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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Erster Teil – Überblick

Zweiter Teil – Einzeldarstellung

Anhang

Entwurf zu einem Lippischen Höferecht

Alphabetisches Verzeichnis

 
 
 
 
0
 

Der  Bauer ist des Vaterlandes                 
erster Sohn.             Ernst Moritz Arndt.

 

Das

Lippische Höferecht


 

–––––


 
Von
Albrecht Tasche,
Assessor in Lage.




 
Clemens Böhringer vorm. Kotzenberg'sche Buchhandlung
Lage (Lippe).
 
 

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– III –

 

Inhalt.

 

Erster Teil: Überblick.

Kapitel I. Der Ackerbau, §§ 1–3

     § 1. Staat und Wirtschaft.

     § 2. Wirtschaft und Ackerbau.

     § 3. Ackerbau und Staat.
Kapitel II. Grundbesitz und Hörigkeit, §§ 410
     § 4. Landesherr und Grundbesitz.
     § 5. Die Grundherrlichkeit
     § 6. Der Guts- und Lehnsbesitz.
     § 7. Das Leibeigentum.
     § 8. Grundbesitz und Leibeigentum
     § 9. Wandlungen in der leihenden Hand.
     § 10. Wandlungen in der beliehenen Hand.
Kapitel III. Grundbuchung und Grundkredit, §§ 11–22

     § 11. Die Besteuerung.
     § 12. Die Katastrierung.
     § 13. Die Saalbücher.
     § 14. Die Katasterverwaltung
     § 15. die Durchführung der Katastration.
     § 16. Das Hypothekenbuchwesen.
     § 17. Fortsetzung
     § 18. Die Pfandverschreibung bei unvererblichen
              Höfen.
     § 19. Die Pfandverschreibung bei vererblichen Höfen.
     § 20. Die Lastenverteilung
     § 21. Die heutige Grundbuchung.
     § 22. Fortsetzung
Kapitel IV. Güterstand und Erbrecht, §§ 2339

     § 23. Freigut und Hofgut.
     § 24. Fortsetzung.
     § 25. Die Güterordnung von 1786
     § 26. Fortsetzung
     § 27. Das neue Recht.
     § 28. Fortsetzung
     § 29. Das Güterrecht des BgB.
     § 30. Die Gütergemeinschaft von 1786 und des BgB.
     § 31. Fortsetzung: Rechtsstellung des Überlebenden.
     § 32. Fortsetzung: Rechtsstellung des
              Wiederheiratenden.
 

– IV –

     § 33. Fortsetzung: Verfügungsfreiheit des
              Überlebenden.
     § 34. Der gesetzliche Güterstand des BgB.
     § 35. Die Gütertrennung des BgB.
     § 36. Güterrechtsregister
     § 37. Der Ehe- und Erbvertrag.
     § 38. Fortsetzung: Erbfall bei beerbter Ehe.
     § 39. Weitere Hoferhaltungsmöglichkeit.

Zweiter Teil: Einzeldarstellung.

Kapitel I. Das Hofgut; §§ 40–47
     § 40. Begriff des Hofgutes: Unbewegliches Hofgut.
     § 41. Fortsetzung: Bewegliches Hofgut
     § 42. Gebundenheit des Hofgutes.
     § 43. Berechtigung der Hofgebundenheit.
     § 44. Frühere Hofgebundenheit.
     § 45. Jetzige Hifgebundenheit
     § 46. Walzendes Gut.
     § 47. Vereinigung mehrerer Höfe.
Kapitel II. Der Hoferblasser, §§ 48–51

     § 48. Hoferblasser und Hofgebundenheit.
     § 49. Hoferblasser und Höfeerbrecht.
     § 50. Hoferblasser und Pflichtteilsrecht.
     § 51. Auslegungsregeln.
Kapitel III. Der Anerbe, §§ 52–58
     § 52. Vererbung des Freigutes.
     § 53. Vererbung des Hofgutes.
     § 54. Das Erstgeburtsrecht.
     § 55. Unfähigkeit des Anerben: Gründe der                Unfähigkeit.
     § 56. Fortsetzung: Zuständigkeit, Verwaltungs- oder                Rechtsweg.
     § 57. Anerbenverzicht
     § 58. Rechtswirkungen des Anerbenverzichts.
Kapitel IY. Der Brautschatz, §§ 59–64

     § 59. Frühere Grundsätze.
     § 60. Berechnung der Brautschätze.
     § 61. Die Brautschatzberechtigten.
     § 62. Fälligkeit der Brautschätze.
     § 63. Änderung der Brautschätze.
     § 64. Die Brautschatzkommission.

 
 

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– V –

 

Kapitel V. Der Überlebende, §§ 65–70

     § 65. Allgemeine Grundsätze

     § 66. Rechtsstellung nach der Güterordnung von                1766.
     § 67. Rechtsstellung bei Verwaltungsgemeinschaft                und Gütertrennung.
     § 68. Erbrecht bei Verwaltungsgemeinschaft und                Gütertrennung.
     § 69. Rechtsstellung bei der Gütergemeinschaft des                BgB.
     § 70. Auseinandersetzung bei der Gütergemeinschaft                des BgB.
Kapitel VI. Der Interims- oder Malwirt,
                  §§ 71–73

     § 71. Eintritt der Interims- oder Malwirtschaft.
     § 72. Die Mal- oder Meierjahre.
     § 73. Rechtsstellung des Interims- oder Malwirtes.
Kapitel VII. Die Leibzucht, §§ 74–80

     § 74. Frühere Grundsätze
     § 75. Die heutigen Leibzuchtberechtigten.
     § 76. Beginn und Ende der Leibzucht.
     § 77. Der Leibzuchtsvertrag.
     § 78. Die Leibzuchtswohnung.
     § 79. Die Leibzuchtszubehörungen.
     § 80. Die Rechtseigenschaft der Leibzuchtsgegen-               stände

Anhang:

I. Das eigenhändige Testament:
A) Einleitung.
B) Muster.

II. Das gemeinschaftliche Testament:
A) Einleitung.
B) Muster.

III. Das Vorstehertestament:
A) Einleitung.
B) Muster.

IV. Muster eines Hofabtretungsvertrages nebst Leibzuchtsverschreibung und Auflassung.

 V. Die Neuordnung des Höferechtes:
A) Einleitung und Kritik des lippischen Höferechtes.
B) Entwurf eines lippischen Höferechtes.

 

– VI –











Vorwort.

   Das lippische Höferecht, dessen älteste gesetzlich geregelte Teile bis auf das Jahr 1620 zurückgehen, erstreckt sich in der lippischen Gesetzgebung auf einen Zeitraum von etwa 300 Jahren. Bei den mannigfachen Ergänzungen und Abänderungen und bei dem Mangel einer einheitlichen Regelung des Höferechtes sind die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen über die umfangreichen 25 Bände der Landesverordnungen, wie die zur Zeit bereits über 16000 Druckseiten umfassende lippische Gesetzsammlung allgemein heißt, weit und unübersichtlich zerstreut.
   Die früheren Bearbeitungen des lippischen Höferechtes von Georg Ferdinand Führer (Darstellung der meierrechtlichen Verfassung in der Grafschaft Lippe, Lemgo 1804) und von Bernhard Meyer (das Kolonatsrecht im Fürstentum Lippe, Detmold 1855) liegen mehr denn 50 und 100 Jahre zurück. Grade in den letzten 50 Jahren sind aber erhebliche Eingriffe in den Bestand des Höferechtes erfolgt. Dahin gehören reichsgesetzlich : Die einheitliche Regelung des Großjährigkeitsalters und des ganzen bürgerlichen Rechts einschließlich des Grundbuchwesens, landesgesetzlich: die anderweite Regelung der Brautschätze und der Teilbarkeit der Höfe sowie die Vorschriften, die zur Ausführung des BgB. ergangen sind.

   Die größte Unsicherheit hat aber das BgB. durch seine abweichende Regelung der güterrechtlichen und erbrechtlichen Verhältnisse und nicht zuletzt durch seine zahlreichen Vorbehalte zu Gunsten des Höferechtes herbeigeführt. Eine neue, übersichtlich gegliederte Darstellung des Höferechtes lässt sich daher nicht von der Hand weisen.

 

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– VII –

   Der Stoff ist in der Weise geordnet, daß im ersten, einleitenden Teile ein kurzer Überblick über die Bedeutung des Ackerbaues und über die geschicht-liche Entwickelung des lippischen Grundbesitzes und des lippischen Güterrechtes insbesondere bezüglich des Bauernstandes zu geben, der Versuch unter-nommen ist. Denn die für den Ackerbau so wichtigen Grundbesitzverhältnisse, namentlich aber die Güterrechts- und Erbrechtsverhältnisse des lippischen Bauernstandes sind beide nur unter Berücksichtigung ihres geschichtlichen Werdeganges zu verstehen.

   In dem ausführenden zweiten Teile erfolgt dann die eigentliche Darstellung des Höferechtes. Die in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse sind unter sieben Gesichtspunkten zusammengefaßt: Hofgut, Hoferblasser, Anerbe, Brautschatz, Überlebender, Interimswirt, Leibzucht.

Im Anhange sind drei Muster der für die bäuerlichen Verhältnisse am häufigsten in Betracht kommenden letztwilligen Verfügungsarten beigegeben, um den beteiligten Kreisen, namentlich dem Hoferblasser und dem Dorf-Vorsteher, bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen zur Hand zu gehen. Beigefügt ist auch ein Muster eines Hofabtretungsvertrages nebst Leibzuchtsbestimmung und Auflassung.
Schließlich folgt im Anhange eine Kritik des Höferechtes nebst einem Entwurfe für dessen gesetzliche Neuordnung.

 Abkürzungen.

BgB. = Bürgerliches Gesetzbuch; Zahlen, welche dem Datum eines Gesetzes folgen, bezeichnen Band und Seite der Landesgesetzsammlung, z.B.: Verordnung vom 24/9. 1782; 3,25 = Band 3 Seite 25; Güter-O.= Güterordnung; Güter-G. = Gütergemeinschaft; Führer s. S. 16; Meyer s. S. 16.

 

– VIII –















 
Dem Landwirte
Herrn L.Lindemann
Lindemannshof
in Verehrung
zugeneigt.














 
 

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– 1 –

Onnium rerum, ex quibus aliquid acquiritur, nihil est agricultura melius, nihil uberius, nihil dulcius nihil homine libero dignius.
Cicero: de officiis.
Kein Beruf ist schöner, lohnender und erhebender, kein Beruf eines freien Mannes würdiger als der Ackerbau.
Cicero: Die Berufe.








Erster Teil
 

Überblick
 

Kapitel I.

Der Ackerbau

§ 1.

Staat und Wirtschaft.

   Der Staat, der heutige Inbegriff und oberste Maß-stab aller irdischen Macht und Größe, baut sich auf zwei Grundlagen, einer dinglichen und einer persön- lichen auf. Die dingliche Grundlage bildet – als ein räumlich abgegrenzter Teil der ganzen Erdoberfläche – der Grund und Boden eines Landes mit seinen Schätzen und Werten in Berg, Forst und Acker. Die persönliche Grundlage bilden – als ein zahlenmäßig abgegrenzter Teil der ganzen Erdbevölkerung – die Bewohner eines Landes.  
   Der Grund und Boden einerseits, die Bevölkerung anderererseits würden jeder für sich und ohne Wech-selbeziehungen zu einander nicht wohl denkbar sein. Erst durch die Herstellung und Betätigung der Wech-
selbe-
 

– 2 –

ziehungen zu einander und unter sich tritt das hervor, was wir als wirtschaftliches Leben zu bezeichnen ge-wohnt sind. Das wirtschaftliche Leben mit seinen un-endlichen, durch Nachfrage und Angebot geregelten Bedürfnissen spielt sich seiner äußeren Erscheinung nach nun ab zwischen Produktion und Konsumtion, Erzeugung und Verbrauch der Lebensgüter. Konsu-menten von Lebensgütern sind mehr oder minder alle, Produzenten dagegen nicht alle Menschen.
   Das Mittel zur Erzeugung von Lebensgütern im Sinne von wirtschaftlichen Werten erblicken wir Menschen in unserer Einsicht, unserem Willen und unserer Arbeitskraft. Das Maß unserer Einsicht läßt uns die Verschiedenartigkeit der Werte, insbesondere deren Verwertbarkeit für uns erkennen. Vermöge des Willens entschließen wir uns, diesen oder jenen Wert-gegenstand für uns zu erlangen und uns und unseren Bedürfnissen dienstbar zu machen. Die Arbeitskraft schließlich dient zur Durchführung des Willens mittels Arbeitsleistung zwecks unmittelbarer Beschaffung der benötigten Werte selbst oder zwecks Beschaffung von vorerst weiteren Mitteln zur demnächstigen Erlangung der benötigten Werte.
   Die Betätigung der Arbeitskraft im Dienste der menschlichen Einsicht und des menschlichen Wissens kann auf die mannigfachste Weise und in den ver-schiedensten Richtungen erfolgen. Sie kann sich erschöpfen in der Vermittelung, also der Zuführung und Beförderung der Lebensgüter von dem Produ-zenten zu dem Konsumenten, der Hauptbetätigung des Handels und des Verkehrs. Sie kann sich beschränken auf die Bearbeitung und Verarbeitung der Rohstoffe, also auf die Vervollkommnung und Werterhöhung von Lebensgütern, der Hauptbetä-tigung der Industrie und des Gewerbes. Die Arbeitskraft kann endlich sich zuwenden der Hebung und
 

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– 3 –

Bereitstellung der Schätze und Werte des Grund und Bodens selbst, der Hauptbetätigung des Bergbaues, oder auch sich zuwenden der Bewirtschaftung der Oberfläche des Grund und Bodens, der Haupt-betätigung des Ackerbaues, nämlich der Land- und Forstwirtschaft, des Garten-, Obst- und Weinbaues sowie der Viehzucht. Alles das ist auf die Erzeugung von Werten gerichtete, ehrliche Arbeit.

§ 2.

Wirtschaft und Ackerbau

   Bei der Abmessung der verschiedenen Berufs- oder Erwerbszweige, wie wir die mannigfachen Arten der Werte erzeugenden Arbeitsleistung zusammen-fassend bezeichnen, erhellt, daß Handel und Verkehr, Industrie und Gewerbe nur in Tätigkeit treten können, soweit Lebensgüter zur Vermittelung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung vorhanden sind, daß demnach diese großen und gewaltigen Erwerbs-zweige abhängig sind von denjenigen Erwerbs- und Berufszweigen, welche ihnen die zu ihrer Betätigung erforderlichen Lebensgüter bereit stellen, nämlich der Bergbau und der Ackerbau, zusammengefaßt unter dem Namen: Urproduktion. Auszugehen von dem nationalen Idealgrundsatze, - für den Fall eines Krieges übrigens ein sich von selbst verstehender Grundsatz, - daß jeder auf Selbständigkeit Anspruch erhebende Staat seine Bedürfnisse im wesentlichen im eigenen Lande muß und soll decken können, läßt sich daher wohl sagen, daß Bergbau und Ackerbau das Maß der Kräfte eines Staates darstellen. Denn nur in der eigenen Kraft ruht das Schicksal der Nation.
Bei dem Verhältnis von Bergbau und Ackerbau leuchtet leicht ein, wer von beiden die breitere Grund-
 

– 4 –

lage und die größere Machtsäule des Staates bedeutet. Gehen wir von reichsdeutschen Verhält-nissen aus, so sehen wir den deutschen Bergbau auf einen geringeren Teil von Schlesien und West-deutschland, hier zumeist nur auf Teile von Westfalen, des Rheinlandes, der Pfalz und der Reichslande beschränkt, im Übrigen nur geringwertig und verein-zelt über das Reich zerstreut. Die im deutschen Berg-bau beschäftigte Bevölkerung und die durch den Bergbau verkörperten und jährlich gehobenen Werte überhaupt stehen in keinem Verhältnisse zu denen des Ackerbaues. Jedenfalls läßt sich bei dem Mangel einheimischen Bergbaues für unser Land bis auf die Gewinnung von Steinen, Mergel, Torf, Sand, Salz und Soole ein Vergleich überhaupt kaum ziehen.
   Der deutsche Ackerbau mit seinen vielseitigen Bedürfnissen und seinen weit überragenden Werten in Land- und Forstwirtschaft, in Viehzucht, in Garten-, Obst- und Weinbau wird durchweg für alle Zeiten sich als der sicherste, nachhaltigste und kaufkräftigste Abnehmer nicht nur für bergbauliche, sondern auch für industrielle und namentlich gewerbliche Betätigung erweisen. Ebenso wird der deutsche Ackerbau mit seinen für die Ernährung der Nation und seinen, für das tägliche Leben am allerunentbehrlichsten Erzeug-nissen der Äcker, Gärten, Ställe, Weiden und Forsten dem deutschen Handel und Verkehre die meisten Güter und Werte zuführen oder bei seiner großen Aufnahmefähigkeit durch ihn sich zuführen lassen.

§ 3.

Ackerbau und Staat.
   Es kommt hinzu, dass der deutsche Ackerbau bei seiner körperlich und seelisch gefunden, sittlich hebenden Beschäftigung eine weit kräftigere und kernigere Be-
 

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– 5 –

völkerung ernährt und großzieht, als irgend ein anderer, der großen, in ihrer wirtschaftlichen Not-wendigkeit und gewaltigen Bedeutung sonst gewiß nicht zu unterschätzenden Erwerbs- und Berufs-zweige. Dementsprechend stellt auch der deutsche Ackerbau eine verhältnismäßig große Zahl Heimat und Vaterland liebender Männer als Soldaten und Krieger, weit überragend an Zahl und vielfach auch an Güte den Handels- und Gewerbestand, namentlich der Groß- und Mittelstädte, insbesondere aber die bergarbeitende und industrielle Bevölkerung. Gleich-zeitig trägt damit der deutsche Bauernstand bei der größeren Inanspruchnahme seiner Söhne für Heer und Marine allen anderen Berufsständen voraus mittelbar auch erheblich höhere Lasten zu Gunsten von Reich und Bundesstaat.
   Schließlich lehren uns die Geschicke aller Völker und Staaten aus aller Vergangenheit mit unverrückbar feststehenden, unwandelbaren Tatsachen und Begebenheiten und es bezeugen aus allen Zeiten uns Männer geschichtlicher Namen, daß der Ackerbau die Grundfeste bildet des Staates und die sicherste Gewähr für die Dauerhaftigkeit des Staatsgebäudes.
   Für unser Land treffen alle diese, nicht etwa neuen Gesichtspunkte umsomehr zu, als Bergbau fast garnicht und Industrie mit Einzelausnahmen nur in geringem Umfange und meist auf die Städte beschränkt, betrieben wird, Handel und Gewerbe im Lande dagegen durchweg nur örtliche Bedeutung haben, der große Schienenverkehr uns aber überhaupt entzogen ist.
   In Erkenntnis und Würdigung der hohen Bedeutung des einheimischen Ackerbaues, der mangels Wein-baues und mangels nennenswerten Garten- und Obst-baues zumeist auf Fruchtbau, Forstwirtschaft und Viehzucht sich beschränkt, setzt  daher schon frühzeitig
 

– 6 –

die Gesetzgebung zur Pflege und Förderung dieses so überaus bedeutsamen Berufs- und Erwerbszweiges ein. Und man darf wohl sagen, es hat kaum eine Zeit lippischer Geschichte gegeben, wo nicht der Ackerbau treibende Beruf, der Bauernstand, der besonderen Zuneigung und Fürsorge der Landes-herren sich zu erfreuen gehabt hätte.






























