Meilensteine an Wüstener Straßen
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Meilenstein ohne Beschriftung an der Birkenallee.

Meilenstein für 1/2 Meile Wegstrecke.

Meilenstein für 1/4 Meile an der Salzufler Straße
gegenüber Niewald (Nr. 37).

Der 1/4-Meilen-Stein an der Salzufler Straße steht im Verborgenen.

Der Stein ohne Beschriftung im Salzufler Wald.
Exakt einen Kilometer von Niewald in Wüsten entfernt.




 

 
Zwei Meilensteine an der Birkenallee und ein Stein an der Salzufler Sraße.
Wie so häufig, ist es Albert Siegert, der Vorsitzende des Vereins "Heimatfreunde Wüsten",  der Anstöße zum Recherchieren gibt: "Da stehen zwei Steine an der Birkenallee, was hat es damit wohl für eine Bewandtnis?"  fragte er kürzlich.
Von Wüsten kommend, steht der erste Stein auf der rechten Seite der L 535 etwa 10 Meter vor dem weißen Kilometerstein 0,8oo. Dieser behauene Sandstein (oberes Foto) ragt etwa 50 bis 85 cm aus der Chausseegraben-Böschung heraus und hat einen quadratischen Querschnitt mit einer Kantenlänge von 35 cm. Oben mit einer kleinen Abschrägung nach allen vier Seiten. Unten wird der  beschädigte Stein mit einer schmiedeeisernen Schelle zusammengehalten. Dieser Stein hat keinerlei Beschriftung.  
Der zweite Stein steht in etwa 1 km Entfernung (auf gleicher Höhe steht der weiße Kilometerstein 1,8oo)  in Richtung Vlotho an der linken Straßenböschung. Er ragt etwa 60 bis 85 cm aus dem Erdreich hervor und hat einen Querschnitt von  35 mal 39 cm Kantenlänge. Die obere Abplattung ist hier mit 5 cm etwas stärker als beim ersten Stein. Beide Steine stehen mit einer Kante zur Straße hin, so dass zwei Seitenflächen in 45 Grad zum Straßenverlauf ausgerichtet sind. Dieser Stein hat nun auf den beiden der Straße zugewandten Seiten jeweils die Beschriftung  "1/2 MEILE". Dieses konnte also von Wüsten oder von Vlotho kommend in gleicher Weise gelesen werden.
Ein weiterer Stein steht von der Dorfmitte kommend an der Salzufler Straße auf der rechten Seite gegenüber von Niewald Nr. 37. Man fährt beinahe achtlos an ihm vorbei, da er sich in einem Gebüsch versteckt. Erst kürzlich wurde er von einem Heimatfreund freigeschnitten. Dieser Stein trägt zweimal auf der von der Straße abgewandten Seitenflächen die Aufschrift 1/4 MEILE. Auch er hat eine Kantenlänge von 35 cm und erhebt sich 50 cm aus dem Erdreich.
Ein weiterer Stein soll im Straßenkick vor Brandsmeiers Schmiede gestanden haben. Der ist aber im Laufe der Zeit verschwunden. Erinnern wir uns an den Müllplatz dort und auch an die Straßenveränderungen. Vielleicht liegt er  im Erdreich versunken. 
Meilensteine, auch Postmeilensteine genannt, wurden in deutschen Landen im 18. und 19. Jahrhundert an bedeutenden Fernstraßen aufgestellt. In Lippe sind noch einige dieser Steine in gleicher oder ähnlicher Form erhalten geblieben. So in Lemgo, in Lage, in Waterloo, in Horn und in Großenmarpe. Und bei uns in Wüsten sogar drei! Diese Steine dienten zunächst der Post, die nach festgesetzten Entfernungen die Beförderungszeiten der Personen-Posten, der normalen Brief- Geld- und Paket-Posten mit dem Postwagen und der Extra-Posten per reitendem Boten, regelte. Mit dem Ausbau der Chausseen wurden die Meilensteine - wie heute die Kilometer-Steine - zur Bestimmung der Chausseelängen gesetzt. Mit der Einführung des metrischen Systems in Deutschland (1872-1875) verloren die Meilensteine (vor 1858: 1 Lippische Meile = 2000 Ruten = 9,2644 km. Ab dem Norddeutschen Bund, 1858: 1 M = 7,5 km) ihre Bedeutung.
