlittenen Nierenverletzung gestorben.

Ihr Bruder Heinz wurde 1937 von Pastor Schulten konfirmiert. Als einzigem verbliebenem Kind ruhten auf ihm große Hoffnungen seiner Eltern. Er hatte nach der Schule eine Ausbildung im Ingenieurswesen angefangen. Durch den zweiten Weltkrieg wurden jedoch alle Erwartungen zunichte gemacht: Im Sommer 1942 wurde Heinz Bollmann zu den Panzergrenadieren eingezogen und fiel, noch keine 20 Jahre alt, am 15. Oktober 1942 bei Stalingrad.

Nicht mehr miterleben musste den frühen Tod ihrer Enkelkinder die Ehefrau von Heinrich Linnenbröker, Karoline Justine Filges, die bereits am 6. Juli 1930 im Alter von knapp 69 Jahren an Asthma gestorben war. Ihr Mann überlebte sie um 16 Jahre und starb 83-jährig 1946 an Altersschwäche. Das Haus ging nun an seine Tochter Lina über, denn Martha hatte auf ihren Anteil verzichtet.

Da Lina Bollmann ein kontaktfreudiger Mensch war, blieb das Haus Anlaufstelle für Verwandte auch, als nach dem Tod ihres Mannes Heinrich am 4. März 1949 sie als einzige Bewohnerin aus den Familien Linnenbröker und Bollmann übrig blieb. Die Werkstatt wurde verpachtet, allerdings blieben die Geschäfte des Pächters hinter den Erwartungen zurück.

Nach dem Krieg wurden aufgrund der Wohnungsnot Flüchtlinge in das Haus eingewiesen, etwa die Familie Papendick. Die oben genannte Frau Beiderwieden wiederum zog als Mieterin ein, was für Lina Bollmann nicht nur Gesellschaft bedeutete, sondern auch einen Zuschuss zu den Kosten für die Erhaltung des Hauses.

Als Lina Bollmann am 4. Mai 1984 im Alter von 93 Jahren starb, ging das Haus an die Kinder ihrer Schwester Martha über. Nachdem das bereits zuvor geäußerte Interesse des Kreises Lippe an einem Erwerb zurückgestellt worden war, damit Lina die letzten Lebensjahre in ihrem Haus verbringen konnte, führten die Geschwister nach ihrem Tod den Verkauf zügig durch, so dass der Kreis bereits Mitte 1984 in den Besitz des Grundstücks kam.  Im Rahmen der vorgesehenen Straßenbauarbeiten wurde das Haus im Jahre 1985 abgerissen.

Somit lässt sich sagen, dass das Bollmannsche Haus recht eigentlich das Lina-Bollmannsche Haus war, hat sie doch praktisch ihr gesamtes Leben dort verbracht und hat das Haus ihren Tod nicht lange überdauert.

 


1 Das Haus hatte später nach der Eingemeindung von Wüsten in Bad Salzuflen im Jahre 1969  die Adresse Krutheide 11 heute Loosestraße 47.
2 Dank an Frau Frieda Kleemann, die das Foto zur Verfügung stellte (1984).
3 Laut Adressbuch von 1901 müsste es Haus Krumme heissen. Später hat der Name in Burre gewechselt. Heinrich Linnenbröker war am 16.10.1890 noch als Einlieger wohnhaft auf dem Pumpenhof in Unterwüsten Nr. 46. Falls Nr. 93 vorher gebaut wurde, müssten Linnenbrökers es gekauft haben, andernfalls könnten sie den Bau selbst in Auftrag gegeben haben. Laut Adressbuch war man 1901 bei der Nummer 100 angelangt.
4 Foto Frau Frieda Kleemann
5 dito
6 Foto unbekannt
7 Foto K. Pumpenmeier (2004)