 
 

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– 7 –

Arbeit macht frei.


 
Kapitel II.
Grundbesitz und Hörigkeit.
§ 4.
Landesherr und Grundbesitz.
   Das lippische Höferecht hängt in seinen Grundlagen mit der Geschichte des Landes und des landes-herrlichen Hauses aufs engste zusammen.
   Die ersten Ahnen des Hauses Lippe treten als Grundbesitzer an den Quellen und an dem Oberlaufe des am Südabhange des Teutoburger Waldes entspringenden und schon von den Römern so benannten Flusses Lippe (lippia) in die Erscheinung. An den Ufern der Lippe, namentlich in der Gegend von Lippstadt lagen zum großen Teile die ältesten Stammbesitzungen des Geschlechtes und liegen als Reste jener Besitzungen noch heute das Lippische Amt Lipperode mit dem 1139 von dem Geschlechte gegründeten Stifte Kappel.*)
*) Anm. (Mit der Zeit, urkundlich seit dem Jahre 1123, nimmt das Geschlecht nach dem Flusse, an dessen Ufern und in dessen Zuflußgebiete seine Hauptbesitzungen lagen, den Namen: „zur Lippe“ an.
So kommt es, daß das Gesamthaus sich noch heute: „zur [zu der] Lippe“, also nach der Lippe, dem Flusse, und nicht nach dem Landesgebiet sich „zu“
 

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   Die übrigen Güter und Gerechtsamen lagen zusam-menhanglos und weit über das alte sächsische Her-zogtum Westfalen und die Grafschaft Mark zerstreut.
   Erst im Laufe der Jahrhundertwende findet eine Abrundung und Festigung des Besitzes statt, namentlich seitdem das inzwischen erstarkte Geschlecht, die Gefilde diesseits (nördlich) des Waldes als die glücklicheren

oder „von“ Lippe nennt. Unrichtig ist, wie hier bemerkt werden mag, die Bezeichnung Lippe-Detmold in Beziehung auf das Fürstentum, den Bundesstaat Lippe, im Gegensatz zum Fürstentum Schaumburg-Lippe. Diese Ausdrucksweise würde zutreffend sein, wenn es sich ähnlich wie bei den sächsischen und thüringischen Staaten um eine lippische Landesteilung handelte. Zwischen Lippe und Schaumburg-Lippe hat aber nie ein territorialer oder verfassungsmäßiger Zusammenhang bestanden. Lippe ist Stammland und untertäniges Gebiet des Hauses Lippe, während das Land Schaumburg bei dessen Erwerbe durch die Grafen zur Lippe-Alverdissen 1640 teils nach Hessen-Kassel, teils nach dem Stifte Minden zu Lehen ging. Mit der Erwerbung des Schaumburger Landes wurde der gemeinsame Familien- und Stammname „Lippe“ wie bei den sächsischen Staaten beibehalten, aber umgekehrt wie dort dem Landesnamen angefügt zum Unterschiede und im Gegensatze zu demjenigen Teile von Schaumburg (die Rintelner Gegend), der im Jahre 1647 infolge eines Vergleichs auf Grund lehnsherrlicher Ansprüche an Hessen-Kassel zurückfiel. Von Lippe-Detmold läßt sich nur in Beziehung auf die verschiedenen Linien des Hauses Lippe und zu deren Unterscheidung sprechen. Hier bildet der Geschlechtsname Lippe, dort Sachsen, bei Schaumburg-Lippe seiner Zeit der Landesname Schaumburg den Maßstab und das gemeinsame Mittel).

 

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erkennend und den Anschluß nach der Weser suchend, den Höhenzug des Teutoburger Waldes überschritten, dort die Feste und jetzige Ruine Falkenburg (1186) angelegt, die Grafschaften Brake und Schwalenberg erworben sowie die Burgen und Städte Lippstadt, Lemgo, Detmold, Horn und Blomberg gegründet und mit Privilegien ausgestattet hat. Nun erst, um die Mitte des 13. Jahrhunderts und nach dem weiteren Erwerbe des Schlosses Varen-holz und der Grafschaft Sternberg (1399) läßt sich von einem einheitlichen Lande und einer Herrschaft Lippe im Sinne des heutigen Gebietes sprechen.
   Die Edlen Herren zur Lippewerden in den alten Urkunden als Domini terrae, also als Herren des Landes, als Eigentümer des Grund und Bodens bezeichnet und das Land als Dominium lippiense oder lippense, also als Herrschaft Lippe. Die Gerechtig-keiten der lippischen Edelherren sind daher nicht auf die Verleihung eines kaiserlichen Grafenamtes oder auf lehnsrechtliche Verhältnisse zurückzuführen, sondern als Ausfluß ihrer grund-herrlichen Rechte des Besitzes und der Verwaltung, der Bewirtschaftung und Nutzung der ihnen zu Erbe und Eigen gehörenden Grundgüter anzusehen.
   Das Eigentum des landesherrlichen Hauses am Grund und Boden erstreckt sich mit der Zeit durch-weg über das ganze Landesgebiet des jetzigen Fürstentums. Neben dem landwirtschaftlichen Hause kommen als Eigentümer geringerer und vereinzelt liegender Teile jetzt lippischen Grund und Bodens erkenntlich nur die alten Klöster und Stiftungen namentlich Paderborn, (Abdinghof) und Korvey bei Höxter in Betracht. Bei ihnen haben sich aber, obwohl auch sie den Grund und Boden in ähnlicher Weise meierstättisch oder lehnsmäßig untergeben, landesherrliche Machtverhältnisse für unser Landes-gebiet dauernd
 

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nicht gebildet. Schließlich sind sie als ausländische Besitzer inländischer lippischer Grundgüter und Gerechtigkeiten infolge des Rheinbundes aller ihrer Rechte im hiesigen Lande verlustig gegangen.
   So läßt sich sagen, daß als Eigentümer des Grund und Boden im Lande im wesentlichen nur das landesherrliche Haus in Frage kommt, auf welches mit der Vernichtung der Macht der alten Stammes-herzöge (Heinrich der Löwe) und dem späteren Verfall der Macht der deutschen Könige und Kaiser selbst, auch deren Machtbefugnisse vielfach übergegangen sind. Vielfach ist aber der Grund und Boden auch mittels Kauf, Erbschaft, Schenkung und sonstiger Geschäfte des Lebens erworben.

§ 5.

Die Grundherrlichkeit.

   Als Eigentümer des bei weitem größten Teils des Grund und Bodens des Landes verwalten und nutzen die Landesherrn das Land unbeschränkt und nach freier Willkür. Soweit sie selbst nicht den Boden nutzen oder unter eigener Leitung oder Aufsicht bewirtschaften lassen, wird er im Laufe der Jahrhunderte den Landesbewohnern überlassen, mit zunehmender Bevölkerung und erweiterter Boden-kultur in ausgedehnterem Maße. Diese Überlassung findet rechtlich ihren Ausdruck in der Grund-herrlichkeit, die sich nach der Bodenverteilung als Städte-, Guts- und Lehnsherrlichkeit kennzeichnet.

a) Die Städteherrlichkeit.

   Im Besitze der Eigentumsrechte am Grund und Boden befinden sich die lippischen Edelherren bereits lange Zeit vor der Gründung der ersten lippischen



 
 

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Städte (Lippstadt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, Lemgo um die Wende des 12. Jahrhunderts, erneuertes Stadtprivileg 1245). Sowohl den Grund und Boden ihrer Bezirke als auch ihre Rechte und Vorrechte verdanken daher die Städte lediglich der freien Entschließung und Gnade der Edelherren zur Lippe, wie die alten, von den berufenen Vertretern der Städte vielfach selbst mit unterzeichneten und mit untersiegelten Urkunden bezeugen. Besondere Gegenleistungen der Städte erfolgten ursprünglich erkenntlich nicht. Nur haben die Städte bei einem Wechsel in der herrschenden Hand Huldigung zu leisten, d.h. Treue und Gehorsam zu geloben, wogegen ihnen dann der neue Landesherr jedes Mal alle städtischen Rechte und Vorrechte (Markt-, Zoll-, Verwaltungs- und Gerichtsfreiheit) zu bestätigen pflegt. Erst im Laufe der Jahrhunderte sind diese anfänglichen Gnadenerweise zu wirklichen, seitens des Landesherrn einseitig unwiderruflichen Rechten geworden, die in den Städteordnungen und in allgemeinen Landesgesetzen ihren Ausdruck und ihre Sicherung gefunden haben und nunmehr nur noch auf verfassungsmäßigem Wege abgeändert oder aufgehoben werden können.

b) Die Gutsherrlichkeit.

   Auf dem platten Lande ist der Grund und Boden gegen gewisse, bruchteilmäßige Leistungen (Natural- im Gegensatze zu den späteren Geldleistungen)* in landwirtschaftlichen Erzeugnissen des Ackers und des Stalles und gegen Leistung von Diensten bäuerlichen Besitzern
 

*) Anm. (Korn- oder Sackzehnt, Fleisch- oder Blutzehnt, also 1/10 oder 10 % des Ertrages, die sogenannten großen, und die kleinen Naturalabgaben wie Schweine, Schafe, Gänse, Hühner (Kleinvieh) sowie Brot, Eier, Speck, Würste, Butter, Wachs, Garn, Flachs, Wein). 

 

– 12 –

überlassen. Die Dienstleistungen bestehen seitens der Bespannten (Voll- und Halb- oder Zuspänner) in Spanndiensten, seitens der Unbespannten in Hand-diensten. Die größeren Besitzer auf Höfen werden Meier (große oder ganze, Mittel- und gemeine Vollmeier, Halbmeier und Viertelmeier), die kleineren auf Stätten, Kolone, früher Groß-, Mittel- und Kleinkötter, sowie Hoppenplöcker, d.i. Hopfen-pflücker, und Straßenkötter genannt.

Ihnen allen ist der Grund und Boden nebst Wohn- und Wirtschaftsräumen nur zum Besitz auf Zeit, zur Bewirtschaftung und Nutzung (meierstättisch) überlassen. Das Eigentum mit den aus ihm hervorgehenden Rechten (Veräußerung, Belastung, Vererbung) verbleibt dem Landesherrn. Die bäuerlichen Besitzer sind danach durchweg alle dem Grund und Boden, also dem Gute nach hörig oder eigen. Diese Art bäuerlichen Besitzes wird daher als gutshörig, gutseigen oder als meierstättisch und, seit mit ihm bereits Erbrechte der besitzenden Familie verbunden sind, als erbmeierstättisch bezeichnet. Für ihre Person, also dem Leibe nach können diese gutshörigen Besitzer frei sein. Solche leibfreie, meierstättische größere Besitzer werden auch wohl mit dem Sammelnamen Freimeier belegt.

c) Die Lehnsherrlichkeit.

   Zur Bewachung und Verteidigung der mit der Erweiterung des landesherrlichen Besitzes angelegten und zu unterhaltenden Burgen und festen Plätze im Lande (der Lippstädter, Falkenberger, Braker, Horner, und Blomberger Burg, des Detmolder, Varenholzer, Sternberger und Barntruper Schlosses) werden besonders tüchtige und waffengeübte Männer eingesetzt, die Ritter und Dienstmannen, der spätere und heutige landsässige Adel, in den alten Urkunden als ministeriales,

 

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   Dienstleute, bezeichnet. Zu ihrem Unterhalte und als Entgelt für ihre namentlich in Kriegen zu leistenden Dienste, die aber vielfach auch politischer, diploma-tischer und familiärer Art sind, werden sie gleichzeitig mit größeren Liegenschaften, also mit Burg und Gütern, auch wohl mit ganzen bäuerlichen Ort-schaften, also mit Land und Leuten belehnt. Auch ihnen steht lediglich Besitz auf Zeit, das Recht auf Bewirtschaftung und Nutzung zu. In Bezug auf Burg und Güter sind auch sie hörig, da das Eigentum mit den aus ihm hervorgehenden Rechten der Veräu-ßerung, Belastung und Vererbung auch hier dem Landesherrn verbleibt.

§ 6.

Der Guts- und Lehnsbesitz.

   Mochten die Besitzungen der Ritter und Bauern an Art, Größe, Ertrag und Wert auch noch so verschie-den sein, in Bezug auf den Herrn und Eigentümer des Gutes und in Bezug auf die Befugnisse über das unterhabende lehns- oder meierstättische Gut stehen Ritter und Bauern im wesentlichen sich gleich, soweit letztere nicht ausnahmsweise etwa den Rittern selbst oder sonstigen Dritten dem Leibe oder dem Gute nach eigen sind. Bauern und Ritter haben kein Eigen-tumsrecht an dem Gute, die gegenüber jedem Dritten, also auch etwa dem Landesherrn gegenüber hätten geltend gemacht werden können.

   Gegenüber dem Landesherrn haben alle nur das zeitweilige Recht auf Besitz und Nutzung des Gutes, nur gegenüber jedem Dritten auch das unbedingte Recht auf Besitz und Nutzung. Beide Arten von Besitzern können mangels Eigentums daher weder veräußern noch belasten noch auch in Bezug auf das Gut klagen oder verklagt werden. Keiner von beiden kann die ihm an

 

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dem Gute zustehenden Befugnisse ohne Zustimmung des Landesherrn auf einen Dritten übertragen. Alle diese Rechte stehen ursprünglich lediglich dem Landesherrn zu, der in Bezug auf die Ritterbesit-zungen als Lehnsherr, in Bezug auf die bäuerlichen Besitzungen auch als Gutsherr bezeichnet wird.

   Ritter wie  Bauern haben ursprünglich ebenso wenig ein Erbrecht am Gute. Beim Wechsel in der beliehe-nen Hand findet daher jedes mal eine neue Beleihung statt, an die Ritter gegen Leistung des Lehnseides und gegen Entrichtung der Lehnsgebühr unter Ausstellung eines Lehnsbriefes, an die Bauern gegen Übernahme der Gutsleistungen in Erzeugnissen und Diensten und gegen jedesmalige Entrichtung des Weinkaufes unter Ausstellung wohl eines Meierbriefes.*

   Beim Wechsel in der leihenden Hand findet dann regelmäßig eine Prüfung und Bestätigung dieser Briefe statt wie heute noch bei einem Regierungswechsel die Landesbeamten bestätigt zu werden pflegen.

§ 7.

Das Leibeigentum.

   Im engsten Zusammenhange mit den Grundbesitz-verhältnissen sieht das Leibeigentum, das sich nicht auf das Gut, sondern nur auf die Person des Leibei-genen bezieht, auch nicht in der Stadt oder unter den Rittern, sondern nur in bäuerlichen Kreisen vor-kommt.

 

*) Anm. (Meierbrief-Winnzettel, Weinkauf-Gewinngeld, Winkauf, abzuleiten, von winnen oder gewinnen, vgl. noch heute den Weinkauf beim Gesindenmieten als Zeichen, daß der Mietvertrag als abgeschlossen gilt; der Weinkauf ist das sicherste Zeichen des Gutseigentums wie der Sterbefall das des Leibeigentums).
 

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   Gegenüber dem Leibeigentum anderer deutscher Staaten erscheint das lippische Leibeigentum in milderer Form. Es besteht in der Hauptsache in der Verpflichtung zur Entrichtung einer besonderen Abgabe, des Sterbefalls. Der Sterbefall kann nach dem Gegenstande der Leistung oder der Höhe des Betrages ganz verschieden sein. Er ist mit dem Tode des Libeigenen aus dessen Nachlasse zu entrichten. Im 18. Jahrhundert betrug der Sterbefall gewöhnlich bei dem Ableben des einen Ehegatten 10% oder 1/10 im ganzen also 15% des Nachlasses. Bei der Berechnung des Nachlasses kommt nicht der Wert des regelmäßig gutsherrlichen Hofes in Betracht, sondern nur das dem Leibeigentum unterstehende, während Lebzeiten der Meierleute erworbene Vermögen (Errungenschaft) an beweglichen und unbeweglichen Gegenständen, namentlich an Bar-schaften und Forderungen. Für die Hinterbliebenen des Leibeigenen bildet der Sterbefall ohne Rücksicht auf die Nähe der Verwandtschaft also eine Art Erbschaftssteuer. Bei dem ursprünglich beschränkten Erbrechte fällt mangels vorhandener gradliniger Verwandter oder solcher bis zum zweiten Grade der Seitenlinie das ganze Vermögen wieder dem Leib- und Gutsherrn zu, der es dann aus freier Entschließung (ex nova gratia) anderweit zur Bemeierung zu vergeben pflegt.

   Eine weitere Folge des Leibeigentums ist der Mangel der Freizügigkeit, da der Leibeigene, als Ackerbauer an die Scholle gefesselt (glebae adscriptus), nur mit Zustimmung des Leibherrn seinen Wohnsitz ändern darf. Diese Zustimmung wird namentlich zu Heiratszwecken von Töchtern oder auch von Söhnen des Leibeigenen nicht verweigert. Im Falle der Erteilung der Zustimmung erfolgt gegen Entrichtung einer einmaligen Abgabe (Freischilling) eine förmliche Frei-

 

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lassung unter Erteilung eines Frei- oder Laßbriefes. Im übrigen gilt auch im lippischen bäuerlichen Rechte der Grundsatz: Das Kind folgt der ärgeren Hand, d.h. Kinder eines Leibeigenen mit einerLeibfreien oder umgekehrt, werden ohne weiteres wieder leibeigen. Es gilt auch der weitere Grundsatz, daß, wer einen Leibeigenen oder eine Leibeigene heiratet, mit der Verheiratung selbst unfrei wird (trittst du mein Huhn, so wirst du mein Hahn). Also auch für seine Person wird er den Lasten des Leibeigentums unterworfen, wie er von da ab ja auch der Auskünfte des Hofes und sonstiger Vorteile teilhaftig ist. Von beiden Grundsätzen finden sich aber namentlich mit Rücksicht auf den schon frühzeitig eingeführten Freikauf und die Freilassung aus dem Leibeigentums-verbande zahlreiche Ausnahmen.*

§ 8.

Grundbesitz und Leibeigentum.

   Wenngleich das Leibeigentum als ein festes Rechtsverhältnis sich darstellt, so wurde dessen Härte um deswillen weniger empfunden, weil es sich regelmäßig in Verbindung mit dem Gutseigentum vorfindet und auch der lediglich Gutseigene sich z.B. eine Aenderung in



 

*) Anm. (Ueber das Guts- und Leibeigentum vergl. Führer, Meierrechtliche Verfassung in der Grafschaft Lippe; Lemgo 1804; Meyer, Kolonatsrecht im Fürstentum Lippe, Lemgo und Detmold 1855, Werke, von denen ersteres durch die schärfere Scheidung zwischen Leib- und Gutseigentum hervortritt, wie solche auch in dem Gesetze über die Aufhebung des Leib- und Gutseigentums vom 27. Dezember 1808 (5, 242) und aus dem Umstande erkennbar ist, daß Gutsherr und Leibherr vielfach verschiedene Personen sind.)

 

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der Familie des Gutsherrn bei vorkommender Veräußerung, Verpfändung oder sonstiger Entäußerung des Gutes ohne weiteres gefallen lassen musste und um somehr auch konnte, als damit eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage noch nicht einzutreten brauchte, jedenfalls über den Rahmen seiner verbrieften Rechte hinaus nicht eintreten konnte. Zudem befand sich ja auch der Ritter und Adelige mangels Erb- und Eigenrechten an Burg und Gütern in der gleichen Lage. Auch er musste, wollte er anders seine wirtschaftliche Stellung nicht aufgeben, den neuen Lehnsherrn sich gefallen lassen, wenn Burg und Güter veräußert oder verpfändet wurden.

