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Der Hof Altrogge Oberwüsten Nr. 64 im Kätchenort
Eine Hochzeit ohne den Segen der Eltern.

Der Hof Altrogge (heute Pflister, Kätchenort Nr. 2), wird erstmalig im Salbuch von 1616/1617 erwähnt:

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Ollrogge, gebauwet fur 3 Jahren, gibt 1 Rauchhuhn, 10 Eyer. Hat fürm Jar ein Zuschlag bekommen von 1½ Schfl. Roggen, davon 10 Eyer, 1 Ort Burgfestgelt. Noch ein Zuschlag von 1 Schfl. Roggen, soll davon geben 1 Hun, soll dienen 12 Dage, 1 Ort Burgfestgelt. 

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Gut 80 Jahre nach der ersten Erwähnung des Hofes wird im Wüstener Kirchenbuch von 1701 die Trauung von Altroggen Sohn mit Deppen Tochter eingetragen:

  Anno 1701 Myus den 29   Johan Ernst oltrogge und Catrina margreta deppen.  

War die Hochzeit standesgemäß? Brachte die Braut nicht genug mit in die Ehe? Hatte sie keinen guten Leumund? Wir wissen es nicht. Überliefert ist aber, dass die Ehe von Bräutigam und Braut ohne den Segen der Eltern geschlossen worden war. Vermutlich enterbten sie den ungehorsamen erbberechtigten Sohn und setzten die jüngste Tochter als Anerbin ein. Die Eltern haben sich dann doch eines Anderen besonnen. Nachdem der Sohn bei seinen Eltern vermutlich Abbitte getan hatte und versprochen und sich erboten hatte, den Eltern in ihrem Alter allen Gehorsam zu erweisen, durfte er sein Erbteil antreten.    

Vor dem Amtmann in Schötmar wurde ein Vertrag abgeschlossen, der die Schwestern des Hoferben absicherte:
 

Actum Schöttmar den 12 July 1705. Caspar Olderogge und Seine Frau geben zwar vor daß Ihr Sohn Johan Ernst Olderogge ohne ihren willen geheyrahtet weil dieser aber alß Eintziger Sohn sich erbietet denen Eltern allen gehorsahm und Dienste jeder Zeit in ihrem Alter Zuerweisen, so sind diese Eltern endlich friedlich, daß dieser Ihr Sohn nach der Policey Ordnung die stette Antrete. Und diesen nach ihrer ... der Sohn Johan Ernst Seiner Eltesten Schwester wie zu Detmold verschrieben 40 thlr, Seiner jüngsten Schwester aber welcher die Eltern die stette zugedacht, 45 thlr, Eine Kuh, und Einen Unsträfflichen Brautwagen, wie die Elteste Schwester bekommen, das Höltzerne Zeug völlig, Keßel u. Kohltopf u. zu dem Ersten Termin 15 thlr, u. da diese nicht folgen sollten, zwey schefelsaht landes einzuräumen. auch solange diese jüngste Tochter sich nicht Verheyrahten wird, Ihr nach der Eltern Tode Eine Cammer, Feuer und Licht frey zu verschaffen. Actum Schöttmar ut supra.

 

Es ist anzunehmen, dass die Eltern sich in einem früheren Protokoll bereits abgesichert hatten, wenn der Anerbe oder die Anerbin den Hof übernahm. Der Hinweis "wie zu Detmold verschrieben" lässt das vermuten. 

Wie streng die Regeln nach der Polizey-Ordnung von 1620 waren, zeigt gleich der 1. Absatz in dem Paragraph der die Ehe behandelt:

  § 1 Keine rechtmäßige eheliche Verbindung geschiehet von Kindern, ohne Rath, Consens und Vorwissen der Eltern, Vormündern oder so an deren Platz sind, alle so dagegen handeln, oder Vorschub thun, sollen willkührlich an Leib und Gut gestraft werden.  

Die Gründe, die zur Verweigerung der elterlichen Erlaubnis herangezogen werden durften, sind in Absatz 4 beschrieben:

 

§ 4 Dieses aber seynd vornemlich die Ursachen, darauf die Eltern den Consensum zu verweigern, als:
      Sonderliche Ungleichheit der Personen, Standes und Herkommens.
      Böses und leichtfertiges Leben.
      Böse Gerüchte.
      Abscheuliche Erbseuche

 

In Absatz 7 wird den Eltern freie Hand gelassen, wie sie sich entscheiden, wenn die Mitgift stimmt. Sie dürfen diesen Ungehorsam der Kinder auch im Testament berücksichtigen, wie es im obigen Fall auch für einige Jahre geschehen ist.

 

§ 7 Verfahren darauf aber die Parteien, so seyn die Eltern der Mitgift halber in nichts verbunden, stehet ihnen auch bevor, in ihren Testamenten solches Ungehorsams zu gedenken.

 

Zuneigung oder sogar Liebe, in der sich vermutlich die beiden Brautleute verbunden haben, kommt in keiner der obigen Schriften vor. Ehe war bei uns – wir prangern das heute häufig an nicht nur im 18. Jh. sondern auch noch viele Jahrzehnte später nur ein Ritual.


Quellen: Stöwer, Herbert und Fritz Verdenhalven: Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620. Lippische Geschichtsquellen. Veröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe und des Lippischen Heimatbundes. Band 3. Münster in Westfalen 1969. S. 144.
  Wüstener Kirchenbücher im Archiv der Lippischen Landeskirche Detmold. Cop-1701-003.
  Zuschlag = Vom Landesherrn einem Hof zugeschlagenes und zur Rodung freigegebenes Waldstück.
  1 Ort = ¼ Thaler
  LAV NRW OWL L 108 A Nr. 163 Seite 6.
  Landes-Verordnung der Grafschaft Lippe. Zweiter Band. Lemgo, gedruckt mit Meyerschen Schriften, 1871. Band 1, Seite 358ff.