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Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium)

Systematik:

Abteilung:
Bedecktsamer: (Magnoliophyta)
Klasse:
Zweikeimblättrige: (Rosopsida)
Ordnung:
Nachtschattenartige: (Solanales)
Familie:
Nachtschattengewächse: (Solanaceae)
Gattung:
Stechäpfel
Art:
Gemeiner Stechapfel:
(Datura stramonium L.)

Synonyme:
Datura bernhardii, D. bertlonii,
D. lurida, D. parviflora, D. spinosa, Stamonium foetidum, S. spinosum,
S. vulgatum

 

Abb. 2 Blüte

Abb. 3 Stechapfel mit Blüte und kleiner Frucht

Abb. 4 Fruchtkapsel

Abb. 5 Aufgesprungene 4-klappige
Fruchtkapsel

Abb. 6 Fruchtkapsel mit Samenkörnern

Abb. 7 Blüte Schwebfliege

Abb. 1 Gemeiner Stechapfel im Garten an geschützter Stelle.

Namenerklärung:
Der Gattungsname Datura ist eine Ableitung entweder vom arabischen tatorah oder vom persischen tatula (tat = stechen), womit er sich auf die Stachelfrucht bezieht, während sich stramonium aus dem griechischen strychnon und manikon (Wahnsinn) zusammensetzt. Den deutschen Namen erhielt die Pflanze wegen ihrer stachligen Frucht.

Volksnamen:
Asthmakraut, Kratzkraut, Stachelnuss, Teufelsapfel, Weisser Stechapfel, Stäckappel (plattdeutsch), Stecker(krut), Stäkkührn = Körner für die Samen! (Mecklenburg), Kratzkraut (Kärnten). Das mecklenburgische Düwelsappel = Teufelsapfel weist auf die Giftigkeit hin. Schwarzkümmel (Henneberg), Krützkämel = Kreuzkümmel (Pommern) beruhen auf Verwechslung mit Nigella sativa, die ähnliche Samen besitzt.
Im Lippischen: In der lippischen Mundart ist es als Dümpkraut bekannt.

Vorkommen:
In Mitteleuropa kommt der gemeine Stechapfel häufig als "Ackerunkraut" vor. Bevorzugt werden stickstoffreiche Böden wie Schutt, Müll und Wegränder. Allgemein wird diese Pflanze als selten betrachtet.

Vorkommen in Wüsten:
Er tritt sporadisch an den geeigneten Standorten auf. In diesem Jahr wurde ein Exemplar in der Waldemeine  beobachtet.

Blüten:
Die Blüte ist einzeln stehend, aufrecht, weiß und trompetenförmig gefaltet, bis 7 cm lang und hat 5 Zipfel. Sie ähnelt den Blüten der Engelstrompete.  Eine typische Nachtfalterblume, da sich ihr Duft hauptsächlich nachts entwickelt und der Nektar durch die ca. 5 cm lange Blütenröhre nur Nachtfaltern zugänglich ist. Die Blüten sind auch an trüben Tagen und tagsüber geöffnet. Bereits am darauf folgendem Tag beginnt sie zu welken. Es kann zu einer erfolgreichen Selbstbestäubung (Homogamie) kommen. Die Blüte erscheint in den Monaten Juni bis September.

Früchte:
Die Frucht ist eine große, stachelige, grüne, 4-klappig aufspringende Fruchtkapsel (Name!). Wenn sie reif ist, enthält sie (100) 300 bis 500 (800) schwarze, nierenförmige Samen. 100 Samenkörner wiegen 7 bis 11 Gramm. Ausgereifte Fruchtkapseln finden sich ab August bis Oktober. Es ist ein Frostkeimer.

Ausbreitungsstrategie:
Die Verbreitung erfolgt mit Hilfe des Windes (Windstreuer) Aber auch an vorbeistreifenden Tieren können sich die Kapseln kurzfristig anheften (Tierstreuer).

Gefährdung:
In NRW als Neophyt keine Einstufung in der Roten Liste. In Niedersachsen nach Haupler stark gefährdet. In Westfalen dürfte sie als gefährdet einzustufen sein. Er tritt sehr selten und unbeständig auf und zeigt auch bis jetzt keine Einbürgerungstendenz.

Nutzung:
Der (weiße) Stechapfel wird zur Gewinnung von Alkaloiden benutzt (s.unten).

Giftigkeit:
Sehr giftig!  Alle Datura-Arten enthalten giftige Alkaloide, im wesentlichen Hyoscyamin (Atropin) und Scopolamin. Die Wirkungen der Stechapfel-Arten waren schon in der Antike bekannt.
Der römische Schriftsteller Plinius berichtet darüber, dass der Stechapfel als Speergift verwendet wurde.