   Immer bleibt aber auseinander zu halten, daß die Lehns- und Gutsherrlichkeit und deren Kehrseite, die Lehspflicht und Gutshörigkeit, vornehmlich auf einer dinglichen Grundlage, dem Liegenschafts- oder Gutsverbande sich aufbaut, während das Leibeigen-tum, wenngleich es regelmäßig nur mit dem Gutseigentum vorkommt, rein persönlicher Art mit besonderen Rechten und Pflichten ist. In der Abhängigkeit der Bauern vom Grund und Boden und gegenüber den Rechten des Guts- und Leibherrn, ein Verhältnis, das in Bezug auf den bäuerlichen Besitzer auch unter der Bezeichnung Eigenbehörigkeit zusammengefaßt wird, kann auch eine bäuerliche Ehe nur mit obrigkeitlicher und gutsherrlicher Geneh-migung geschlossen werden. (Polizei-Ord. von 1620, Titel VII §2 und B.-O. wegen der Eheverschrei-bungen der Bauersleute von 1702; 1,363 und 721).

§ 9.

Wandlungen in der leihenden Hand.

   Im Laufe der Jahrhunderte treten zunächst in der leihenden Hand mannigfache Änderungen ein, die auf
 

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die Grundbesitzverhältnisse auf die Dauer nicht ohne Einfluß bleiben.
   Die mit Bauern und auch mit Adeligen besetzten Güter, ja, wie die anfängliche Verpfändung und schließlich völlige Abtretung der Stadt Lippstadt zeigt,* selbst die Städte sind Gegenstand freier, willkürlicher Verfügung des Landesherrn. Bäuerliche Besitzungen werden einzeln oder in ganzen Ortschaften, namentlich der ganze meierstättische Besitz, oft auch nur in einzelnen Beziehungen (z.B. nur der Kornzehnt oder nur die Dienste oder einzelne derselben) den Stiftungen (Kappel [1139] unweit Lippstadt, Marienfeld [1181] unweit Gütersloh, Lippstadt, Lemgo usw.) zur Ausstattung oder dem Adel für geleistete Dienste überwiesen.
   Auch der Adel ist dem Wechsel in der leihenden Hand unterworfen, ohne Weiters bei einer Thronfolge. Aber auch sonst werden bäuerliche wie adelige Besitzungen in ganzen Ämtern z. B. den Erbherrn zu Besitz und Nutzung als paragium übertragen, ja die
 


 
*)Anm. (Lippstadt war 1376 [nicht 1366] für 8000 Mk. Silber an die Grafen von der Mark verpfändet und 1445 an Stelle dieser Pfandschaft die halbe Stadt an das mit der Grafschaft Mark verbundene Kleve abgetreten; vgl. Falkmann, Simon VI und seine Zeit; 2. Periode Seite 111; mit Kleve, Mark und Ravensberg an Preußen gekommen, wurde 1851 zu der ersten Hälfte unter Vorbehalt der Lippstädter Domanial-gefälle an Grundrenten u.s.w., der Stiftsgerechtsamen und gegen eine Jahresrente von 9120 Talern auch die zweite Hälfte und zwar –offenbar allerdings gegen die Unteilbar-keitsakte von 1368 verstoßend – ohne Mitwirkung der Landstände an Preußen übertragen; vgl. Staatsvertrag vom 24./3., 1./4. 1851; 10, 447).
 

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ganze Grafschaft Sternberg wird mit Land und Leuten verpfändet. (Vgl. Falkmann a. a.. O. S. 111). Die mit Leib- und Gutseigenen besetzten Güter befinden sich bald auch in den Händen des städtischen Bürgertums, namentlich von Lemgo, (vgl. die Groten, die Kottmanns, die Kleinsorgen, die Flörken, die Bismarks u.a.m.) Denn selbst unter den Lehnsleuten tritt mit der Zeit das städtische Bürgertum auf.*

   Meierstättische Verhältnisse zum Teil selbst mit vererblichen Rechten bilden sich auch sonst bei größerem Privatgrundbesitze (vgl. die Erbkötter auf Menkhausen und Wistinghausen, die Erbkötter und Erbpächter des Meiers zu Stapelage; Örlinghauser Saalbuch um 1680 und 1780).
Schließlich befindet sich umfangreicher Lehns- und Meierstättischer Besitz in ausländischer Hand.**

   Mit  der  Zeit  sind  danach  Lehns-  wie  Meier-

 

*) Anm. (So finden sich in dem Mannes- und Lehnsbuche des Archivrats Knoch von 1763 allein 79 bürgerliche Lehnsleute aufgezählt, deren Geschlecht bereits ausgestor-ben ist; vgl. Meyer, Kolonatsarecht Bd. 1 S. 96.)
**) Anm. (Darauf beziehen sich die Verordnungen der Fürstin Pauline vom 3./1. 1809 und 13./8. 1811 (5,246 bezw. 6,61), wonach sie die infolge der Rheinbundakte von ausländischen Lehnsherrn freigewordenen inländischen Lehnsgüter sowie die bis dahin an auswärtige Ritter, Kapitel, Abteyen, Private und an sonstige, nicht ausschließlich dem öffentlichen Unterrichte dienende Stiftungen zu entrichtende, vornehmlich bäuerlichen Gefälle für sich und das Land in Anspruch nimmt. So werden seitdem die bis dahin nach auswärts gehenden Leistungen und Gefälle unter Nichtachtung der Ansprüche der bis dahin Berechtigten an die Landesherrschaft und zu geistlichen Zwecken an das Konsistorium entrichtet).
 

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stättische Besitzungen und Leistungen (Gefälle) ohne Rücksicht auf die auf den Gütern sitzenden Leib- und Gutseigenen oder auf die adeligen und bürgerlichen Lehnsleute mehr oder minder Gegenstände des freien Güteraustausches und Verkehrs geworden und so auch vielfach aus der ursprünglich leihenden Hand der Landesherrschaft gekommen. Immerhin befinden sich seit der Überweisung aus der Zeit des Rheinbundes sämtliche Landeslehen wider im Besitze der Landesherrschaft, können jedoch heute gegen Ablösung der Lehnslasten (im Rahmen des Gesetzes vom 18.5.1847 nebst Zusatz vom 17.7.1868; 10,58 und 15,83, und Abänderung vom 27.4.1885; 19,289) in freies Eigentum verwandelt werden. Von den Meierstättischen Besitzern sind noch im 15. Jahrhundert etwa 2/3 bis 4/5 der Landesherrschaft leib- und gutseigen und im Jahre 1808 ausschließlich der Ämter Blomberg und Lipperode (vergl. Meyer, Kolonatsrecht, Bd. 1 S.129) von 5709 noch 4174, während von dem Reste der weitaus größte Teil im Leib- und Gutseigentum der Kirchen, der Stiftungen, des Adels oder auch des städtischen Bürgertumes steht.*
 
*) Anm. (Das Leibeigentum ist jedenfalls so allgemein vorherrschend, daß derjenige, der es gegen sich nicht gelten lassen will, seine Freiheit zu beweisen hat [Rechtsvermutung für, nicht gegen das Leibeigentum); obwohl daher z.B. über einen der drei Lückhauser Höfe im Saalbuche der Vogtei Heiden von 1617 S. 68 eingetragen stand : „Engelke T. ist frey; wo aber dieselbe Freiheit sich eigentlich herrühret, weiß er keinen andern Bericht zu geben, denn daß alle vorigen Besitzer seien freye Leute gewesen,“ wurde um 1780 seitens des Gutsherrn doch, wenn auch ohne den gewünschten Erfolg, Klage auf Anerkennung des Sterbefalls und des Leibeigentums angestrengt.)
 

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   Während Leib- und Gutseigentum die Regel bildet, ist frühzeitig auch schon der Freikauf gestattet, sodaß bereits im 17. Jahrhundert weit verbreitet ein freier lippischer Bauernstand sich findet. (vgl. auch Meyer, Kolonatsrecht, Bd. 1 S. 195) Als Zeichen ehemaligen, aber freigekauften Leibeigentums wird seitens der bäuerlichen Besitzer der Freiheitsurkund entrichtet.

§ 10.

Wandlungen in der beliehenen Hand.

   Auf Seiten der Leib- und Gutseigenen (der beliehenen Hand) tritt im Laufe der Jahrhunderte eine dreifache Wandlung ein. Einmal wird gleich den Lehen der leib- oder gutseigene Besitz vererblich, zunächst nur in gerader Linie und unter Geschwistern.*

   Mit der allmählich sich einbürgernden allgemeinen Vererblichkeit der Besitzungen, mit der Zunahme des Geldes als allgemeinen Wertmessers verwandeln sich mit der Zeit auch die auf dem Leib- und Gutseigentum beruhenden starren Lasten und Leistungen in Geldabgaben oder dürfen wenigstens an Stelle der Naturalleistungen in Gelde entrichtet werden. Schließlich werden mit der Ersetzung der Naturalwirtschaft durch die

 

*) Anm. (Vgl. Landtagsschluß von 1669 bei Führer S. 51. Über das Wahlrecht des Gutsherrn bei der Besetzung und über das Abmeierungsrecht – Ent- und Besetzungsrecht der Güter – vgl. Meyer, Kolonatsrecht Bd. 1 Seite 186 f, Seite 119 und 293; zum besseren Schutze der Meierstättischen Besitzer waren Abmeierungssachen nicht an dem von den Ständen der Städte und Ritterschaft selbst mitbesetzten Hofgerichte, sondern ausschließlich an der, von dem Landesherrn allein besetzten Justizkanzlei zu verhandeln und zu entscheiden; vgl. Distraktionsordnung vom 14. 7. 1597; 1,305).  

 

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Geldwirtschaft sämtliche Lasten und Leistungen – jährlich wiederkehrende regelmäßig mit dem 25 fachen Geldbetrage – auch ablösbar.

   Diese ganze, Jahrhundert lange Entwickelung hat ihren Abschluß gefunden einmal in der völligen Aufhebung des Leib- und Gutseigentums gegen Entrichtung jährlicher Abgaben in Geld (z. B. Sterbfallsgeld) im Jahre 1808* und weiter in der Ablösbarkeit aller auf dem Leibeigentums- oder Gutsverbande beruhenden Leistungen der Leib- und Gutseigenen durch die Ablösungsgesetzgebung des vorigen Jahrhunderts.

   Damit ist der Grund zur völligen Konsolidierung des Besitzes in der Hand des bis dahin Leib- und Gutseigenen und zum heutigen bäuerlichen, freien Grund-Eigentum gelegt.
   Nach mehrhundertjähriger, unentwegter Arbeit und Anstrengung der Vorfahren ist der bäuerliche Besitz heute vielfach völlig frei von den alten leib- und gutsherrlichen Lasten und nur der allgemeinen Landes- und Gemeindebesteuerung unterworfen. Ehemaliges Leib- und Gutseigentum sind heute zu Freiheiten des Bauernstandes geworden. Vielfach zeigt sich bei dem Bauernstande heute aber ein anderer Leib- und Gutsherr in Gestalt der Hypotheken,- Grundschulden- und Rentengläubiger und in der auf diesen neuen Verbande beruhenden Zinspflicht, die auch in unseren Tagen wohl noch zur Abmeierung und Entsetzung im Wege des Konkurses, der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung führt.

*) Anm. (vgl. V. O. vom 27.12.1808; 5,242, eingeführt im Amte Schwalenberg und Lipperode durch V. O. vom 6.8.1811; 6,60, in dem früher erbherrlichen Amte Blomberg durch Patent vom 12.3.1839; 8,436, nachdem hier bereits durch erbherrrliche V. O. vom 10.2.1810 die Abgaben für Freibriefe oder Sterbefälle und für Weinkäufe aufgehoben waren).

 

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Nur Bettler wissen ihres
Guts Betrag.                     





 

Kapitel III.

Grundbuchung und Grundkredit.

§ 11.

Die Besteuerung.

   Die Macht und Größe eines Staates bestimmt sich nach dem heutigen Völkerleben zivilisierter Nationen im wesentlichen nach dem Umfange und Zustande von Heer und Marine, seiner Wehrkraft. Bilden Heer und Flotte mehr den Maßstab für die Außenmacht eines Staates, so beruht dessen Innenmacht in der Hauptsache auf der Verfüglichkeit der zur Bestreitung seiner Ausgaben erforderlichen Geldmittel.
   Während das Deutsche Reich zur Deckung seiner Ausgaben im wesentlichen der Zölle und Verbrauchsabgaben, (der Abgaben vom Verbrauche auf Bier, Branntwein, Tabak, Salz und Zucker), also bis auf die Besteuerung von Erbschaften der indirekten Steuern sich bedient, beruht die Vereinnahmung der zu Landeszwecken erforderlichen Geldmittel neben den Gebühren der Behörden und sonstigen geringeren Einnahmen auf der unmittelbaren Besteuerung des einzelnen Bewohners mittels Erhebung einer Steuer vom Grund und Boden, von den Gebäuden, von dem Gewerbe und von dem Einkommen. Die letzten drei Steuerarten sind in Einführung und Ausbau erst Erscheinungen jüngerer
 

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Zeit. Die Besteuerung des Grund und Bodens geht dagegen auf Jahrhunderte zurück. Sie beschränkt sich anfänglich auf den bäuerlichen Besitz (1783). Erst 1843 wird sie auf den ritterschaftlichen, 1854 auf den städtischen und 1868 auf den Landesherrlichen Besitz an Grund und Boden ausgedehnt.*

§ 12.

Die Katastrierung.

   Die Besteuerung des Grundbesitzes erfolgt in ältester Zeit nach den sogenannten Steuerrollen und Heberegistern die indes mangels fortlaufender Ergänzung oder zeitweiliger Erneuerung Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit nicht erheben können. Mit der Zeit kommt die Einrichtung von Lager- oder Saalbüchern auf, denen eine Katastrierung der steuerflichtigen Grundflächen des Landes vorausgeht und zu Grunde liegt. Die älteste Katastrierung geht auf Grund noch ungeschriebenen Rechtes bis in die Zeit vor 1617 zurück. Aus diesem Jahre stammt das älteste lippische Saalbuch der Vogtei Heiden, aufbewahrt im Landesarchiv in Detmold. Die erste gesetzlich festgelegte Regelung des Saalbuchwesens erfolgt im Jahre 1720.
   Die Katastrierung des Grund und Bodens bedeutet die auf Grund örtlicher Maßnahmen erfolgende amtliche Aufnahme eines Verzeichnisses der Liegenschaften des Landes nach Orts-Gelegenheit, Art, Größe, Güte und Ertrag der Grundstücke sowie nach Namen

*) Anm. (Grundsteuerfrei sind heute nur noch die Grundstücke des Staates, der Kirchen, Pfarren, Schulen und Frommen-Stiftungen sowie die zum öffentlichen Dienste oder Allgemeingebrauche bestimmten Liegenschaften z. B. der Eisenbahnen).

 

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und Steuersatz der Besitzer. Die örtlichen Maßnahmen bestehen in der Vermessung und Abschätzung der Liegenschaften sowie in der Aufzeichnung des Ergebnisses beider. Die Vermessung, also die Feststellung der Liegenschaften nach Grenzen und Größe erfolgt durch beeidigte Landmesser. Die Abschätzung, also die Feststellung der Liegenschaften nach Art, Güte und Ertrag erfolgt ursprünglich durch 3 beeidigte landwirtschaftliche Sachverständige (Achtsleute), von denen den einen das Land, den zweiten das Amt und den dritten die Bauerschaft stellt. Vermessung und Abschätzung erfolgen zwecks Auskunfterteilung und zwecks Wahrnehmung ihrer Interessen unter Zuziehung der beteiligten Besitzer. Das Ergebnis der Vermessung und Abschätzung wird in sogenannte Ästinationsbücher eingetragen. Sie bilden dann die Unterlagen zur Ausstellung der Landeskataster.

 

§ 13.

Die Saalbücher.

   Die auf Grund der Kataster bezirksweise angelegten Lager- oder Saalbücher bilden die Vorläufer des heutigen Grundbuches. Mit ihren amtlich ermittelten Feststellungen dienen sie zwar zunächst und in der Hauptsache dem öffentlichen, staatlichen Zwecke der Besteuerung des Grund und Bodens. Daneben sollen aber die Eintragungen in den Saalbüchern auch die Privatrechtsverhältnisse des einzelnen Besitzers zwecks Vermeidung von Irrungen und Rechtsstreitigkeiten einwandfrei feststellen. Zunächst wird daher der etwa einer Gemeinde selbst gehörige Besitz an Liegenschaften (z. B. ungeteilten Gemeinheiten) und Gerechtsamen (z. B. Mitbesitz- und Mithuderechten) verzeichnet. Es ist dann unter fortlaufenden Nummern nach

 

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absteigenden Erträgen der Besitz jedes einzelnen Gemeindeeingessenen an Liegenschaften, Freiheiten und Gerechtigkeiten in seinen Einzelheiten im Saalbuche aufgeführt, namentlich was jemand an Haus, Hof, Kotten, Mühlen, Gärten, Ländereien, Kämpen, Wiesen, Schäfereien, Pottereien (Pottereirecht), Holz und Mastung sowie an Jagd, Fischerei, Teichen, Begräbnissen, Kirchenstühlen und sonst wie an Liegenschaften besitzt.
   Neben dieser Aufzählung der einzelnen Gegenstände des Besitzes (des Aktivvermögens im Gegensatz zum Passivvermögen, den Schulden) wird auch die Eigenschaft des Gutes und das Verhältnis des Besitzers zum Gute angegeben. Namentlich wird vermerkt, in welchem persönlichen Verhältnisse der Besitzer sich befindet, ob er leibfrei oder leibeigen, gutshörig ist oder nicht oder ob diese Eigenschaften bereits abgelöst sind und dafür nur noch als Anerkennung ehemaliger Leibeigenschaft oder Gutshörigkeit besondere Gebühren entrichtet werden wie z. B. der Freiheitsurkund. Hierneben zählt das Saalbuch zur Veranschaulichung der Leistungs-fähigkeit eines Hofes auch das auf, was der einzelne Hof zu Gunsten der Landesherren, der Gutsherren, der Leibherren oder sonstiger Dritter an Lasten trägt als Pachtgelder, Zinsgelder, Zehnten, Mahlvieh (Kühe, Schweine, Schafe) Hudegeld, Weinkauf, Sterbfall und an sonstigen Leistungen zu Gunsten Dritter.

§ 14.

Die Katasterverwaltung.

Die Handhabung dieser Grundsätze von 1720 unterstand der Aufsicht und Anleitung besonders ernannter landesherrlicher Kommissare, eine Einrichtung, die 1768 unter Graf Simon August durch die Bil-
 

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dung der von da ab ständigen Katasterkommission beseitigt wurde. An Stelle der Landeskataster-kommission trat 1883 als selbständige Behörde die Katasterinspektion.

   Zur Erleichterung der Verwaltung und übersichtlicheren Gestaltung des Katasterwesens wurde 1766 die allgemeine Nummerierung der steuerpflichtigen Besitzungen auf dem platten Lande eingeführt, für den bäuerlichen Besitz in der Weise, daß die Höfe  jeder einzelnen Bauerschaft nach Größe, Ertrag und hergebrachter Bezeichnung als Amtsmeier, Freimeier, Vollmeier, Halbmeier, Groß-, Mittel-, Klein- und Straßenkötter fortlaufende Wohnhausnummern und damit gleichzeitig, da für jeden Hof nur ein Hauptwohnhaus in Betracht kam, auch die Höfe Nummern erhielten, soweit dies nicht schon auf Grund früherer Katastrationen der Fall war. Die Nummern waren an den Wohnhäusern sichtbar anzubringen und in den Saalbüchern nachzutragen.

