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Oberwüsten Nr. 27 - Güse im Erdsiek
Hofgeschichte

Die Straßenkötter-Stätte der Familie Güse in Oberwüsten Nr. 27[1]

Der Gründer der kleinen Stätte im Erdsiek um 1590-1600 wird vermutlich der aus Hollwiesen stammende Heinrich Güse gewesen sein. In Hollwiesen gab es um 1550 vier Güsesche Höfe: Güse, Nolte, Vollspänner; Güse, Heinrich, Halbspänner; Güse, Nolte, Kötter und Güse, Albert, Kötter. In einem dieser Höfe hat Heinrich Güse das Licht der Welt erblickt. 1595 wird er erstmals in Oberwüsten erwähnt. Er war dabei im Erdsiek zu roden, eine Hofstätte zu gründen und ein Haus zu bauen. Von der Markgenossenschaft[2], der Gemeine,[3] hatte Heinrich Güse zwei Zuschläge[4] zugeteilt erhalten. Im Winter 1598/99, die Hauptarbeit war wohl geschafft, verheiratete er sich mit Geseke Begemann, Tochter des Kötters Ludeke Begemann vom Colonat Nr. 22 in Giershagen. Zu seinen 8 Scheffelsaat[5] brachte sie 4 Scheffelsaat als Brautschatz in die Ehe ein; zusammen waren nun 12 Scheffelsaat, gut 2 Hektar zu bewirtschaften.

Im Salbuch der Vogtei Schötmar[6] von etwa 1616/1617 werden seine zu leistenden Abgaben beschrieben: Heinrich Guese I.G. eygen; gibt I.G. 6 Gr. Landschatz, 4 Huner; dienet jährlich 12 Tage mit dem Liebe nach Bullinkhußen[7]; Schuldegeld 1Rtl. 13½ Gr.; Burgfestgeld 9 Gr.; Hofgerichtsschatz 3 Gosl.; Burgfest drey Tage. Als des Grafen Leibeigener musste er also 15 Tage im Jahr Frondienst leisten, etwas mehr als 2 Rtl. 4½ Gr. Steuerlast aufbringen und zusätzlich 4 Hühner für die Hofküche in Detmold beisteuern.

Im Sommer 1635 starb Geseke Güse geb. Begemann; ihre beim Gericht aufgezeichnete Verlassenschaft betrug 3 Morgen[8] Land (d.i. der Brautschatz) 1 Kuh, 2 Betten, 1 Kessel, 1 Pott.

In 2. Ehe heiratete Heinrich Güse die Tochter des Johann Brinkmeyer. Heinrich Güse selbst starb im Sommer 1648, also zu einer Zeit, da die Nöte des 30-jährigen Krieges noch hart auf Land und Leuten lagen. Bei seinem Tod waren nur 2 Morgen Roggen und 1 Morgen Hafer vorhanden, außerdem 1 Kuh und 30 Taler Außen-stände bei Güsen, damit ist sein Sohn Johann Güse gemeint, der 1642/43 die Nachbarstätte von Koch Gretchen und Nolten Klocken (später Kochmeier Oberwüsten Nr. 31) gekauft hatte und dazu wohl das Geld von seinem Vater geliehen hatte.

Beerbt wurde er von seiner jüngsten Tochter Gretgen, die sich am 12. Juni 1650[9] mit dem um 1615 geborenen Johann Sieckmann aus Valdorf Nr. 10 verheiratete, der nach lippischem Namensrecht den Hofnamen Güse annahm. Er versprach im Eheprotokoll die Güsesche Stätte anzunehmen und mit 40 Talern zu verbessern[10]. 1665 führte Gretgen vor dem Gogericht in Schötmar einen Beleidigungsprozess gegen die Kochtrine, ihre Schwägerin auf dem Nachbarhof, den ihr Bruder Johann Güse gekauft hatte. Bald darauf muß sie gestorben sein. Johann Güse geb. Sieckmann starb als Leibzüchter und Witwer. Er wurde am 18. März 1684 begraben. Bei seinem Tode umfasste der Hof 1 Haus, 1 Garten, 2 Kühe und 12½ Scheffelsaat Land.

Eintrag im Wüstener Kirchenbuch von 1684:
"Martius Den 18 ist Johan Güßen begraben"

Anerbe war der jüngste Sohn[11] Henrich Güse, der etwa 1655 geboren wurde. Er verheiratete sich am 17. Oktober 1676 mit Dorothea Knöner. Henrich Güse starb im Sommer 1724.

Nachfolgender Hofbesitzer von Henrich Güse war von Rechts wegen dessen am 22. Januar 1682 getaufter Sohn Henrich. Dieser verzichtete jedoch am 13. August 1705 zugunsten seines im April 1685 geborenen Bruders Johann Berend Güse auf das Anerbenrecht gegen 10 Taler Abstand und Beanspruchung einer Aussteuer, die aus 1 Kuh und 30 Talern bestand.