Fahren wir den Weg ab von der Grenze bis zu Niewald und beziehen den fehlenden Stein vor Brandsmeiers Schmiede mit ein, so stehen die Steine jeweils exakt einen Kilometer auseinander. Von Niewald weiter finden wir den nächsten Stein im Wald und bei Schneidermeister Krumme soll auch ein Stein vor der Tür gestanden haben. Auch diese Entfernungen liegen jeweils einen Kilometer auseinander. Es besteht also kein Zweifel daran, dass die ehemaligen Meilensteine als Kilometersteine gesetzt worden sind. Zwangsläufig fehlende Steine - weil auf einer Meile nur vier Steine vorhanden waren - wurden durch neue Steine in gleicher Form aber ohne Beschriftung ergänzt.
In einer kleinen Chronik des Wüstener Kruges ist zu lesen: " 1854 1852 kam die Wirtschaft auf die andere Seite der neuen Straße, weil der Besitzer schon 1835 eine bedeutende Geldsumme für den Fall zugesagt hatte, dass die neue Überlandstrasse durch Wüsten direkt an seinem Gasthause vorbei gebaut würde..."
In diesem Zeitraum, zwischen 1835 und 1854 werden - mit dem Bau der Landstraße - die Meilensteine an die Straße gesetzt worden sein. Erst später, nach 1872, sind die Steine als Kilometersteine' vermutlich umfunktioniert' worden.  
Auch Dr. Grossmann erwähnt in seinem Buch über Valdorf die Straße von Vlotho nach Salzuflen: "Als Notstandsmaß-nahme im Hungerjahre 1847 wurde der Bau der Straße von Vlotho nach Salzuflen begonnen..."
Viele dieser Meilensteine sind verschwunden, manche sind in Straßengräben unter das Erdreich versunken, andere bei Baumaßnahmen aus Unkenntnis beschädigt oder beseitigt worden,  wieder andere - weil fein behauen - haben als Baumaterial Verwendung gefunden. Diese letzten noch vorhandenen Zeugen aus der Postkutschenzeit gilt es zu bewahren.
Um den Stein, der von einem Eisenband zusammen gehalten wird, rankt sich eine kleine Geschichte.
Kurz nach der Jahrhundertwende, als Autos noch eine Seltenheit auf unseren Straßen waren, soll ein Automobil die Birkenallee befahren haben. Die Pferde eines entgegen-kommenden Fuhrwerks - den Anblick dieses Ungetüms noch nicht gewohnt - sollen durchgegangen sein und den Stein in zwei Teile gefahren haben. Der Schmied Hense in Wehrendorf, ein Bruder unseres Wüstener Schmied Hense, bekam den Auftrag, den Stein wieder zusammenzufügen und mit einem Eisenband zu sichern.
Zu der Zeit lernte Hermann Meierkordt aus Wüsten bei Schmied Hense in Wehrendorf, einem nahen Verwandten, das Schmiedehandwerk. Er wurde beauftragt, bei einem seiner Heimwege Maß zu nehmen und später in der Werkstatt das Band - wohl aus einem alten ausgedienten Wagenreifen, wie das üblich war - zu schmieden. Er zog mit einem Handwagen beladen mit Eisenband, Schrauben und Werkzeug los und fügte den Stein mittels des Eisenbandes zusammen.
Viele Jahre später, er hatte als Meister bereits seine eigene Schmiede in Leese, besuchte er regelmäßig seine Verwandten Wilhelm und August Hense in Wüsten. August Hense, der schon sehr früh ein Automobil besaß, brachte ihn dann von Wüsten nach Wehrendorf. An dem besagten Stein hielten sie immer an. Hermann Meierkordt stieg aus, befühlte das Band und sagte nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme: "Es hält noch immer!" Man möchte ihm heute nach 100 Jahren zurufen: "Schmied Meierkordt! - Es hält noch immer!"
 
Dank und Quellen: Einen Dank an Werner Hense, der kürzlich über die Geschichte vom Stein mit dem Eisenband berichtete.
Einen Dank an Rainer Mewes, der auf den dritten Stein aufmerksam machte und ein Foto für diese Dokumentation zur Verfügung stellte.
Grossmann, Dr. Karl: Geschichte der Gemeine Valdorf und ihrer Bauerschaften, 1955, Valdorf.
Hennings, Annette: Vom Leben mit Straßenund Wegen im frühneuzeitlichen Lippe (S.129-144). Aus: Kontinuität und Umbruch in Lippe. Institut für Lippische Landeskunde, Detmold, 1994.
Frevert, Sylvia: Entfernung auf Lippisch. Aufsatz im Lippe-Lexikon. 
Forschungsgruppe ... Meilensteine e.V. im Internet http://www.forschungsgruppe-meilensteine.de
Verdenhalven, Fritz: Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachgebiet. Neustadt an der Aisch, 1968.
Wüstener Krug: Chronik in der Speisenkarte.