§ 15.

Die Durchführung der Katastration.

   Trotz der ausführlichen Verordnung von 1720 war die Katastration des Landes, wenn auch wohl in Angriff genommen, so doch nicht zu Ende geführt. Auf Grund der Landtagsbeschlüsse von 1748 und 1750 wurde daher die Katastration der steuerpflichtigen Liegenschaften des Landes 1752 von neuem begonnen. Nach einer unfreiwilligen Pause infolge des siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) wurde die Katastration schließlich völlig durchgeführt, bis mit der Einführung einer allgemeinen bäuerlichen Grundsteuer (Kontribution) 1783 eine völlig neue Katastration begonnen und nach dem Grundsatze, daß der wahre Ertrag der Güter der richtige Maßstab einer gerechten

 

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Steuerverteilung sei, zu Ende gebracht wurde. Erst etwa 100 Jahre später erfolgte dann die noch heute gültige Grundsteuerveranlagung von 1877.
 

§ 16.

Das Hypothekenbuchwesen.

   Die Grundsteuerveranlagung von 1877 dient unter Ausschaltung der Privatrechtsverhältnisse lediglich nur noch den allgemeinen Besteuerungszwecken des Landes und der Gemeinden.
   Die privaten Rechtsverhältnisse der Besitzer in Bezug auf die Belastung ihrer Güter wurden zum Schutze von Treu und Glauben sowie zur Sicherung und Hebung von Handel und Wandel mittels besserer Ausgestaltung des Kreditwesens in einem besonderen Verfahren geregelt. Diese Neuregelung bezog sich in der Hauptsache auf die Hingabe privater Darlehen gegen Verpfändung von Grundstücken, also auf die Sicherstellung des Gläubigers mit unbeweglichen Gütern, ein Zweck, dem die alten Kataster und Saalbücher wegen ihres mehr staatlichen Charakters zu dienen nicht hinreichend geeignet erschienen. Jedenfalls war eine Eintragung von Hypotheken in die Saalbücher nicht üblich geworden.
   Statt dessen pflegte man die Hypotheken vor Notar und Zeugen, auch wohl vor 3 oder mehr Zeugen zu bestellen und dabei entweder den ganzen Grundbesitz als Generalhypothek oder auch ein einzelnes Grundstück oder einen besonderen Grundstücksteil als Spezialhypothek, regelmäßig oder beides neben einander zum Pfande zu setzen. Zu größerer Sicherheit ließ man solche Pfandverschreibungen auch wohl an den Ämtern oder den beiden Obergerichten bestätigen. Mangels Offenkundigkeit solcher Rechtsakte und mangels dauernder Festlegung ihres Inhaltes an einer Stelle, die
 

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jedem Interessierten zwecks Kenntnisnahme zugänglich gewesen wäre, war der Verschleierung und sonstigen Unlauterkeit Tür und Tor geöffnet.

§ 17.

Fortsetzung.

   Wer daher ganz sicher gehen wollte, ließ bis zum Jahre 1771, da alle Hypothekbestellungen (Pfandverschreibungen) mit Rücksicht auf die Art der Güter der landes- oder gutsherrlichen Zustimmung (Konfirmation) bedurften, in die nur bei den Landes-Obergerichten (Regierungs- später Justizkanzlei und Hofgericht) geführten Konfirmationsbücher eintragen, um allein auf diesem Wege dingliche Wirkung und deren gerichtliche Anerkennung für eine Forderung zu erzielen. Erst mit dem Jahre 1771 wird das jetzt mit der Grundbuchordnung vereinigte Hypothekenwesen in der Weise geregelt, daß für jede Stadt und für das platte Land bei jedem Amte besondere Hypothekenbücher eingeführt werden. Für die schriftsässigen, d.h. nur den Obergerichten unterstehenden Güter, führen die Justizkanzlei und das Hofgericht die Hypothekenbücher, die 1868 zu einem Hypothekenbuche vereinigt werden.

   Die Hypothekenbücher dienen ausschließlich dem Privatverkehre und der Regelung des Grundkreditwesens. Deshalb werden nicht allein Hypotheken in ihren verschiedenen Arten (General-, Spezial- und gesetzliche Hypotheken) eingetragen, sondern auch alle Arten sonstiger dinglicher Belastung wie Vorbehalte zu Gunsten des Verkäufers, Festsetzung von Leibzuchten, Renten, Einkünften und von sonstigen, vertraglich übernommenen Leistungen an Dritte, endlich auch Erbfolge, Erbgelder der abgesteuerten und Schichtteile der erstehelichen Kinder. Nicht eingetragen werden dagegen die Steuern, die guts- und leibherrlichen Gefälle, die Nachbarlasten, die Schulen- und Kirchenge-

 

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bührnisse, da diese Lasten und Rechte aus dem staatlichen Kataster ersichtlich sind.*

§ 18.

Pfandverschreibung bei unvererblichen Höfen.

   Bei der Durchführung der Pfandverschreibung (Hypothekenbestellung) werden die einzelnen Arten der Höfe unterschiedlich behandelt. Bei unvererblichen Höfen gutsherrlicher (meierstättischer) und eigenbehöriger, also Guts- und zugleich leibeigener Art, kann eine Pfandverschreibung nur mit Bewilligung des Landes- und Gutsherrn, die im Falle gerechter Not nicht verweigert wird, erfolgen. Eine Teilung solcher Höfe kann auch zum Zwecke der Befriedigung des Pfandgläubigers nicht eintreten. Im Falle der Unbeitreiblichkeit eingetragener Schulden wird der Hof bis zur Tilgung der Schuld dem Gläubiger voll oder zum Teil, unbeschadet der landes-, guts- und leibherrlichen Rechte und Gefälle sowie unbeschadet der allgemeinen Landeslasten, zur Fruchtziehung und Nutzung bis zur Tilgung von Kapital und Zinsen überlassen (antichretisch untergeben). Nötigenfalls findet auch eine Abmeierung des Schuldners, also eine völlige dauernde Entsetzung desselben und seiner Familie statt.
 

§ 19.

Pfandverschreibung bei vererblichen Höfen.

   Bei den vererblichen meierstättischen Gütern (erbmeierstättischen, Erbzins- und Erbpachtgütern), die also nicht nur etwaigen Nachbarlasten und den allgemeinen
*) Anm. (Aus dieser Art der aufgezählten Einzelfälle erhellt unzweideutig die bereits derzeitige scharfe Scheidung zwischen privaten Sonderlasten und öffentlichrechtlichen, allgemeinen Lasten).
 

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Staatslasten, sondern völlig den allgemeinen bäuerlichen Lasten der Guts- und Leibherrlichkeit an Zehnten, Diensten, Weinkauf, Sterbfall und dergl. Lasten unterworfen sind, sowie bei frei veräußerlichen und vererblichen (erbeigenen) Gütern, die also außer etwaigen Nachbarlasten und außer den Staatslasten nur leichteren Privatlasten unterworfen sind, findet auch eine freie Verpfändung statt, zu der nur die Bewilligung des Amtes erforderlich ist. Die Pfandverschreibung erfolgt hier regelmäßig nur gegen Verpfändung einzelner, für den Hof und dessen Bewirtschaftung wohl entbehrlicher Grundstücke. Jedoch dürfen Grundstücke nur in solchem Umfange verpfändet und einer etwaigen späteren Abtrennung ausgesetzt werden, daß die Pferdehaltung des Besitzers zur Leistung der Spanndienste nicht beeinträchtigt wird. Im Falle der Unbeitreiblichkeit der Schuld wird hier dann das einzel verpfändete Grundstück dem Gläubiger zur Fruchtziehung und Nutzung herausgegeben (antichretisch verpfändet) bis zur etwaigen Tilgung der Schuld, nötigenfalls aber schließlich auch hier das verpfändete Grundstück für immer völlig vom Hofe getrennt und eigentümlich übertragen.
 

§ 20.

Die Lastenverteilung.

   Eine derartige Abtrennung und Übertragung des verpfändeten Grundstückes ist erst dann statthaft, wenn vorher eine anteilige Verteilung der Staats- und sonstigen Lasten des Hofes zwischen dem abzutrennenden Teile und dem verbleibenden (Lastenverteilung, Lastenrepartion) vorgenommen ist. Für unteilbare Lasten als Weinkauf, Dienste ist ein jährliches Hülfsgeld zur Mitbestreitung dieser Lasten von den abgetrennten Grundstücken an den Hof zu entrichten. Bei Unbei-

 

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treiblichkeit größerer Lasten werden die Höfe auch wohl ausgetan (Elocation) d.h. ein größerer Teil der Grundstücke wird im Einzelnen auf Zeit verpachtet. Dem Hofbesitzer verbleibt zu eigenem Unterhalte nur Wohnung und ein geringerer Teil der Grundstücke, während von den übrigen Grundstücken die Pacht zur Tilgung der Schulden verwendet wird. Diese Art der Untergebung stellt also eine teilweise, heutige Zwangsverwaltung dar.

§ 21.

Die heutige Grundbuchung.

   Eine ausführliche Neuordnung der Buchung des lippischen Grundbesitzes erfolgt durch die Grundbuchgesetzgebung von 1882, die im wesentlichen bereits diejenigen Grundsätze zur Anwendung bringt, welche die Grundlage der Reichsgrundbuchgesetzgebung von 1897 bilden.
   Nach dem jetzt geltenden Reichsgrundbuchrechte von 1897 bilden nach Aufhebung jeglichen Sondergerichtsstandes die Amtsgerichte die zuständigen Grundbuchämter für sämtliche Grundstücke des Gerichtsbezirkes. In Zweifelsfällen bestimmt das Landgericht das Grundbuchamt. Für ein Grundstück, das einem in einem anderen Bezirke gelegenen Grundstücke als Bestandteil zugeschrieben werden soll, ist das Grundbuchamt des Hauptgrundstückes zuständig.
Jeder Hof, auch die Erbpacht und nötigenfalls selbst das Erbbaurecht erhält ein besonderes Grundbuchblatt. Die Verpfändung eines einzelnen Hofgrundstückes (Spezial- oder Sonderverpfändung) ist heute außer bei einer Dienstbarkeit oder Reallast nur noch zulässig, wenn dies einzelne Grundstück von dem Hofgrundbuchblatt auf ein besonderes Grund-buchblatt umgeschrieben wird. Das Grundbuchblatt bildet für den einzelnen Besitz das Grundbuch.
 

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   Das Grundbuchblatt besteht aus dem Titelblatte und drei Ableitungen; das Titelblatt bezeichnet den Besitz, die Nummer der Grundsteuermutterrolle sowie den jeweiligen Bestand des Besitztums an Größe (Flächeninhalt) sowie an Ertrag der Grundstücke (Grundsteuerreinertrag) und an Nutzwert der Gebäude (Mietwert) durch Nachtragung (Zuschreibung und Abschreibung) der etwaigen Ab- und Zugänge. Die erste Abteilung bezeichnet den Eigentümer, Zeit und Grund des Erwerbes sowie auf Antrag auch den Wert des Besitztumes. In die zweite Abteilung werden die Belastungen dauernder Art (wie Leibzucht, Grunddienstbarkeit, Wohnrecht, Nießbrauch, Erbbaurecht, Vorkaufs-, Wiederkaufs-recht) und Verfügungsbeschränkungen (wie Unveräußerlichkeit, Unteilbarkeit, Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung), in die dritte Abteilung die Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden in ihrem jeweiligen Bestande eingetragen.

§ 22.

Fortsetzung.

   Eine Änderung der Eintragungen im Grundbuche kann grundsätzlich nur vorgenommen werden, soweit die Beteiligten mittels Angehung des Gerichtes eine Änderung bewilligen und beantragen. Bei Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen sind die neuen Grundstücke dem Hofe als Bestandteile zuzuschreiben. Die Grundbuchänderung erfolgt hier wie auch bei Enteignungen und Ablösungen ausschließlich auf Antrag der das Verfahren leitenden Stelle.

  Bei der Rangordnung der in der zweiten und dritten Abteilung des Grundbuches eingetragenen Rechte entscheidet, soweit das Grundbuch etwas anderes nicht ergibt, lediglich der Zeitpunkt der Eintragung. Jedes zuerst eingetragene Recht beider Abteilungen geht dem

 

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später eingetragenen vor. Gleichzeitige Eintragung meherer Rechte stellt diese einander gleich und gewährt bei einem etwaigen Ausfalle anteilige Befriedigung. Dem Grundbuche ist öffentlicher Glaube beigelegt, sodaß jeder den Inhalt des Grundbuches für und gegen sich gelten lassen muß. Zu seiner Vergewisserung über die Rechtsverhältnisse eines Besitztums, insbesondere bezüglich der Belastungen, kann jeder das Grundbuch einsehen, der ein berechtigtes Interesse dartut. Ob ein berechtigtes Interesse anzuerkennen ist, liegt in Zweifelfällen im Ermessen des Grundbuchrichters.

Was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.















 
  







 
 

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– 35 –

In einer guten Eh’ ist wohl das Haupt der Mann,         
Jedoch das Herz das Weib, das er nicht missen kann.



 

Kapitel IV.

Güterstand und Erbrecht.
 

§ 23.

Freigut und Hofgut.

   Wie bei den bäuerlichen Lasten zwischen Leib- und Gutseigentum, so sind auch bei dem bäuerlichen Vermögen nicht nur der geschichtlichen Entwicklung nach, sondern auch heute noch zwei Massen scharf zu scheiden. Das Kolonats- oder Hofvermögen (Hofgut) und das freie oder Allodialvermögen (Allod oder Freigut).
   Die Grundlage des Hofvermögens – ohne Rücksicht auf die jeweiligen Besitzer und deren etwaiges anderweites Privatvermögen – bildet der Hof mit seinen Bestandteilen an unbeweglichen und mit seinem Zubehör an beweglichen Vermögensstücken. Als Bestandteile des Hofes an unbeweglichen Vermögensstücken kommen in Betracht die Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie der Grund und Boden an Hofraum, Gärten, Äckern und Wäldern, an Wiesen, Weiden und sonstigen Liegenschaften. Zu den Bestandteilen des Hofes gehören auch etwaige Erbbegräbnisse und Kirchenstühle sowie Rechte (Wege-, Jagd- und Fischereirechte). Das Zubehör eines Hofes an beweglichen Vermögensgegenständen, das alte lippische Hofgewehr bilden die Wirtschaftsbestände, an Vieh, Dünger, sowie an Vorräten jederlei Art für Menschen und Tiere, für Familie und Gesinde, an
 

– 36 –

Maschinen und Geräten, das sogenannte lebende und tote Inventar in Haus, Hof und Feld, soweit es zur Fortführung einer ordentlichen Wirtschaft erforderlich ist. Bei dem Hofgute handelt es sich noch heute in der Hauptsache um Gegenstände, die ehedem das Gutseigentum ausmachten und dessen Lasten und Beschränkungen unterlagen.

§ 24.

Fortsetzung.

   Die Grundlage des freien bäuerlichen Vermögens ohne Rücksicht auf das Hofgut bildet das erst mit oder in der Ehe oder im Hausstande erworbene und zusammengebrachte Vermögen, die Errungenschaft, die sowohl in beweglichen wie unbeweglichen Vermögen bestehen kann. Zur Errungenschaft gehören namentlich die Aussteuergegenstände, das etwa in die Ehe mitgebrachte oder erst nachträglich erworbene Baarvermögen oder sonstige Gegenstände oder Auskünfte des Hofes, die zur Fortführung der Wirtschaft oder eines geordneten Hoffamilienlebens allenfalls entbehrlich sind. Bei dem jetzigen Freigute handelt es sich demnach in der Hauptsache um Gegenstände, die mit den Erträgen des Hofvermögens oder durch Arbeit, Kauf, Erbschaft, oder sonst wie zu Lebzeiten der Meierleute erworben sind und ehedem dem Leibeigentume und dessen Lasten und Beschränkungen unterlagen.
   Heute besteht der Hauptunterschied zwischen Hofgut und Freigut darin, daß das Hofgut, als wirtschaftliche Einheit vererbt, zu Gunsten gewisser Zwecke noch heute namentlich in Bezug auf Veräußerung und Vererbung gebunden bleibt, während das Freigut der Familie frei veräußerlich und lediglich nach den Vorschriften des BgB. vererblich ist.
 

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§ 25.

Die Güterordnung von 1786.

   Wie allgemein in den Städten des Landes, so herrschte auch auf dem platten Lande unter der bäuerlichen Bevölkerung bereits seit alten Zeiten die allgemeine Gütergemeinschaft, der alle veräußerlichen und vererblichen Gegenstände unterworfen waren. Die allgemeine Gütergemeinschaft wurde 1752 landesgesetzlich ausdrücklich anerkannt. Eine Aufzeichnung und Einführung dieses Güterstandes in Gesetzesform fand erst 1786 statt. Für die bäuerlichen Verhältnisse wurde diese gesetzliche Gütergemeinschaft 1847 mittels eines besonderen Gesetzes dahin ausgelegt (authentisch interpretiert), daß überall da das Recht der allgemeinen Gütergemeinschaft anzuwenden sei, wo nicht das Eigentum der Gutsherren an den Höfen oder Sondervorschriften des Höferechtes entgegen-ständen.*

   Bei der Einführung der Güterordnung von 1786 war der bäuerliche Grundbesitz durchweg noch Eigentum des Gutsherrn. Die Rechte der einzelnen bäuerlichen Familienmitglieder, das Anerben-, Brautschatz- und Leibzuchtsrecht war bereits nach besonderen Grundsätzen fest geregelt. Bei dem geringen derzeitigen bäuerlichen Wohlstande gab es daher nach Abzug der Schulden und Lasten des Guts- und Leibeigentums bäuerliches Errungenschaftsvermögen in erheblichen Umfange regelmäßig nicht. Damit hatte die Gütergemeinschaft für den Bauernstand der Zeit nur geringe Bedeutung.

§ 26.

Fortsetzung.

   Das Verhältnis der Güterordnung von 1786 zum bäuerlichen Güterrechte änderte sich aber mit der in
*) Anm. (vgl. B.-O. vom 17/1.1752; 27/3.1768 und 18/5.1847; 2,43; 3,162 und 10,49).
 

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der Folge allmählich eintretenden Befreiung des Bauernstandes von den Leib- und Gutseigentumslasten, sodaß mit der Zeit auch der ganze, inzwischen zum Eigentum erworbene bäuerliche Besitz unter die Gütergemeinschaft fiel. Nachdem dies durch die gesetzliche Auslegung (authentische Interpretation) von 1847 ausdrücklich festgelegt und inzwischen der bäuerliche Grundbesitz allgemein als Eigentum an den Höfen auch da anerkannt war, wo eine Ablösung der Lasten noch nicht stattgefunden hatte, findet die allgemeine Gütergemeinschaft auf alles bewegliche und unbewegliche bäuerliche Vermögen Anwendung, soweit nicht höferechtliche Sonderbestimmungen entgegenstehen.
   Zu den Bestimmungen, die auf Grund der Güterordnung von 1786 auch für den bäuerlichen Güterstand gelten, gehört die Ermöglichung  Fortsetzung der Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern, die Regelung der beiderseitigen Rechte und Pflichten in dieser fortgesetzten Gemeinschaft sowie das allgemeine Erbrecht des überlebenden Ehegatten bei kinderloser Ehe.

§ 27.