Johann Berend heiratet am 14. September 1705 die Margrethe Hudepohl aus Unterwüsten. Sie starb um Neujahr 1728. In zweiter Ehe verheiratet er sich am 20. Juni 1728 mit Anna Catharina Krumme. Johann Berend Güse starb am 1. Oktober 1759 im Alter von 74 Jahren und 6 Monaten. Seine zweite Ehefrau Anna Catharina Krumme überlebte ihn nur etwas mehr als einen Monat. Sie starb am 5. November 1759 im Alter von 60 Jahren und 6 Monaten und wurde am 8. November 1759 bestattet.

Erbe war sein in der Ehe mit Margarethe Hudepohl geborener und am 26. Dezember 1706 getaufter Sohn Johann Berend Güse. Dieser verheiratete sich am Sonntag, den 16. September 1736, mit Anna Ilsebein Bade, die auch den Namen Borns trug. Sie war nach ihrem Sterbealter gerechnet um 1708 geboren. Ihnen wurden im Juni 1748 Zwillinge geboren Johann Berend der Anerbe, der wie schon sein Großvater und auch sein Vater den Namen Johann Berend trug und ein Töchterlein Anna Cathrina. Beide wurden am 25. Juni 1748 getauft. Anna Ilsabein Borns starb am 22. März 1770 an der Schwindsucht. Zum Tod von Johann Berend Güse am 6. März 1773 lautet dem Eintrag im Wüstener Kirchenbuch: "Johann Berend Guise[12], Untervoigt[13], weyland Anna Ilsabein Borns Ehemann".

Johann Berend Güse, der Anerbe der Güseschen Stätte, verheiratete sich am 15. Juli 1770 mit Anna Louise Prüßner. Sie war Tochter des Johann Henrich Prüßner, Einlieger auf Dethardts Hofe in Unterwüsten. Schon drei Jahre später, am 22. Juli 1773, starb sie im Alter von 24 Jahren an der Schwindsucht. Nach einer kurzen Trauerzeit heiratete er in zweiter Ehe am 21. November 1773 die vom Buschof (Unterwüsten Nr. 31) stammende Anna Louisa Pauck. Ihnen werden drei Töchter geboren.

In dem Amt als Untervogt war nicht Johann Berend der Nachfolger seines Vaters, sondern sein jüngerer Bruder Berend Henrich Güse. Der heiratet am 21. August 1768 Catharina (Trina) Ilsabein Kruthöfer aus dem Langenberge. Sie wohnen als Einlieger auf Kruthöfers Hofe Nr. 35 in Unterwüsten. Ihnen werden die Kinder Johann Bernd am 19. Dezember 1768, Berend Henrich am 7. Oktober 1770[31], Anna Louisa Henriette am 11. Juli 1773, und Johann Jobst am 25. Dezember 1775 geboren.

Aus dem Jahre 1782 ist folgende Hofbeschreibung überliefert: 1 Hof im Zuschlag 2 Spint[14], 1 Wohnhaus, 1 Backhaus, 2 Gärten (davon 1 Leibzuchtgarten) 16 Scheffelsaat 2½ Spint Ländereien, 2½ Spint Wiese beim Hofe, 1 Scheffelsaat 3¼ Spint Hude "Den Hellbrink".

Anna Marie Louise, geboren am 14. April 1771, war beim Tod ihrer Mutter Anna Louise Prüßner erst 2 Jahre alt. Sie war als einziges Kind dieser ersten Ehe die Anerbin. Als ihr Vater sich ein zweites Mal vermählte, wurde beim Amt Schötmar festgelegt, dass Anna Marie Louise Anerbin bleibt, auch wenn in der zweiten Ehe Söhne geboren werden. Johann Berend Güse darf mit Anna Louise Pauck den Hof 20 Jahre bemeiern[15], dann müssen sie auf die Leibzucht und die Anerbin übernimmt den Hof. Als Vormünder unterzeichnen Berend Henrich Güse, Untervogt und Onkel des Mädchens sowie Anton Prüßner.

Zehn Tage vor ihrem 18. Geburtstag heiratet die Erbin am 4. April 1789 den ebenfalls aus Oberwüsten stammenden Johann Henrich Hans-Kixmüller oder auch Begebarthold genannt. Er war ein nichterbender Sohn des Johann Bernd Hans-Kixmüller von der Stätte Oberwüsten Nr. 42. Wie es Brauch und Gesetz war, nahm er den Hofnamen Güse an.

Anerbe ist der am 28. Oktober 1794 geborene Sohn Johann Henrich Güse. Er heiratet am 17. September 1820 Anna Margarethe Elisabeth Begemann aus Oberwüsten Nr. 22. Johann Henrich Güse starb einen Tag vor seinem 71 Geburtstag an einer Blasenkrankheit. 

Henrich Güse Sohn und Anerbe wurde am 14. Oktober 1823 geboren. Er verheiratete sich am 19. Mai 1867 mit der aus Unterwüsten Nr. 34 stammenden Caroline Wilhelmine Henriette Müssemeier. Sie war am 4. Februar 1835 geboren. Im Jahre 1879 kauften sie von den Erben Kochmeier den Nachbarhof, Oberwüsten Nr. 31, und erweiterten damit die zu bewirtschaftende Fläche erheblich. Am 20 März 1906 starb Henrich Güse mit 82 Jahren an Altersschwäche.