Verwendung in der Pflanzenheilkunde:
Erst 1762 wurde der Stechapfel durch den Wiener Hofarzt A. von Stoerck (1731-1803) in die Medizin eingeführt  Im Gegensatz dazu spielt die Pflanze in Mexiko  seit dem Altertum eine bedeutsame Rolle und wird als Medizin eingesetzt. Die starken betäubenden Eigenschaften waren Ursache für die Nutzung in Drogenzubereitungen für kultische Handlungen und medizinische Eingriffe. Die alten peruanischen Ärzte kannten sich gut mit den Wirkungen bei verschiedenen Dosierungen aus. So konnten sie Medizinen zubereiten, die betäubend und schmerzlindernd wirkten, Visionen erzeugten oder töteten. Vermutlich wurden die Stechapfelsamen zerstoßen in "Chicha" [Maisbier der Inka] eingenommen. Im alten Peru wurden sogar Schädeloperationen durch den Stechapfel möglich. Die trepanierten Schädel zeigen, dass die Operationen erfolgreich waren, denn die Knochenränder waren gut verheilt. Stechapfel wurde auch den Initianten gegeben, wenn ihnen bei den Einweihungsfeiern die Ohren durchbohrt wurden.  Besonders die Samen dienten früher nicht selten für Mord- und Selbstmordversuche. Mitunter benutzten Kriminelle Aufgüsse der Samen zur Betäubung ihrer Opfer, um sie später besser ausrauben zu können.  
Anwendungsgebiete der frischen, oberirdischen Teile blühender Pflanzen: hochfieberhafte Infektionen, Krampfzustände, Entzündungen der Augen, psychische Erkrankungen, Schlafstörungen bei Kleinkindern ??.
Getrocknete Blätter: Früher als Mittel gegen Asthma verwendet, doch waren besonders bei Kindern Vergiftungen und sogar Todesfälle durch übermäßigen Genuß der „Asthma-Zigaretten“ nicht selten.
Da die Anwendung äußerst gefährlich ist, wurde sie schon im preußischen Landrecht unter Strafe verboten.

Der weiße Stechapfel  im Aberglauben:
Pflanzen der Gattung Datura wurden bereits früher (vor 1762) in so genannten Hexentränken und Initiationsritualen verwendet. Er gehört neben dem Bilsenkraut und der Tollkirsche zu den “klassischen Hexendrogen”.
Eine große Rolle spielte der Stechapfel auch im Aberglauben der Zigeuner, die wahrscheinlich entscheidend zu seiner Verbreitung bei uns beigetragen haben. Sie verwendeten ihn als Zauber- und Orakelkraut, aber auch als Arznei. (Wenn man sich überlegt, dass diese Hinweise zu einer Zeit in der Literatur auftauchten,
als Rassismus an der Tagesordnung war, bleibt ein schaler Nachgeschmack).Seine berauschende Wirkung wurde bald erkannt und zu eben jener Zeit kam der Hexenwahn auf. Der Zusammenhang zwischen Hexenwahn und Stechapfel besteht wohl darin, dass vom Stechapfel berauschte Personen ihre, von ihnen für wirkliche Begebenheiten gehaltenen Visionen, bei der Beichte berichtet hätten. Die halluzinierten Rauscherlebnisse, beispielsweise der Hexenflug oder sexuelle Exzesse, sicherlich auch die angebliche Völlerei beim Hexensabbat, wurden von der Geistlichkeit als Werk des Teufels erkannt. Als sich scheinbar verbreitende Teufelsanhängerei, wurden als Urheber die den Stechapfel verarbeitenden Kräuterweiber angenommen; welche man dann als Teufelspaktierer und zaubernde Hexen brandmarkte. Hinzu kommt, dass der Hexenwahn immer dann besonders aufflammte, wenn Not und Elend herrschten — eben das waren und sind auch immer diejenigen Zeiten, wo der Mensch besonders etwas Trost im Rausch suchte und sucht.


Quellen: Düll, R. / H. Kutzelnigg: Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch, Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere 3.Fassung.
  Haupler, H.: Atlas zur Flora Südniedersachsens
  Lienenbecker, Heinz: Die Pflanzenwelt in Ostwestfalen-Lippe
  Lienenbecker, H./U. Raabe: Die Dorfflora Westfalens,
  Meier-Böke, August: Flora von Lippe. (Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe, Bd. 29).
  Ziegler-Petzold: Drogenkunde 1929 Reprint-Verlag-Leipzig.
  www.awl.ch/heilpflanzen
  www.botanikus.de
  www.catbull.com
  www.henriettesherbal.com
Text: Rolf Dieringer, Landschaftswart in Bad Salzuflen
Fotos: Rolf Dieringer, Landschaftswart in Bad Salzuflen, Abb. 4
  Klaus Pumpenmeier, Abb. 1-3 u. 5-7