Das neuere Recht.

   Eine erhebliche Änderung des Höferechtes trat mit der reichsgesetzlichen Regelung des Großjährigkeits-alters ein. War bis dahin die Großjährigkeit nach gemeinem Rechte mit 25 Jahren auch in Lippe eingetreten, so begann die seit 1875 bereits mit vollendetem 21. Lebensjahre. Damit wurde, während dem Vater auch im Falle seiner Wiederverheiratung die elterliche Gewalt über die minderjährigen Kinder sowie Besitz, Verwaltung, Nutzung und Verfügung am Hofe ungeschmälert verblieb, der überlebenden Mutter im Falle ihrer Wiederverheiratung sowie überhaupt den Stiefeltern gegenüber 
 

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der Anerbe schon mit 21 Jahren zur Übernahme des Hofes berechtigt, soweit den Stiefeltern nicht etwa Meierjahre verschrieben waren.

   Mit der Einführung des BgB. gelten die bisherigen Bestimmungen der Güterordnung von 1786 für die spätestens am 31. Dezember 1899 abgeschlossenen Ehen unverändert fort, insbesondere auch im Verhältnis des überlebenden Ehegatten zu den Kindern (Art.200 E. BgB). Im Falle einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten nach dem 31. Dezember 1899 gelten für die Auseinandersetzung jedoch die Bestimmungen des BgB. Für die nach dem 31. Dezember 1899 gechlossenen Ehen gilt ebenfalls allein das Güterrecht des BgB. auch für den bäuerlichen Güterstand.

§ 28.

Fortsetzung.

   Das BgB. lässt die höferechtlichen Sonder-vorschriften grundsätzlich unberührt.* Nur bestimmt es, daß der Hoferblasser in der Verfügungsfreiheit auf den Todesfall landesgesetzlich nicht beschränkt werden kann und daß landesgesetzliche leibzuchts-rechtliche Vorschriften nicht zwingender Natur sein dürfen (Art. 64 und 96 E.BgB.). Damit sind die landesgesetzlichen Sondervorschriften  insoweit außer Kraft getreten, als bis zum 1. Jan.1900 nur der älteste Sohn und in Ermangelung von Söhnen nur die älteste Tochter Anerbe werden kann sowie daß die Brautschätze zu Gunsten des Anerben an eine Höchstgrenze, zu Gunsten der Brautschatz-berechtigten an eine Mindestgrenze gebunden sind.

   Besondere Schwierigkeiten entstehen indes infolge der Aufhebung der Güterordnung von 1786 durch das BgB. mit der Einführung eines besonderen gesetzlichen

*Anm. (vgl. das Verhältnis das BgB. zum Lippischen Höferechte, Lipp. Tageszeitung vom 8. 4. 1907).

 

– 40 –

Güterstandes der Eheleute und mit der Einführung eines besonderen Erbrechtes des überlebenden Ehegatten.
 
 
 

§ 29.

Das Güterrecht des BgB.

   Für das eheliche Güterrecht hält das BgB. fünf Güterstände zur Auswahl bereit. An Stelle der bisherigen lippischen Gütergemeinschaft, nach welcher die Vermögensmassen beider Ehegatten und der Erwerb während der Ehe sowie während der Fortsetzung der Gütergemeinschaft des überlebenden mit den Kindern ein gemeinsames, unteilbares Gesamtgut bilden, tritt die Verwaltungsgemeinschaft. Diese Verwaltungsgemeinschaft, kraft deren die Vermögensmassen beider Ehegatten dem Eigentume, also der Verfügungsberechtigung und Vererbung nach, völlig getrennt bleiben und dem Ehemanne über das Frauengut nur die Verwaltung und Nutznießung zusteht, gilt kraft Gesetzes.
   Wollen die Ehegatten diesen Güterstand nicht, so müssen sie mittels Ehevertrages einen anderen Güterstand oder andere güterrechtliche Verhältnisse besonders vereinbaren und vor Gericht verlautbaren lassen. Bezug genommen oder verwiesen werden darf dabei nur auf einen der vier andern, vom BgB. bereit gehaltenen Güterstände, der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft sowie der Gütertrennung des BgB. Da es eine lippische Gütergemeinschaft für den Geltungsbereich des BgB. nicht mehr gibt (§ 1433 BgB.), ist eine Bezugnahme auf die Güterordnung von 1786 nicht statthaft. Eine solche Bezugnahme im Ehevertrage würde nicht die lippische Gütergemeinschaft, sondern den gesetzlichen
 

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Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft des BgB. zur Folge haben. Die Wirkungen der Güterordnung von 1786 würden nur dadurch herbeizuführen sein, daß deren einzelne Bestimmungen ausdrücklich in den Ehevertrag aufgenommen würden.

§ 30.

Die Gütergemeinschaft von 1786 und das BgB.

   Vielfach glaubt man mit der ehevertraglichen Einführung der allgemeinen Gütergemeinschaft des BgB. die güterrechtlichen Wirkungen der alten lippischen Gütergemeinschaft herbeizuführen. Diese Annahme trügt. Die Gütergemeinschaft des BgB. unterscheidet sich von der alten lippischen Gütergemeinschaft durch die Gestaltung der Rechtsverhältnisse sowohl während der Ehe als auch nach Auflösung der Ehe durch den Tod eines der Ehegatten.

   Kraft der dem Manne früher nach der Güterordnung von 1786 zustehenden ehelichen Vormundschaft, die nach dem Rechtssprichworte: „Heirat macht mündig,“selbst dem minderjährigen Ehemanne zukam, übt er ausschließlich die Verwaltung und im Falle gerechter Not auch die Verfügung über das gemeinsame Vermögen (Gesamtgut) aus. Gebunden ist der Mann in seinen vermögensrechtlichen Maßnahmen allgemein nur durch die Zwecke des ehelichen Lebens und der Familie. Im Rahmen dieser Zwecke verfügt der Mann völlig selbständig sowohl über bewegliche als unbewegliche Gegenstände des Gesamtgutes. Jederzeit wird für diese Handlungen des Mannes auch die Einwilligung der Frau vermutet.

   Von dem gesetzlichen Güterstande der Verwaltungsgemeinschaft des BgB. abgesehen, ist die Frau auch nach der allgemeinen Gütergemeinschaft des BgB. durch eine ganze Reihe von Einzelvorschriften weit
 

– 42 –

freier und sicherer gestellt als nach der Güterordnung von 1786. Rechtshandlungen des Mannes verpflichten nach dem BgB. das beiderseitige Vermögen der Ehegatten nur, soweit es gemeinsam, Gesamtgut ist. Etwaiges Sondervermögen der Frau (Vorbehaltungsgut) wird durch die Rechtshandlungen des Mannes nicht berührt. Nach dem BgB. kann der Mann über das Gesamtgut im Ganzen oder über zum Gesamtgute gehörige Grundstücke nur mit Zustimmung der Frau verfügen. Bei der allgemeinen Gütergemeinschaft des BgB. kann der Mann daher den Hof weder belasten noch im Ganzen oder geteilt veräußern, namentlich dann nicht, wenn die Gesamtgutseigenschaft aus dem Grundbuche ersichtlich, d.h. die Frau als Miteigentümerin des Hofes eingetragen ist. Derartige Handlungen, einseitig vom Manne vorgenommen, sind also nach dem BgB. von vornherein nichtig, während sie nach der Güterordnung von 1786 von der Frau nur aus gegründeten Ursachen angefochten werden können.

 

§ 31.

Fortsetzung:
Rechtsstellung des Überlebenden.

   Mit dem Tode des einen Ehegatten fällt nach der Güterordnung von 1786 bei kinderloser Ehe das ganze beiderseitige Vermögen nach dem Grundsatze : „Längst Leib, Längst Gut“, unter völligem Ausschluß der Verwandten des Verstorbenen allein dem überlebenden Ehegatten zu. Nach dem BgB. bildet der Anteil des verstorbenen Ehegatten dessen Nachlaß. Zwecks Vererbung des Nachlasses wird das Gesamtgut geteilt und nötigenfalls versilbert. Der Überlebende erhält hier zunächst die eine Hälfte ( ½ ) des Gesamtgutes als seinen eigenen abgeteilten Anteil. Von der andern Hälfte, dem Nachlasse des Verstorbenen, erhält er nur seinen gesetzlichen Erbteil, also neben Verwandten der
 

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zweiten Ordnung oder neben Großeltern des Verstorbenen außer dem Voraus an Hochzeitgeschenken und Haushaltungsgegenständen (§ 1332 BGB). von der zweiten Hälfte des Gesamtgutes nur die Hälfte, demnach im Ganzen nur [½u.(½ · ½ =) ¼ =] ¾ des Gesamtgutes. Erst wenn Verwandte der ersten und zweiten Ordnung  (Kinder oder Eltern des Erblassers oder Abkömmlinge von ihnen) oder Großeltern des Erblassers nicht vorhanden sind, erhält der Überlebende auch nach dem BgB. das ganze Gesamtgut zum Erbe.

   Bei kindergesegneter Ehe treten nach  der Güterordnung von 1786 mit dem Ableben des einen Ehegatten an dessen Stelle die Kinder in das ungeteilte Miteigentum des Gesamtgutes ein. In das Gesamteigentum fließr hier durchweg aller gemeinsamer oder gesonderter Arbeits- und Glückserwerb des Überlebenden und der Kinder, bei letzteren jedoch an Glückserwerb nur das, was sie über ihren Vater oder ihre Mutter kraft Eintrittsrechtes im Wege natürlichen Erbganges (ab intestato) erben (vgl. § 19 der Güter-O. von 1786). Nach dem BgB. tritt bei Fortsetzung der Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte an die Stelle des Verstorbenen. Sämtlicher Besitz und Erwerb der Kinder gehört nicht zum Gesamtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft, bei den Überleben-den nur der Besitz und Erwerb am Vermögen im Rahmen der §§1485, 1369, 1370 BgB.

§ 32.

Fortsetzung:
Rechtsstellung des Wiederheiratenden.

   Im Falle der Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, namentlich bei einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten, erhält nach der Güterordnung von 1786 der Überlebende die Hälfte des Reinvermögens zu freier Verfügung. Die andere Hälfte fällt den Kindern zu. Im Falle der Wiederverheiratung können mit Zustimmung sämtlicher

 

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Beteiligter die etwaigen beiderseitigen Kinder der Ehegatten oder die aus der Ehe zu erwartenden Kinder mit den bereits vorhandenen in eine Kindschaft geschrieben werden. Diese Einkindschaft hat die vermögensrechtliche Gleichstellung der Kinder in Bezug auf das Vermögen der neuen Eltern auch für den Todesfall des einen oder andern Elternteiles zur Folge. Nötigenfalls findet bei der Errichtung der Einkindschaft ein Vermögensausgleich der Kinder durch Aussetzung eines Voraus (praecipuum) für die Vorkinder statt.
   Das BgB. kennt eine Einkindschaft nicht. Jeder Elternteil wird als Erblasser hier außer von dem überlebenden Ehegatten grundsätzlich nur von seinem eigenen Geblüte beerbt. Ebenso ist die elterliche Gewalt des alten lippischen Rechtes namentlich für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden auch in Bezug auf die Nutznießung des Kindervermögens wesentlich verschieden von der des BgB., wo bei einer Wiederheirat des leiblichen Vaters  (lediglich für das Vermögen) Pflegschaft, bei einer Wiederheirat der leiblichen Mutter Vormundschaft (Sorge für Person und Vermögen) eintritt.

 

§ 33.

Fortsetzung:
Verfügungsfreiheit des Überlebenden.

Nach der Güterordnung von 1786 kann keiner der Ehegatten zu Lusten oder Lasten des andern Ehegatten und – außer nach vollzogener Schichtung – auch zu Gunsten oder Ungunsten der einzelnen Kinder eine ungleichmäßige Vermögensteilung weder unter Lebenden noch auf den Todesfall vornehmen. Das BgB. setzt auch hier eine ganze Reihe von Rechten des einzelnen Ehegatten sowohl in Bezug auf die gemeinschaftlichen Abkömmlinge als auch in Bezug auf den überlebenden Ehegatten fest. Namentlich kann einseitig
 

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– 45 –

bestimmt werden, daß ein zum Gesamtgute gehöriges Landgut (Hof) einer der Abkömmlinge oder auch der überlebende Ehegatte gegen Ersatz des kapitalisierten Ertragswertes mit dem Ableben des Erblassers zu übernehmen berechtigt sein soll (§ 1515 BgB.). Mangels einer solchen Bestimmung ist der überlebende Ehegatte zur Übernahme des Gesamtgutes oder eines Teiles desselben, also auch etwa des zum Gesamtgute gehörigen Hofes, gegen Ersatz des gewöhnlichen Wertes befugt (§ 1502 BgB.).
 

§ 34.

Der gesetzliche Güterstand.
(Verwaltungsgemeinschaft) des BgB.

   In Bezug auf Verwaltung, Verfügung und Vererbung des Gesamtgutes bestehen somit zwischen der lippischen Gütergemeinschaft von 1786 und der des BgB. für die Ehegatten, Eltern und Kinder erhebliche Unterschiede. Da die gewohnten und liebgewordenen Rechtswirkungen der Güterordnung von 1786 mit der ehevertraglichen Einführung der Gütergemeinschaft des BgB. nur teilweise erreicht werden, wird es wertvoll sein, Folgendes über die in Betracht kommenden Verhältnisse zu wissen.

Mit der Eingehung der Ehe tritt der Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft des BgB. (§§ 1363 bis 1425) ein, wonach das beiderseitige Vermögen dem Eigentume nach völlig getrennt bleibt. In dem Verhältnis des Mannes zu seinem Vermögen tritt also durch den Eheabschluß keinerlei Änderung ein. Was die geschäftsfähige Frau dem Manne in die Ehe zubringt, oder während der Ehe erwirbt (eingebrachtes Gut), tritt mit Ausnahme des Vorbehaltsgutes der Frau mit dem Eheabschlusse unter die Verwaltung und eheliche Nutznießung des Mannes. Durch Rechtshand-

 

– 46 –

lungen des Mannes wird die Frau nicht verpflichtet. Über den Stamm des eingebrachten Gutes kann der Mann nur in den gesetzlich bestimmten Fällen, die Frau selbst nur mit Einwilligung des Mannes verfügen. Das eingebrachte Gut der Frau haftet den Gläubigern des Mannes nicht, den Gläubigern der Frau nur im allgemeinen. Zu Gunsten der Gläubiger des Mannes wird jedoch bei jedem Güterstande vermutet, daß sämtliche, im Besitz von Mann oder Frau befindliche bewegliche Sachen mit Ausnahme der zum persönlichen Gebrauch der Frau bestimmten, dem Manne gehören (§ 1362 BgB.). Dieser Rechtsvermutung gegenüber sind abweichende Verhältnisse also zu beweisen.

§ 35.

Die Gütertrennung des BgB.

   Sagt den Eheleuten diese Art des Güterstandes nicht zu, so können sie ihn ausschließen und jede andere Art des Güterstandes unvorgreiflich bereits wohlerworbener Rechte Dritter vereinbaren. Die Vereinbarung bedarf der gerichtlichen Verlautbarung. Beschränkt sich die gerichtliche Erklärung der Eheleute lediglich auf den Ausschluß der Verwaltungsgemeinschaft, so tritt ohne Weiteres Gütertrennung ein, bei welcher das beiderseitige Vermögen nicht nur dem Eigentume, sondern auch dem Besitze, der Verwaltung und Nutzung sowie der Gläubigerhaftung nach völlig getrennt bleibt. Auch bei der Gütertrennung steht nichts im Wege, das Vermögen bis auf jederzeit freistehenden Widerruf der Verwaltung des Mannes zu überlassen. Im Verhältnis zur Frau stehen dann die Einkünfte grundsätzlich dem Manne zu. Im Falle der Übereignung von Frauengut durch den Mann auf Dritte entscheidet deren Gutgläubigkeit, der gegenüber der Frau der Beweis des Gegenteils obliegt. Gütertrennung tritt im Zweifel
 

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– 47 –

stets ein, die Verwaltungsgemeinschaft oder ein gewillkürter Güterstand, also auch die etwa vereinbarte Gütergemeinschaft des BgB. aufgehoben wird.

   Für das Höferecht bemerkenswert ist, daß bei der Verwaltungsgemeinschaft, bei der Gütertrennung und bei jedem Güterstande, in dem der Hof nicht zum Gesamtgute der Ehegatten gehört, der Hof nur von dem vererbt wird, dem er gehört. Nächster oder rechter Erbe ist hier nicht der überlebende Ehegatte, sondern der Abkömmling, neben denen der Überlebende nur zu einem Viertel als Erbe berufen ist, während drei Viertel den Abkömmlingen zufallen. Selbst bei kinderloser Ehe würde der überlebende Ehegatte neben den etwa noch lebenden Eltern oder deren Abkömmlingen oder neben Großeltern des anderen Ehegatten außer dem Voraus an Hochzeitsgeschenken und Haushaltsgegenständen nur die Hälfte des Nachlasses erhalten. Eine Erhaltung des Hofes in der Hand des überlebenden Ehegatten würde in diesen Fällen regelmäßig daher nicht wohl möglich sein, besonders dann nicht, wenn der Hof erheblich belastet ist.
 

§ 36.

Güterrechtsregister.

   Da die Auswahl der Güterstände des BgB. oder die sonstige Bestimmung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse im freien Belieben der Eheleute steht, die jederzeit geändert werden kann, unter dieser Freiheit aber Handel und Wandel, namentlich die Kreditverhältnisse zum Schaden aller nicht leiden dürfen, so gelten vereinbarte, von dem gesetzlichen Güterstande der Verwaltungsgemeinschaft abweichende güterrechtliche Verhältnisse nur soweit, als sie aus dem Güterrechtsregister des zuständigen Amtsgerichts ersichtlich oder sonst dem Dritten bekannt sind. Ist aus dem Güterrechtsregister

 

– 48 –

ein besonderer Güterstand der Eheleute nicht ersichtlich, gleichwohl aber ein solcher unter den Eheleuten vereinbart, so können die Eheleute aus dieser Vereinbarung gegen Dritte nur dann Rechte herleiten, wenn sie ihrerseits den Beweis führen können, daß der Dritte den Inhalt des Ehevertrages gekannt hat. Die Einsicht in das Güterrechtsregister steht jedem unentgeltlich frei.

§ 37.

Ehe- und Erbvertrag.

   Um zum Schutze der Hoferhaltung die Rechtswirkungen der Güterordnung von 1786 herbeizuführen, wird für die allgemeinen Lebens-verhältnisse die Einführung der Gütergemeinschaft des BgB. hinreichend sein. Um aber für den Fall des Ablebens des einen oder anderen Ehegatten die gesetzliche Erbfolge des BgB., die den Anschauungen für das Gebiet des lippischen Höferechtes nicht in allen Teilen, namentlich nicht in Bezug auf das Erbrecht des überlebenden Ehegatten entspricht, nicht eintreten zu lassen, wird es für die Erhaltung des Hofes zweckmäßig sein, daß die Ehegatten gleich in dem Ehevertrage sich selbst gegenseitig zu erben einsetzen, mit dem Ehevertrage also gleichzeitig einen Erbvertrag verbinden (§ 2276 BgB.). Es treten dann folgende Rechtswirkungen ein.

a) Erbfall bei unbeerbter Ehe.