Am 29. Juli 1876 wurde Tochter Luise Wilhelmine Henriette geboren. Sie wurde Erbin des Doppelhofes Oberwüsten Nr. 27 und Nr. 31. Sie heiratete den aus Unterwüsten vom Langenberg Nr. 35 stammenden Landwirt Friedrich Wilhelm Kruthöfer. Beide kauften mit Vertrag vom 18. Mai 1912 den Nachbarhof Friedrich Arndmeier, Oberwüsten Nr. 59. Sie vergrößerten damit – sowie durch weiteren Zukauf im Jahre 1930 – die aus drei alten Oberwüstener Höfen bestehende Landwirtschaft auf insgesamt 11 Hektar. Friedrich Wilhelm August starb am 23. Juli 1940. Luise Wilhelmine Henriette Kruthöfer geb. Güse starb am 11. Juli 1967. Mit ihr erlosch der Hofname Güse in Oberwüsten.

Nachzutragen ist noch, dass die Häuser Nr. 27 im Jahre 1924 und Nr. 31 im Jahre 1931 wegen Baufälligkeit abgebrochen worden sind.

Auszug aus einer aktualisierten Katasterkarte
von 1895
[16] mit dem Kolonaten Güse Nr. 27
und Kochmeier Nr. 31 im Erdsiek.




























 

Acker-, Wald- und Wiesenfläche von Hof Güse, Oberwüsten Nr. 27 im Jahre 1913 [17]


Quellen:   1 Grundlage dieser Hofbeschreibung ist die Arbeit von Herrn Regierungsrat a.D. Erich Scheuermann, Melle, die in einem Brief an Frau Elfriede Kruthöfer, Oberwüsten, dokumentiert ist. Dank an Frau Elfriede Kruthöfer, die diesen Brief zur Verfügung stellte.
    2 Markgenossenschaft = Die Aufteilung der lippischen Waldbestände erfolgte unter die Markgenossen.
    3 Gemeine, Gemeinheit = gemeinschaftlicher (Wald- oder Hude-) Besitz.
    4 Zuschlag = ein zur Nutzung (Rodung) aus dem gemeinsamen oder herrschaftlichen Wald abgetrenntes Grundstück.
    5 Scheffelsaat = 1716,588 m2 (in Lippe)
    6 Stöwer, Herbert und Fritz Verdenhalven: Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620. Lippische Geschichtsquellen. Münster in Westfalen, 1969. S. 137.
    7 Bullinkhußen: „Im Jahre 1587 standen in der Gemarkung Lieme überraschend drei Güterkomplexe zum Verkauf: • der Steinhof zu Großen-Lieme mit den Kötterstätten Strunk Nr.8, Steinmeyer Nr. 14 und Imker Nr. 20 • das adlige Gut Büllinghausen [Bullinckhausen] mit Mühle und Herrenhaus • und der Vollspännerhof Sostmann-Brandig in Großen-Lieme. … Diese Gelegenheit ließ sich Graf Simon VI. nicht entgehen, und er erwarb den umfangreichen Grundbesitz für die geringe Summe von rund 20 000 Rthl. Aus: Starke, Fritz: Lieme, eine ländliche Siedlung in Gegenwart und Vergangenheit. (Sonderveröffentlichung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe, Bd. 19), Lemgo 1972, S. 112.
Der leibeigene Johann Güse, Colon des Hofes Nr. 27 in Oberwüsten, musste "12 Tage mit dem Liebe" auf der Domäne Bullinckhaußen bei Lieme Dienst leisten.
    8 Morgen = 1½ Scheffelsaat = 2574,881 m2
    9 Datum des amtlichen Eheprotokolls
  10 Das war damals nach Beendigung des 30-jährigen Krieges eine ansehnliche Summe.
  11 Zu der Zeit erbte im Amt Schötmar der jüngste Sohn. Im übrigen Lippe bestimmte das Anerbenrecht den ältesten Sohn als Erben. Später erbte auch im Amt Schötmar der älteste Sohn.
  12 Guise = Güse. Die Umgangssprache noch bis ins 20. Jh. hinein war Plattdeutsch. Sie hat bei den Namen auch immer wieder Eingang in die Wüstener Kirchenbücher gefunden. Aus Lohkamp wurde Laukamp, aus Müller wurde Möller, aus Schäfer wurde Scheiper, bei den Namen Kästingschäfer und Kästingscheiper ist sie bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist. Es gibt viele Beispiele mehr.
  13 Die Untervögte waren den Vögten unterstellt und übten landesherrliche Exekutivmaßnahmen aus.
  14 Spint = Spintsaat = 429,147m2
  15 bemeiern = bewirtschaften
  16 Kartenbestand des Stadtarchivs Bad Salzuflen. Übersichtskarte der Bauerschaft Oberwüsten von 1895.
  17 Stadtarchiv Bad Salzuflen. G IX Nr. 283. Mutterrolle der Bauerschaft Oberwüsten