   Gegenüber solcher Erbeinsetzung greift lediglich das Pflichtteilsrecht des BgB. Platz, wonach, wenn nicht aus gesetzlichen Gründen der Pflichtteil ganz entzogen ist, den Abkömmlingen, den Eltern und dem Ehegatten nur die Hälfte des ihnen gesetzlich zustehenden Erbteils zukommt. Im Falle der Einführung der allgemeinen Gütergemeinschaft des BgB. und gleichzeitiger Erbeinsetzung mittels desselben Ehevertrages – oder auch mittels eines vom Ehevertrage gesonderten Erbvertrages oder Testamentes – schließt bei kinderloser (unbeerbter)
 

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– 49 –

Ehe der Überlebende die Großeltern und die entfernteren Verwandten des verstorbenen Ehegatten völlig aus. Neben den Eltern oder Elterteilen des verstorbenen Ehegatten erhält der Überlebende als gesetzlicher Erbe außer dem Voraus an Hochzeitsgeschenken und an den, nicht Zubehörteile eines Grundstückes bildenden Haushaltsgegenständen die Hälfte des Nachlasses, als eingesetzter Erbe weiter die eine Hälfte des gesetzlichen Erbteils der Eltern des Erblasses, weil diesen auf Grund der Einsetzung des Ehegatten nur der Pflichtteil mit der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also nur ¼ des Nachlasses zusteht. Im Falle allgemeiner Gütergemeinschaft erhält danach der überlebende Ehegatte neben Eltern des Erblassers den ganzen Nachlaß des Verstorbenen bis auf ein Viertel. Würde demnach auch ein Hof wie z.B. als Neuerwerb (neo acquisitum) nicht nach besonderen höferechtlichen Grundsätzen vererbt, so wäre der Überlebende gleichwohl in der Lage, gegen Abfindung der Eltern mittels Wertersatzes des einen Hofviertels – Hofwert 60000 Mk.: Abfindung 15000 Mk.: verbleibender Teil 45000 Mk. – den Hof zu halten.

§ 38.

Fortsetzung: b) Erbfall bei beerbter Ehe.

   Die gleiche Möglichkeit würde allenfalls bestehen, wenn im Falle der Gütergemeinschaft und gleichzeitiger Erbeinsetzung bei beerbter (kindergesegneter) Ehe der Überlebende neben Abkömmlingen erbte. Außer dem, dem Überlebenden hier zufallenden gesetzlichen einen Viertel würde ihm von jedem Abkömmlinge die Hälfte von dessen gesetzlichem Erbteile zukommen, bei einem Hofe im Nennwerte von 60000 Mk. Und bei drei Abkömmlingen also (15000 u. 7500 u. 7500 u. 7500 =) 37500 Mk., während den sämtlichen, beliebig vielen

 

– 50 –

Abkömmlingen zusammen nur 22500 Mk, also nicht viel mehr als ein Drittel des Hofwertes zuständen. Die Haltung des Hofbesitzes würde um so eher möglich sein, als der Überlebende auf Grund der ehelichen Gütergemeinschaft diese nach dem Tode des andern Ehegatten mit den Abkömmlingen beliebig lange fortsetzen kann (§ 1483 BgB.) und ihm in dieser fortgesetzten Gütergemeinschaft gegenüber den Abkömmlingen die früheren Rechte des Ehemannes während bestehender Ehe zukommen würden. Im Falle der Nichtfortsetzung der Gütergemeinschaft und der darauf folgenden Auseinandersetzung mit den Abkömmlingen, z.B. im Falle der Wiederheirat würde dem überlebenden Ehegatten das Recht der Übernahme des Hofes gegen Ersetzung des Hofwertes zustehen. Diese Übernahme würde erleichtert sein, wenn zur Auseinandersetzung und zum etwa nötigen Ausgleich der Beteiligten außer dem Hofe noch andere Gesamtgutsgegenstände vorhanden wären, was in der Regel der Fall sein wird. Weiter würde auch im Falle der Auseinandersetzung mit den Abkömmlingen dem Überlebenden auf Grund der elterlichen Gewalt, Besitz und Verwaltung Nutznießung an den Anteilen der Kinder bis zu deren Großjährigkeit zustehen.
 

§ 39.

Weitere Hoferhaltungsmöglichkeit.

   Von diesen allgemeinen Rechtsfolgen abgesehen, würde schließlich die Erhaltung des Hofes in der Hand des Überlebenden oder auch des Anerben mittels Errichtung einer letztwilligen Verfügung durch den Hoferblasser dahin gesichert werden können, daß dem Überlebenden oder dem Anerben der Hof zum Ertragswerte zufiele (§§ 1515, 2049 BgB.). Als Ertragswert würde dann nur der fünfundzwanzigfache Betrag des jährlichen Hofreinertrages in Betracht kommen (§ 46 des
 

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– 51 –

Ausf. Ges. z. BgB.; 22.507; Art. 137 E. BgB.) und dieser so festgestellte Hofwert auch den etwaigen Pflichtteilsberechnungen zu Grunde zu legen sein (§ 2312 BgB.).

Erschweren würde sich die Erhaltung des Hofes allerdings bei erheblicher Schuldenlast. Wären bei einem Hofrohwerte oder Hofverkaufswerte von 60000 Mark an Schulden 30000 Mk. Vorhanden, so würde der Überlebende (60000 – 30000 = ) 30000 : ¼ =  7500 u. (30000 – 7500) :2 = 11250 = 18750 Mk. Hofwert erhalten, demnach 30000 u. (30000 – 18750 = ) 11250 = 41250 Mk., also mehr als zwei Drittel des Hofwertes zu verzinsen haben. Immerhin würde aber der überlebende Ehegatte bei einer Schuldenlast von rund 41000 Mk. Noch eher bestehen können, als etwa der Anerbe, der neben der Schuldenlast zu 41000 Mk. und neben den Leibzuchtsleistungen auch noch die Brautschätze zu stehen haben würde.
Allgemeine Gütergemeinschaft der Eheleute und gegenseitige Erbeinsetzung derselben vorausgesetzt, würde demnach die Erhaltung des Hofes in der Hand des überlebenden Ehegatten regelmäßig auch da möglich sein, wo sich der Hof als Neuerwerb (neo acquisitum) auf Grund von Kauf, Tausch, Schenkung, Ererbung von Dritten oder sonstigen Erwerbes nicht nach den besonderen Grundsätzen des Höferechtes, sondern nach denen des BgB. sich vererbt. Dies selbst im Falle einer Wiederverheiratung des Überlebenden, da eine Wiederverheiratung nur die Fortsetzung der allgemeinen Gütergemeinschaft ausschließen, im Übrigen aber die Auseinander-setzung nach gleichen Gesichtspunkten erfolgen würde.
 

– 52 –












 













 
 
 
 
 
 
 
 

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– 53 –

Bauernhöfe sind keine Handelsware.
 

Zweiter Teil.
 

Einzeldarstellung.

 

Kapitel I.

Das Hofgut.

§ 40.

Begriff des Hofgutes:
Unbewegliches Hofgut.

   Das Hofgut bildet eine äußerlich und in sich wirtschaftlich abgerundete und eingerichtete Vermögenseinheit.
   Diese Vermögenseinheit besteht aus unbeweglichen und beweglichen Vermögensstücken. Die unbeweg-lichen Vermögensstücke, die Liegenschaften, bilden die Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie der Grund und Boden an Hofraum, Gärten, Äckern und Wäldern, an Wiesen, Teichen und sonstigen Gründen, an Frucht- und Ödland. Zu den Liegenschaften gehören auch die im Boden befindlichen oder mit dem Boden noch zusammenhängenden Früchte, der ausgestreute Dünger und die Waldbestände. Die unbeweglichen Vermögensstücke des Hofes stellen danach in der Hauptsache dessen Bestandteile im Sinne der §§ 93 – 96 BgB. dar.

   Zu ihnen zu rechnen sind als festabgegrenzte Flächen des Friedhofes und des Innenraumes der Kirche auch etwaige Erbbegräbnisse und Kirchen-stühle sowie

 

– 54 –

mit dem Hofe verbundene Rechte und Pflichten an Mühlen, Flöß- und sonstigen Wasserrechten, an Wegen, Huden, Jagd, Fischerei, Potterei, in Anteilen an Molkereien, Zuckerrüben- und Konserven-fabriken. Schließlich gehören hierhin auch die landwirtschaftlichen Nebenbetriebe (Ziegeleien, Brennereien, Verwertung von Steinen, Kalk, Mergel, Ton, Sand und Torf).

§ 41.

Fortsetzung: Bewegliches Hofgut.

   An beweglichen Vermögensstücken gehören zum Hofgute alle Wirtschaftsbestände des Hofes in der Art und in dem Umfange, wie sie die ordnungsmäßige, auf nachhaltige Ergiebigkeit gerichtete Hofbewirtschaftung erfordert.
Zu den Wirtschaftsbeständen sind zu zählen : die Viehbestände, die Vorräte an Futter und Saatgut sowie an Lebensmitteln bis zur nächsten Ernte, der Dünger, die Maschinen und Geräte in Haus, Hof und Feld. Die beweglichen Vermögensstücke des Hofes bilden daher im Wesentlichen diejenigen Sachen, welche als Zubehör im Sinne der §§ 97, 98 BgB. anzusehen sind. Entscheidend wird auch hier sein, ob die Vermögensstücke einzeln oder als geordnetes, organisch in einander greifendes Ganze den wirtschaftlichen Zwecken des Hofes oder der Hofgenossen zu dienen bestimmt sind und ob sie in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnisse zum Hofe stehen, also auch nach ihrer rein örtlichen Aufstellung den Hofzwecken zu dienen geeignet sind. Ebenso wird auch hier eine vorübergehende Entfernung eines Vermögensstückes vom Hofe z.B. zu Ausbesserungs- oder Ausstellungszwecken die Zubehöreigenschaft nicht aufheben, auch eine bloß vorübergehende
 

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– 55 –

Benutzung eines Vermögensstückes für Hofzwecke deren Zubehöreigenschaft nicht begründen.

   Besondere Vorschriften gelten für die Gebundenheit der Hofliegenschaften und für die Vererbung des Hofgutes. Eine Vererbung der Höfe nach Höferecht tritt nur ein, soweit sie nicht Neuerwerbungen (neo acquisita) darstellen, sondern bereits einmal nach dem bürgerlichen Rechte sich vererbt haben. Gekaufte oder sonst mittels Aufwendung von Freigut erworbene Höfe oder Hofteile erden daher für das Erbrecht zu Hofgut erst durch einmalige Vererbung nach BgB., mag es sich um ganze Höfe oder um einzelne Bestandteile derselben handeln.

§ 42.

Gebundenheit des Hofgutes.

Für die Hofgebundenheit kommen nach heutigem Rechte alle ländlichen Besitzungen in Betracht, welche in der Hauptsache land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt und geeignet sind. Durchweg wird es sich also um bäuerliche Besitzungen handeln. Nicht in Betracht für die Hofgebundenheit kommt zunächst der landesherrliche, der staatliche oder gemeindliche und ritterschaftliche Besitz, da hier besondere Rechtträger in Frage kommen. Desgleichen gehört hierher nicht der städtische Besitz sowie der ländliche, vornehmlich gewerbliche und der ländliche Kleinbesitz, da diese in der Hauptsache zu anderen Zwecken dienen, zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken weder geeignet noch auch bestimmt sind.

   Einen Anhalt für die Beurteilung namentlich des Erbrechts wird die Hofesgewohnheit geben, also die Art der Behandlung in früheren Fällen, wie sie meist aus den Grundakten ersichtlich sein wird. Wichtige Fingerzeige werden die früheren Leib- und Gutseigentumslasten und sonstige Aufzeichnungen bilden, die sich
 

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in den Grundbüchern, den Saalbüchern, alten Eheprotokollen und Katastern finden.

   Bei der Gebundenheit der Höfe geht die Gesetzgebung von dem Gesichtspunkte der Erhaltung der Höfe aus. Als obersten Grundsatz stellt sie daher die Unteilbarkeit der Höfe hin. Unter dem Gesichtspunkte der Unteilbarkeit des Hofes vollzieht sich daher die ganze Abwickelung des Höferechtes, das in der Hauptsache das Recht der Hofgenossen auf und an dem Hofe sowie deren Abfindung von dem Hofe in sich begreift und darstellt.

   Um diesen Grundsatz der Unteilbarkeit des Hofes gruppieren sich daher alle höferechtlichen Vorschriften. Der Unteilbarkeit des Hofes wegen kann es nur einen rechten Erben des Hofes geben, den Anerben, dem der Hof als ein Sach- und Rechtinbegriff mit dem Erbfalle ohne Weiteres zufällt. Der Unteilbarkeit des Hofes wegen werden die Geschwister des Anerben vom Hofe mit Brautschätzen abgefunden, Eltern und Stiefeltern mit der Leibzucht versorgt.

 

§ 43.

Die Berechtigung der Hofgebundenheit.

   Die Unteilbarkeit des Hofes, die Verfügungs-beschränkungen des jeweiligen Hofbesitzers sowie das Mindererbrecht der nachgeborenen Kinder hat jederzeit scharfe Gegnerschaft gefunden, vom sozialen Gefühlsstandpunkte aus nicht unberechtigt, jedenfalls verständlich, vom Standpunkte einer gesunden Lebensauffassung nicht gerechtfertigt, für eine kraftvolle Wirtschaftsbetätigung und für den Staat unhaltbar.Das Staats- und Völkerleben der zivilisierten Nationen baut sich auf dem Verbande der Familie auf. Seinen letzten Halt, seine Ruhe und Erholung wir der Einzelne stets an und in seiner Familie haben und finden. Aus
 

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dem Schoße der Familie heraus erwächst dem Einzelnen die Kraft und Einsicht für den Kampf des Lebens.

   Für die bäuerliche Familie gilt der Hof als Sitz und Halt, als Mittel- und Sammelpunkt der Familienglieder. Dieser erhabene Zweck des Familienbesitzes steht über den einzelnen Gliedern der Familie. Nötigenfalls müssen diese weichen, um anderen Platz zu machen. Der Hof muß bleiben, um ständig neues blühendes Familienleben zu erzeugen und für alle Zukunft zu gewährleisten. Eine Teilung des Hofes würde diesen erhabenen Zweck gefährden und mit der Zeit vereiteln.
   Der heutige, durchweg durch Jahrhunderte hindurch von den Vorfahren auf die Nachkommen, vom Vater auf den Sohn vererbte lippische bäuerliche Besitz bildet in Familie und Gesinde, in Haus und Hof, in Viehstand und Geräten, in Gärten, Äckern, Wald und Weiden eine wirtschaftlich abgerundete und eingerichtete Einheit, die schon um ihrer Einheitlichkeit willen eine Teilung nicht verträgt. Welche tiefgreifenden, unwirtschaftlichen Verände-rungen würde auch eine Teilung des Hofes unter etwa sieben Geschwister nach sich ziehen. Wer von ihnen sollte die einzelnen in Güte, Ertrag, Wert, Lage und Fruchtfolge verschiedenen Äcker, Wiesen und Waldungen haben. Wie sollte bei dem Erbfalle die Teilung der Hofbestände an Vieh, Futter, Maschinen und Geräten, insbesondere bei Wohn- und Stallgebäuden durchgeführt werden. Und schließlich, wie oft wollte man teilen, und durch wieviel Generationen hindurch würde man teilen können, um mit Vorteil noch Landwirtschaft als Lebensberuf zu betreiben, um die einzelne Familie zahlungs- und leistungsfähig zu erhalten, ihr den Unterhalt, dem Staate und der Gemeinde aber die Steuern zu sichern.

   Ruhige Überlegung muß unter Berücksichtigung der realen Lebensverhältnisse und notwendigen Wirtschafts-

 

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bedingungen zu dem Schlusse führen, daß eine Teilung der Höfe unzweckmäßig ist und auf die Dauer undurchführbar sein würde. Läßt sich doch auch eine kaufmännische Firma ohne Veränderung ihres Wesens nicht beliebig teilen. Schließlich hat auch der Staat in Recht und Pflicht das dringendste Interesse an der Erhaltung der Unversehrtheit der Höfe, da sie, soweit unser Land in Betracht kommt, in ihrer Gesamtheit neben dem ebenfalls unteilbaren Domanium den weitaus größten Teil der realen Grundlage des Staates ausmachen, in ihren Wirtschaftsbetrieben dem Lande die sicherste und nachhaltigste Steuerkraft verbürgen, und mit ihrer gesunden Volkskraft die mächtigsten und allzeit zuverlässigsten Stützen des Staatsgebäudes darstellen.



 

§ 44.

Frühere Hofgebundenheit.

   Die ältesten gesetzlichen Vorschriften über die Unteilbarkeit der Höfe gehen auf die Landes-Polizeiverordnung von 1620 zurück. Sie verbieten nicht nur die Versetzung (Verpfändung) und die Belastung des Hofes mit Dienstbarkeiten oder Schulden, sondern auch die Veräußerung des Hofes im Ganzen, den Verkauf bei Strafe der Nichtigkeit der Verträge, bei Verlust des Meierrechtes und des geliehenen oder als Kaufpreis gezahlten Geldes. Es sollen alle bäuerlichen „dienstbare Güter unverrüttet in vollkommenem Stande gelassen und in keinerlei Weise geändert werden“. Was von den Höfen an Liegenschaften angekauft ist, soll nicht wieder davon getrennt noch von den bereits ausgesteuerten (abgefundenen) Kindern geerbt werden. Alle diesen Bestimmungen zuwiderlaufenden Maßnahmen der bäuerlichen Besitzer bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Bewilligung des Landes- und Gutsherrn.
 

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   Von gleichen Gesichtspunkten und von gleichen vornehmlich durch das Interesse der Landes- und Gutsherrschaft gebotenen Grundsätzen gehen die Verordnung wegen der Eheverschreibung der Bauersleute von 1702 sowie die Hypothekenordnung und die Distraktions- (Dismembrations- oder Hofzerstückelungs-) Ordnung von 1771 aus.

   Erst nach der Befreiung des bäuerlichen Besitzes von den Lasten und Beschränkungen des Guts- und Leibeigentums und nach der Einführung der Ablösbarkeit er sämtlichen bäuerlichen Lasten wird auch das Eigentum des Bauern an dem Hofe anerkannt, indem seit 1864 auch die landesherrliche Genehmigung zur Veräußerung eines Hofes im Ganzen nicht mehr, sondern nur noch zur Abveräußerung einzelner Teile des Hofes erfordert wird. Eine Einschränkung der Gebundenheit der Hofgrundstücke für den Rechtsverkehr bezweckte das Nachtragsgesetz von 1902, indem es solche ländlichen Besitzungen, die eine bestimmte Mindestgröße oder einen bestimmten Mindestreinertrag nicht aufweisen, also für die Eheleute und Familie als eine selbständige Nahrungsstelle nicht gelten können, für den Rechtsverkehr überhaupt freilässt (walzende Güter).

 

§ 45.

Jetzige Hofgebundenheit.

Nach heutigem Rechte ist der im Grundbuche eingetragene Besitzer völlig freier Eigentümer des Hofes. Soweit daher Miteigentum am Hofe besteht z.B. für den andern Ehegatten infolge Einführung der allgemeinen Gütergemeinschaft oder für sonstige Personen aus beliebigen Rechtsgründen ist die Miteintragung des Berechtigten zwecks Vermeidung von Weiterungen ratsam und gegenüber jedem Dritten erforderlich.

 

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Als Eigentümer des Hofes steht dem jeweiligen, aus dem Grundbuch sich ergebenden Besitzer das freie Verfügungsrecht über den Hof, dessen Bestandteile und dessen Zubehörstücke zu, ohne Unterschied ob es sich dabei um bewegliches oder unbewegliche Gut handelt. Insbesondere ist die Veräußerung ganzer Höfe ohne Weiteres zulässig: freie Verfügung für Eintragungen in der ersten Abteilung des Grundbuches. Auch in Bezug auf die Belastungen und Beschränkungen des Hofes ist der Eigentümer frei. Der Eigentümer kann beliebig viel und beliebig hohe Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden sowie jederlei andere Lasten dauernder oder vorübergehender Art bestellen und eintragen lassen: freie Verfügung für Eintragungen in der zweiten und dritten Abteilung des Grundbuches. Einmal erfolgte Eintragungen im Grundbuche können nur mit Zustimmung des Berechtigten oder mit dem Nachweise, daß die Berechtigung beendet ist, geändert oder gelöscht werden. In allen diesen Fällen bedarf es also nur der Einigung der Beteiligten, der gerichtlichen Beurkung[d]ung dieser Einigung und der Anträge auf Änderung des Grundbuchinhaltes sowie der Bemerkung der Rechtsänderung im Grundbuche. Im Grundbuche vermerkt oder eingetragen wird die Rechtsänderung ausschließlich durch das Gericht unter Benachrichtigung der Beteiligten über die erfolgte Eintragung der Rechtsänderung.
   Ist sonach mittels der Belastung wohl eine Teilung des Hofes seinem Werte nach möglich, so können einzelne, reale Teile des Hofes rechtsgültig nur mit vorgängiger, landespolizeilicher Genehmigung veräußert werden: beschränkte Verfügung für Eintragungen auf dem Titelblatt des Grundbuches, dem Verzeichnisse der Hofgrundstücke. Dies gilt auch für Grundstücke, die von dem Hofbesitzer erst selbst erworben und auf dessen Veranlassung dem Hofe im Grundbuche zugeschrieben sind. Will der Hofbesitzer solche selbst erworbenen Grundstücke
 

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zu freier Verfügung behalten (walzende Güter), so muß er sie auf einem besonderen Grundbuchblatte eintragen lassen. Als Veräußerung ist nicht nur die Eigentumsübertragung anzusehen, sondern jede grundbuchmäßige Abtretung eines Grundstückes vom Hofe mittels Abschreibung vom Hofgrundbuchblatte und Umschreibung auf ein besonderes Grundbuchblatt, insbesondere auch zum Zwecke einer Spezialverpfändung eines bestimmten Hofteiles.

   Die landespolizeiliche Genehmigung, die das Grundbuchamt herbeiführt, wird für den Landesherrn von der Regierung erteilt oder aus Erwägungen der allgemeinen Landeswohlfahrt verweigert.

§ 46.

Walzendes Gut.

   Hofbesitzungen unterstehen dem freien Rechtsverkehr, sind also in Bezug auf die Verfügungsfreiheit der Eigentümer überhaupt nicht gebunden, soweit sie der landes-polizeilichen Genehmigung nicht bedürfen.

   Die landespolizeiliche Genehmigung ist nicht erforderlich :

1. bei Höfen unter 2,5 ha Größe oder unter 75 Mk. Reinertrag,
2. bei Höfen, welche seit 20 Jahren in derselben Familie sind und bei denen innerhalb 30 Jahren unbebaute    Grundstücke bis zu 20 % der Gesamt-größe, höchstens aber im Ganzen 2,5 ha abgetrennt werden,
3. bei Abtrennung zu allgemeinen oder gemeinnützigen Zwecken (Anlegung oder Erbreiterung öffentlicher Wege und Gräben, Bau von Eisenbahnen, Errichtung öffentlicher Gebäude) oder bei Abtrennung infolge von Enteignung.

 

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4. bei Abtretung zwecks Begradigung oder Regelung einzelner Hofgrenzen,
5. bei gleichzeitiger Zuschreibung gleichwertiger Grundstücke (Tausch, Ankauf und Verkauf).
6. bei geringfügiger Abtrennung, die für die Berechtigten zweifellos unschädlich erscheint.
   Im Falle der Ziffer 5 die Gleichwertigkeit, der Ziffer 6 die Unschädlichkeit der Rechtsänderung stellt das Gericht für die Beteiligten durch Beschluß fest (Unschädlichkeitszeugnis). Der dem Antragsteller und allen Grundbuchbeteiligten gerichtlich zuzustellende Beschluß ist binnen zwei Wochen anfechtbar. Eine Änderung des Grundbuchinhaltes darf erst erfolgen, nachdem der Unschädlichkeitsbeschluß gegenüber allen Beteiligten rechtskräftig geworden ist. Eines besonderen Unschädlichkeitsbechlusses bedarf es im Falle der Ziffer 5 nicht, soweit es sich um den Austausch von im Wesentlichen gleichwertigen Grundstücken von Hof zu Hof handelt. Hier wie in allen sonstigen Fällen (der Ziffern 1 – 4) genügt die pflichtmäßige Prüfung der gesetzlichen Vorausset-zungen durch das Gericht.
 

§ 47.

Vereinigung mehrerer Höfe.

   Die gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen haben nicht nur die Erhaltung des Bestandes und Umfanges des einzelnen Hofes, sondern auch die Erhaltung der Gesamtzahl der lippischen Höfe im Auge. Verboten ist daher noch heute die dauernde Vereinigung meherer Höfe zu einem Hofe durch Aufsaugung und Beseitigung anderer Höfe. Nicht verboten ist damit der Erwerb oder gleichzeitige Besitz mehrerer Höfe. Die Höfe bleiben auch im Verhältnis zu einander Gegenstände des freien Rechtsverkehrs.
 

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   Vereinigen sich indes mehrere Höfe infolge Kaufes, Erbganges oder sonstigen rechtsgültigen Erwerbes in einer Hand, so bleibt gleichwohl jeder Hof seinem Wesen und Bestande sowie seiner äußeren Gestaltung nach unverändert. Namentlich sind alle Lasten und Dienste sowie alle Staats- und Gemeindesteuern von jedem Hofe besonders zu berechnen und nach jedes Hofes Gelegenheit zu leisten. Auch erleiden die Gerechtsamen eines Hofes z.B. an Wege- und Nachbarrechten durch seine Vereinigung mit einem andern Hofe zu dessen Lasten oder zu dessen Lusten keinerlei Veränderung. Daß auch die an einander stoßenden Grenzen jedes Hofes erhalten bleiben, liegt nur mit im Zwecke der allgemeinen Vorschrift und wird im Grenzver-merkungsgesetz* ausdrücklich festgelegt. Der Zweck der Allgemeinvorschrift erfordert weiter, daß jeder der vereinigten Höfe auch in den öffentlichen Büchern für sich besonders zu führen ist.

  Für die Landessteuerbücher (Grundsteuermutter-rolle, Gebäudesteuerrolle) kann dies auch nicht zweifelhaft sein. Mangels ausdrücklicher landesgeset-zlicher Festlegung versteht sich dies nicht ohne Weiteres für das Reichsgrundbuchrecht. Mit Rücksicht auf die sonstige landesrechtliche Handhabung mehrerer vereinigter Höfe wird der Grundbuchrichter die beantragte Überschreibung des einen Hofes auf das Grundbuchblatt eines andern (Zuschreibung) aber ablehnen müssen, zumal von der Zuschreibung des einen Hofes als Bestandteil eines andern leicht Verwirrung zu befürchten sein würde.
   Im Falle der Vererbung meherer vereinigter Höfe findet tunlichst wieder eine Trennung statt, indem der Anerbe nur den einen Hof erhält, während etwaige weitere Höfe einzeln nach Höferecht an die nachgeborenen Kinder fallen. Ist nur ein Erbe vorhanden, so hat die Trennung bei der nächsten mehrköpfigen Vererbung stattzufinden.

*) Anm. (vom 27.2.1890; 20,279).

 

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Nicht Stimmenmehrheit ist des Rechtes Probe.

 

Kapitel II.

Der Hoferblasser.

 

Artikel 64 Abs. 2 E. BgB.

§ 48.

Hoferblasser und Hofgebundenheit.

   Wie im bäuerlichen Güterrechte das freiverfügliche Familiengut (der Erwerb zu Lebzeiten der Meierleute, die Errungenschaft, das Freigut) dem gebundenen Hofgute gegenübersteht, so tritt im bäuerlichen Erbrechte dem landesrechtlichen Grundsatze der (letztwilligen) Verfügungsfreiheit des Erblassers entgegen. Die Frage, welcher von beiden Grundsätzen der stärkere ist, entscheidet das BgB. selbst zu Gunsten des landesrechtlichen Grundsatzes der Unteilbarkeit des Hofes (Art. 119 Abs. 2 E. BgB.). Insoweit gilt daher der Grundsatz : „Reichsrecht bricht Landesrecht“ nicht.
Wie der Hofbesitzer bereits zu Lebzeiten durch grundbuchmäßige Belastung beliebiger Art und Höhe den Hof dem Werte nach teilen kann, so steht ihm mit dem Inkrafttreten des BgB. auch auf den Todesfall volle Verfügungsfreiheit zu. Für diese Verfügungs-freiheit entscheidend ist zunächst der eheliche Güterstand, wie er sich heute nach Gesetz, Vertrag, Güterrechtsregister oder Grundbuch ergibt. Soweit hiernach gemeinsames Eigentum (Miteigentum) zwischen den Eheleuten oder nach Auflösung der Ehe zwischen einem Elternteile und
 

 

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den Kindern besteht, kann auch auf den Todesfall nur gemeinschaftlich verfügt werden. Das gilt insbesondere auch für Ehen, die vor dem 1. Januar 1900 abgeschlossen sind, soweit deren güterrechtliche Verhältnisse sich noch nach der Güterordnung von 1786 bestimmen. Da nach dem Inkrafttreten des BgB. ein anderer Güterstand als der mit dem Abschluß der Ehe von selbst eintretende gesetzliche Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft Rechtsgültigkeit nur dann hat, wenn er bei gleichzeitiger Anwesenheit der Beteiligten vor Gericht abgeschlossen wird und gleichwohl nach dem etwa abweichenden Inhalte des Güterrechtsregisters oder des Grundbuches Unsicherheit entstehen kann, so empfiehlt sich, Güterrechtsregister und Grundbuch daraufhin zu prüfen, ob die dortigen Eintragungen dem Inhalte des Ehevertrages entsprechen. Zur Vergewisserung der Beteiligten erhalten diese daher Nachricht über den Inhalt der erfolgten Eintragungen.

§ 49.

Hoferblasser und Höfeerbrecht.

   Infolge der Unteilbarkeit des Hofes kann auch der Hoferblasser eine reale Teilung des Hofes nicht vornehmen. Auch gegenüber der Verfügungsfreiheit des Erblassers bleibt der Hof also gebunden und dem Gegenstande nach unteilbar. Im Übrigen steht dem Hoferblasser volle Verfügungsfreiheit zu. Der Hoferblasser ist daher bei der Auswahl des Anerben nicht mehr an den ältesten seiner Söhne oder in Ermangelung von Söhnen an die älteste seiner Töchter gebunden. Er kann das Hofgut einem beliebigen seiner Kinder oder sonstigem seiner gesetzlichen Erben zuwenden. Söhne und Töchter sind nach dem Inkrafttreten des BgB. in
 

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dieser Beziehung auch auf das Alter völlig gleichgestellt. Ein Erst- oder Letztgeburtsrecht ist für die Verfügungsfreiheit des Hoferblassers nicht mehr vorhanden. Für den Hoferblasser gilt auch nicht mehr die höferechtliche Bestimmung, daß Anerbe nicht werden kann, „wer zur Hofantretung an Seele und Körper unfähig ist oder auch sonst Mangel an Einsicht oder Willen dazu zeiget“.

Gegenüber der Verfügungsfreiheit des Erblassers kann der gewillkürte Anerbe (gekorene, Gegensatz: der geborene, in Ermangelung einer letztwilligen Bestimmung der vom Gesetze berufene Anerbe) unter den Formen und Voraussetzungen der §§ 1942 ff. BgB. durch Ausschlagung der ihm angefallenen Erbschaft sich entziehen. In der Einsetzung eines selbst widerwilligen Anerben ist der Hoferblasser an sich nicht behindert. Zweifellos rechtsgültig kann der Hoferblasser aber auch bestimmen: mein Hof soll nicht nach Anerbenrecht, sondern nach dem Erbrechte des BgB. sich vererben. Damit würde der Anerbe sowohl seines Erstgeburtsrechtes als auch der sonst ihm anhaftenden Erbvorzüge entkleidet und dann der Hof nach den gewöhnlichen Vorschriften des BgB. vererbt werden.

   Gebunden bleibt aber auch der Hoferblasser in seiner letztwilligen Verfügungsfreiheit gegenüber dem Grundsatze der Unteilbarkeit des Hofes, wie dies Artikel 119 Ziffer 2 in Verbindung mit Artikel 55 E. BgB. ausdrücklich festlegt. Es kann daher bei einer seitens des Hoferblassers etwa gewillkürten Erbfolge des BgB. immer nur eine Teilung des Hofes seinem Werte nach stattfinden. Bei einer Vererbung des Hofes nach Kopfteilen oder sonstigen annähernd gleichen Teilen wird daher mangels anderweiter Einigung der Beteiligten zunächst eine Versilberung des Hofes vorangehen müssen.
 
 

 

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§ 50.

Hoferblasser und Pflichtteilsrecht des BgB.

   Soweit der Hoferblasser letztwillige Bestimmungen trifft, die mit dem Anerben- oder Brautschatzrechte in Widerspruch stehen, gibt er daher zu erkennen, daß er in soweit die Rechtsfolgen des Höferechts ablehnt. In solchen Fällen ist der Hoferblasser in seiner Verfügungsfreiheit gebunden nur durch die Vorschriften des BgB. selbst. Nach diesen Vorschriften (§§ 2303 ff. BgB.) muß dem Ehegatten und den Abkömmlingen, in Ermangelung letzterer den Eltern des Erblassers wenigstens der halbe gesetzliche Erbteil (Pflichtteil) werden, der nur in den Fällen der §§ 2333 – 2338 BgB. entzogen werden kann. Hervorzuheben ist hier, daß in Bezug auf die Verfügungsfreiheit des Erblassers und das Pflichtteilrecht des BgB. Hofgut und Freigut völlig gleichstehen. Hat daher z.B. ein Miterbe vom Freigute mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles erhalten, so kann ihm dies Mehr bei Bemessung des Pflichtteils aus dem Hofgute gekürzt werden und umgekehrt. Als gesetzlicher Erbteil vom Hofgute gilt der Brautschatz. Aussteuer der Tochter zwecks ihrer Verheiratung (§§ 1620 ff. BgB.), Ausstattung eines Kindes zwecks Verheiratung oder Selbstständig-machung (§ 1624 BgB.) sowie sonstige Vorempfänge können nach den Vorschriften des BgB. auf den Pflichtteil eingerechnet werden. (§§ 2050 ff.BgB.)

   Inwieweit der Hoferblasser die Rechtsfolgen des Höferechtes oder die des Erbrechtes des BgB. herbeiführen will, ist Auslegungsfrage der einzelnen, letztwilligen Verfügung, deren Beantwortung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 2066 ff. BgB. zu erfolgen hat. Ist die höferechtliche Erbfolge letztwillig ausgeschlossen z.B. mit der Wendung: Der Hof soll sich nicht nach Höferecht vererben, so kann bei der

 

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Verfügungsfreiheit des Hoferblassers fraglich nur sein, ob nicht dem Anerben oder den Brautschatz-berechtigten wenigstens die Hälfte des nach dem Anerben- oder Brautschatzrechte sich ergebenden Erbteiles belassen werden muß.

   Demgegenüber ist davon auszugehen, daß Anerbe und Brautschatzberechtigter beides Rechtsgestalten sind lediglich des landesgesetzlichen Höferechtes und nicht des BgB.  Gegenüber der Verfügungsfreiheit des Hoferblassers hat daher weder der Anerbe noch der Brautschatzberechtigte irgend welche Ansprüche gegen den Hoferblasser oder dessen gewillkürte Erben auf Grund und noch weniger im Umfange des Anerben- und Brautschatzrechtes. Erbansprüche bestehen dann lediglich auf Grund und im Umfange des Pflichtteilrechtes und der Allgemeinvorschriften des BgB.  Im Rahmen dieser Vorschriften des BgB. bleibt daher die Verfügungsfreiheit des Hoferblassers wie unter Lebenden so auch auf den Todesfall bestehen. Insbesondere steht dem Hoferblasser zu: die Bestimmung des Gegenstandes und des Geltungsbereiches des Höferechtes, die Bestimmung der Art der Vererbung, der Berechnung und Festsetzung der Brautschätze sowie deren Höhe, Art und Zeit der Auszahlung. Als Pflichtteil aus dem Hofgute gilt die Hälfte des gesetzlichen Brautschatzes.

§ 51.

Auslegungsregeln.

   Gibt der Hoferblasser seiner Absicht hinreichend unzweideutig dahin Ausdruck, daß er die Rechtsfolgen des Höferechtes hinsichtlich des Anerben will, so wird man auch den nachgeborenen Kindern brautschatzmäßige Ansprüche zugestehen müssen, soweit sie nicht anderweit etwa durch entsprechende Bevorzugung vor dem Anerben bei Verteilung des Freigutes bevorteilt sind. Mangels dessen wird auch in Beziehung uf das Hofgut das Pflichtteilsrecht des BgB. zu Gunsten der

 

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Brautschatzberechtigten anzuwenden sein, sodaß mangels anderweiter Schadlosstellung den nachgeborenen Kindern wenigstens die Hälfte ihrer gesetzmäßigen Brautschätze zuzusprechen sein wird. Sonach würde insoweit der bisherige höferechtliche Zustand auch für die Zukunft rechtliche Geltung behalten. Umgekehrt würde der Wille des Erblassers auf höferechtliche Vererbung des Hofgutes dann anzunehmen sein, wenn den nachgeborenen Kindern neben dem Anteile aus dem etwaigen Freigute außerdem der Brautschatz vermacht, der Anerbe aber aus dem Freigute oder anderweit nicht entsprechend gleichgestellt ist.
   Da die Auswahl des Anerben dem Erblasser unter seinen Kindern freisteht, haben der älteste Sohn oder die älteste Tochter gegenüber dieser Verfügungsfreiheit des Erblassers einen Anspruch auf den Hof als Anerben nicht. Der Anspruch des vom Gesetze berufenen Anerben trägt danach die Rechtseigenschaft eines Pflichteilsanspruches nicht, sondern nur die einer Erbhoffnung. Im Falle der Einsetzung eines nachgeborenen Kindes zum Anerben wird daher dem ältesten Sohne oder der ältesten Tochter nur ein brautschatzmäßiger Anspruch an dem Hofgute zustehen.
 
 
 







 
 
 

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Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.                   


 

Kapitel III.

Der Anerbe.
 

1. Verordnung, die Erbfolge in die Bauerngüter betr.,
    vom 24.9.1782; 3,25;
2. Artikel 64 Absatz 1 BgB.
 

§ 52.

Vererbung des Freigutes.

   Das Hofgut untersteht bis auf die Unteilbarkeit des Hofes und bis auf das Pflichtteilsrecht des BgB. der freien Verfügungsgewalt des Hoferblassers. Mangels rechtsgültiger Ordnung der bäuerlichen Erbverhältnisse auf den Todesfall des Hoferblassers treten die landesgesetzlichen Bestimmungen der gesetzlichen Erbfolge (Intestaterbfolge) ein.
   Danach vererbt sich das Freigut gesondert von dem Hofgute auf sämtliche, gesetzlich gleichstehende Erben z.B. auf die Kinder des Erblassers nach Kopfteilen, bei sonstigen gesetzlichen Erben nach den ihnen gemäß den näheren Vorschriften des BgB. zustehenden Bruchteilen. Hervorzuheben ist hier, daß als Erben erster Ordnung die Kinder und für bereits verstorbene Kinder nach Stämmen deren etwaige Abkömmlinge, in Ermangelung von Erben erster Ordnung als Erben zweiter Ordnung die Eltern und deren Abkömmlinge,



 
 

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also die Eltern des Erblassers selbst, in deren Ermangelung die Geschwister des Erblassers und bei bereits verstorbenen Geschwisterteilen wieder nach Stämmen deren Abkömmlinge eintreten. Mangels Erben der ersten und zweiten Ordnung treten die etwa noch lebenden Großeltern als Erben ein.
   Neben den Abkömmlingen des Erblassers, also neben den eigenen, mit dem Erblasser gezeugten Kindern oder deren Abkömmlingen (Enkelkindern) erhält der überlebende Ehegatte ein Viertel, neben den Eltern des Erblassers und deren Abkömmlingen sowie neben noch lebenden Großeltern erhält der überlebende Ehegatte die Hälfte der Erbschaft. An Stelle verstorbener Großeltern erbt der überlebende Ehegatte unter Ausschluß aller entfernteren Verwandten des Erblassers allein. Neben Verwandten zweiter Ordnung oder neben Großeltern fallen dem überlebenden Ehegatten außerdem als Voraus zu die zum ehelichen Haushalte gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstückes, hier also eines Hofes sind, sowie die Hochzeitsgeschenke (§§ 1924 ff., 1931 ff. des BgB.)
   Als Freigut ist für das Erbrecht alles Vermögen anzusehen, was die Eltern mit einander oder in fortgesetzter Gütergemeinschaft mit den Kindern erworben haben, soweit es nicht Ergänzung, Ersetzung oder, mit Ausnahme von Liegenschaften, sachgemäße Erweiterung der Hofbestände bildet. Unbewegliches Freigut wird zu Hofgut erst durch einmal darüber gegangenen Sterbfall oder Erbfall, d. i. durch einmalige Vererbung nicht nach Höferecht. Neuerwerbungen (neo acquisita) des Hoferblassers infolge Kauf oder infolge sonstiger Erwerbung mittels Aufwendung von Freigut vererben sich also erstmalig nach dem Rechte des BgB., also nach Kopfteilen ohne Bevorzugung des Anerben, erst mit der zweiten Vererbung auf dem Hofe als Hofgut und nach An-
 

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erbenrecht. Unentgeltlicher Erwerb (Erbschaft, Schenkung) oder Erwerb mittels Aufwendung von Hofgut (Höfeaustausch, Erwerb gegen Belastung des Hofgutes) bildet ohne Weiteres bezüglich der Vererbung wieder Hofgut.

§ 53.

Vererbung des Hofgutes.

   Bezüglich des Hofgutes tritt der Anerbe unter Ausschluß aller sonstigen Verwandten, selbst der Geschwister als Alleinerbe an. Das sämtliche vorhandene Hofvermögen an Haus, Hof, Äckern, Wiesen, Holzungen und sonstigen Liegenschaften sowie an Vorräten, toten oder lebenden Wirtschaftsbeständen einschließlich aller vorhandenen Forderungen und Schulden des Hofes gehen im Verhältnis zu den Miterben als Ganzes auf den Anerben als den Gesamtnachfolger (Universal-successor) und alleinigen Erben des Hofvermögens über. Etwaige Handschein- oder sonstige Gläubiger haben daher die Wahl, sich aus dem Hofvermögen, soweit dies nicht den Hofgläubigern dinglich haftet, zu befriedigen oder aus dem noch ungeteilten freien Familiengute. Wie für den Hoferblasser wird auch für den Nachlassgläubiger zwischen Hofgut und Freigut grundsätzlich nicht unterschieden. Da jedoch die Nachlaßschulden sich in erster Linie auf das Freigut beziehen, werden die Nachlaßgläubiger mangels dinglicher Sicherheit zwecks ihrer Befriedigung wie bisher zunächst an das Freigut zu verweisen sein, soweit es noch ungeteilt vorhanden ist.

   Die neben dem Anerben an sich zu gesetzlicher Erbfolge mitberufenen Angehörigen werden nach besonderen Grundsätzen von dem Hofgute, dem Anerbe, abgefunden, die Geschwister mit den Brautschätzen, Eltern oder Stiefeltern mit der Leibzucht. Etwaige Hofgläubiger können wegen Hofforderungen allein den Anerben in Anspruch nehmen. Gegen die Leibzuchts- und Brautschatz-berechtigten stehen den Gläubigern wegen Hofforderungen keinerlei Ansprüche zu. Nur soweit freies Vermögen zur Vererbung

 

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kommt, sind auch die etwaigen Hofgläubigern haftbar, da zum Nachlaß des Hoferblassers auch das etwaige Freigut gehört und der gesamte Nachlaß für allerlei Art hinterlassener Schulden, auch der Hofschulden haftet. Gegenüber den beim Tode des Hoferblassers vorhandenen Gläubigern (Nachlaßgläubigern) gilt ohne Unterschied sowohl das Hofgut als auch das freie Familiengut als Nachlaß, aus dem sich sämtliche Nachlaßgläubiger unter Vorabhaftung des noch ungeteilten Freigutes befriedigen können, soweit nicht eine Bevorzugung Einzelner von ihnen bereits dinglich gesichert ist. Dahin gehören auch gezahlte oder grundbuchmäßig sichergestellte Brautschätze. Sie sind daher für die Hof- und sonstigen Gläubiger ebenso unantastbar wie der Leibzuchtsanspruch gegenüber später entstandenen Forderungen. Die Vererbung des Hofgutes vollzieht sich nach dem Grundsatze: „der Tote erbt den Lebendigen,“ ohne Zutun des Anerben von selbst.

 

§ 54.

Das Erstgeburtsrecht.
   Mangels entgegenstehender letztwilliger Verfügung kommt nach Anerbenrecht als Anerbe in Betracht in erster Linie der jeweils älteste Sohn, in Ermangelung von Söhnen die jeweils älteste Tochter. Die Kinder einer früheren Ehe gehen dabei denen in einer späteren Ehe des Hoferblassers gezeugten Kinder vor. Mit diesen Vorschriften ist das früher in einzelnen Teilen des Landes bestehende, namentlich auf den um 1780 von Preußen übernommenen Höfen des Amtes Oerlinghausen und Schötmar übliche Letztgeburts-recht beseitigt und ausschließlich das Erstgeburtsrecht allgemein eingeführt.

   Auch das uneheliche Kind wird Anerbe am Hofe seiner Mutter. Hat letztere daneben eheliche Kinder, so schließen diese als Anerben das uneheliche aus. Ist zur Zeit des Hoferblassers der Anerbe unter Hinter-

 

 

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lassung ehelicher Abkömmlinge verstorben, so treten diese Abkömmlinge – unter sich wieder nach Anerbenrechte, - als Erben ein (Repräsentations- oder Eintrittsrecht). Sie gehen also den Geschwistern des verstorbenen Anerben vor. Den ehelichen Kindern stehen die für ehelich erklärten und die durch nachfolgende Ehe legitimierten Kinder gleich. Kinder von Verlobten, unter denen eine Ehe aus irgend einem Grunde nicht zu Stande gekommen ist (Brautkinder), gelten nach dem heutigen Rechte des BgB. entgegen der früheren Auffassung (Meyer S. 373) als unehelich. Ob der Anerbe auf dem Hofgute selbst, auf der Leibzucht oder sonstwo geboren ist, macht bei der Berufung zum Anerben einen Unterschied nicht.

§ 55.

Unfähigkeit des Anerben:
Grunde der Unfähigkeit.

   Das Erstgeburtsrecht greift nicht durch, wenn „der Anerbe zur Hofantretung und Verwaltung an Seele und Körper ganz unfähig ist oder auch sonst Mangel an Einsicht und Willen dazu zeiget“. Als Unterlagen für die Feststellung dieser Unfähigkeit des Anerben müssen heute die allgemeinen Entmündigungsgründe des § 6 des BgB. (Geisteskrankheit, Geistes-schwäche, Verschwendung und Trunksucht) gelten. Genügen muß jedoch auch jeder körperliche oder geistige Mangel, der den Anerben zur Bewirtschaftung des Hofes unfähig macht wie z.B. Lähmung, Blindheit, Taubstummheit und dauernde Kränklichkeit überhaupt. Als unfähig zur Bewirtschaftung des Hofes wird auch derjenige anzusehen sein, der nicht lesen oder schreiben kann.

   In Zweifelsfällen wird der eine oder andere Grund der Unfähigkeit des Anerben zur Hofübernahme nicht ohne Mitwirkung ärztlicher oder landwirtschaftlicher Sachverständiger zu treffen sein. Unter Berücksichtigung

 

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der beruflichen Vorbildung des Anerben werden Art, Grad und Umfang seines körperlichen oder geistigen Gebrechens, Art, Lage, Größe, Bodenverhältnisse, Weitläufigkeit der Ländereien, erleichterte oder erschwerte Bewirtschaftung sowie Reinerträge und Lasten des Hofes für die Sachverständigen leitende Gesichtspunkte sein. Sittenloser Lebenswandel und Bestrafung selbst mit Zuchthaus machen den Anerben zur Hofübernahme bislang nicht unfähig. Die Unfähigkeitsgründe müssen zur Zeit des Hofanfalles vorliegen. Später eintretende Unfähigkeit beeinflußt die Hofantretung nicht mehr.
   Zuständig für die Entscheidung über die Unfähigkeit eines Anerben waren bis zur Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung die Ämter. Mit der Durchführung dieser Trennung zum 1. Oktober 1879 ist es mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung zweifelhaft geworden, ob der Verwaltungsweg oder der Gerichtsweg der rechte ist und ob der eine den andern ausschließt oder nicht.

§ 56.

Fortsetzung:
Zuständigkeit, Verwaltungs- oder Rechtsweg.

Da mit der Beseitigung der gutsherrlichen und Leibeigentumsrechte auch das Mitwirkungsrecht Dritter bei anderweitiger Besetzung eines Hofes beseitigt ist und nunmehr zunächst lediglich nur noch verwandschaftliche, auf dem Familienverbande beruhende Privatrechte bei einer Hofantretung in Frage kommen, würde an sich das gerichtliche Verfahren zulässig sein. Gegenüber den Privatrechten der Familie tritt aber auch heute noch das staatliche Interesse an ordentlicher und ergiebiger Bewirtschaftung des einzelnen Hofes in erheblichem Maße hervor. Die Höfe mit ihren Liegenschaften bilden in ihrer Gesamtheit den bei weitem größten Teil der realen Grundlage des Staates. Auch in rein
 

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persönlicher Beziehung stellt ein körperlich und geistig gesunder, wehrfähiger und wirtschaftskräftiger Bauernstand die festeste und dauerndste Stütze des Staates dar; in letzterer Beziehung um so mehr, als grade der Bauernstand wie jeder Staatsbürger in dem Bestande des Staates und dessen Einrichtungen seinen eigenen Besitz am besten gesichert weiß.

Wie daher der Staat in Erkenntnis der gewaltigen allgemeinen und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Bauernstandes jederzeit seine Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege in besonderem Maße zum Schutze der bäuerlichen Verhältnisse in Bewegung setzt, so hat auch seinerseits wieder der Staat besondere Berücksichtigung für seine auf das Allgemeinwohl gerichteten Bestrebungen zu verlangen. Gehört zu diesen Bestrebungen auch die Sorge des Staates für die Besetzung der Höfe mit gesunden Bewirtschaftern, so wird dieser Zweck im Verwaltungsverfahren, das seine letzten und höchsten Instanzen sämtlich im Lande hat, leichter, schneller, sicherer und weniger kostspielig erreicht werden als im Verfahren der ordentlichen Gerichte, um so mehr, als im Verwaltungsverfahren mehr die Zweck-mäßigkeit entscheiden kann. Mangels ausdrücklicher Übertragung auf die ordentlichen Gerichte wird daher die Entscheidung über die Unfähigkeit eines Anerben Sache der Verwaltungsbehörden sein. Es entscheidet somit nach Anhörung des Verwaltungsamtes zunächst die Regierung, in letzter Instanz das Ministerium. Die Verwaltungsgerichte sind nicht zuständig.
 
 

§ 57.

Anerbenverzicht.

   Hier mag auch die Frage des Verzichtes auf das

 

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Anerbenrecht erörtert werden. Bis zum Hoferbfalle stellt die im Rahmen des Erstgeburtsrechtes festgelegte Anwartschaft des Ältesten auf das Hofgut kein festes individuelles Recht dar, weil der Anerbe jederzeit noch wegfallen kann und insbesondere bis dahin es im Belieben des Hoferblassers steht, wen er als Anerben bestimmen will. Bis zum Hoferbfalle besteht für den Anerben nur eine Erbhoffnung. Ein Anerbenverzicht hat zur weiteren Voraussetzung, daß der Anerbe rechtlich noch nicht Anerbe geworden ist, daß also das Anerbe im Wege Erbganges noch nicht auf ihn übergegangen ist. Denn sonst würde der Anerbe nicht mehr über ein Erbrecht, sondern über ihm zustehende allgemeine Rechte verfügen. Ein Verzicht des Anerben kann weiter nur nach eingetretener Großjährigkeit oder Großjährigkeits-erklärung des Anerben erfolgen, während der Minderjährigkeit nur unter Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters und, da es sich um eine Verfügung über ein Grundstück handelt, zudem auch die Erfordernisse des BgB. über einen Erbverzicht (§§ 2346 bis 2352 BgB.) zu beachten sein werden, nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgericht und mittels gerichtlicher Beurkundung.

§ 58.

Rechtswirkungen des Anerbenverzichts.

   Zweifelhaft wird sein, welche Rechtswirkungen der Anerbenverzicht auf die gesetzlichen Erben des Anerben hat, insbesondere auf dessen Abkömmlinge. Daß der Anerbenverzicht ohne Weiteres auch für die minderjährigen, noch unter der elterlichen Gewalt des Anerben stehenden Abkömmlinge rechtsverbindlich sein kann, liegt in der Befugnis des Anerben zu deren gesetzlicher Vertretung. In wieweit im einzelnen Falle der Anerbe
 

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zugleich für seine sämtlichen Abkömmlinge oder zu Gunsten welcher Dritter verzichten will, muß hinreichend unzweideutig zum Ausdruck kommen. Widrigenfalls wird mit den Auslegungsregeln des BgB. (§§ 2349, 2350) anzunehmen sein, daß der Verzicht für seine sämtlichen Abkömmlinge und zu Gunsten lediglich der anderen Abkömmlinge des Hoferblassers und dessen Ehegatten gelten soll. Der Anerbenverzicht zu Gunsten eines Dritten ist im Zweifel rechtswirksam nur, wenn der Dritte der Anerbe wird.

Rechtsverbindlichkeit zu Lasten des Hoferblassers erhält der Anerbenverzicht nur, wenn dieser dem Erbverzichte zugestimmt und zu Gunsten des Dritten ebenfalls in rechtsgültiger Form gerichtlicher Beurkundung sich gebunden hat. Mangels Beitrittes des Hoferblassers handelt es sich bei dem Anerbenverzichte stets nur um einen Verzicht auf eine Erbhoffnung, die jederzeit wieder zu Schanden werden kann. Dem Erbverzichte steht im Erfolge die Ausschlagung des Anerbes nahe. Bei der Ausschlagung handelt es sich um den absichtlichen Nichterwerb des an sich bereits angefallenen Anerbenrechtes. Während der Anerbenverzicht die Ausschlagung erst zukünftig möglichen Erbanfalles bedeutet, wird mit der Ausschlagung des Anerbes auf eine dem Anerben bereits zugefallene Hoferbschaft verzichtet.
Im Falle eines Anerbenverzichtes oder der Ausschlagung des Anerbes tritt mangels entgegenstehender rechtsgültiger Bestimmung des Hoferblassers oder des Anerben Vererbung nach den höferechtlichen Vorschriften und in deren Ermangelung nach den Vorschriften des BgB. ein.
 

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Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.                              





 

Kapitel IV.

Der Brautschatz.
 

1. Landespolizeiordnung von 1620, Titel 7, §§ 2 und
    3; 1.364;
2. Verordnung wegen der Eheverschreibungen der
    Bauersleute vom 5.4.1702 und 12.12.1769; 1.721
    und 2.350;
3. Gesetz über die Brautschätze von Kolonaten vom
    26.4.1864; 13.552;
4. Gesetz über die Brautschätze von Kolonaten vom
    8.7.1886; 19.513.

 

§ 59.

Frühere Grundsätze.

   Der Brautschatz bedeutet die Abfindung der nachgeborenen Kinder, der Geschwister des Anerben, vom Hofgute.
   Nach dem älteren Rechte der Polizeiordnung von 1620 bestehen die Brautschätze teils in Barbeträgen, teils in Naturalien, den Erzeugnissen des Hofes an Vieh, Korn und sonstigen Mitgaben. Baarbeträge und Viehzahl sind nach oben beschränkt. So soll ein Vollspänner an Pferden, Kühen und sonstigen Viehstücken nicht über 5 Teile, an Geld nicht über 100 Taler, ein Halbspänner nicht über 4 Teile und 80
 

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Taler, ein Großkötter nicht über 2 Teile und 50 Taler als Brautschatz einem Kinde mitgeben. Später werden die Brautschätze bei reichlicherem Freigute und geringerer Belastung des Hofes nach der Leistungsfähigkeit des Hofes erhöht. Immer aber sollte für den Umfang der Mitgaben an Korn, Vieh, Geld und sonstigen Wertstücken die Leistungsfähigkeit des Hofes den Maßstab bilden. Wie dem Anerben der Hof, wird den nachgeborenen Kindern der Brautschatz am Amte, ursprünglich unter Zuziehung der Guts- und Leibherren verschrieben.
   Eine Neuordnung der Brautschätze erfolgt erst 1864. hier wird bereits eine scharfe Unterscheidung zwischen der Vererbung des freien Familiengutes und der brautschatzmäßigen Abfindung der nachge-borenen Kinder vom Hofgut gemacht, auch zuerst die Brautschatzkommission eingeführt. Unter Beseitigung der früheren Naturalleistungen an Brautwagen, Vieh und Korn werden die Brautschätze nach der Höhe des Hofreinertrages nur noch nach baarem Gelde festgesetzt. Es wird bei einem Reinertrage

                bis zu 20   Talern das Doppelte,
                bis zu 80        „       „   Dreifache,
                bis zu 200      „       „   Vierfache,
                bis zu 400      „       „    Fünffache

und bei höherem Reinertrage das Sechsfache dieses Reinertrages als Brautschatz gewährt. Höfe und deren Zubehörungen (Bestandteile) gelten nur so lange als neue Erwerbungen (neo acquisita) und damit als freivererbliches Familiengut, als nicht eine erstmalige Vererbung unter Ausschluß von Anerben- und Brautschatzrechtnach gemeinem Recht, also unter Kindern im Zweifel nach Kopfteilen, stattgefunden hat. Das letztwillige Verfügungsrecht der Eltern ist zu Gunsten der Brautschatzberechtigten an eine Mindestgrenze, zu Gunsten des Anerben an eine Höchstgrenze gebunden.
 

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Der Anerbe soll sich bei fleißiger Bewirtschaftung des Hofes stets in dessen Besitze erhalten können.

   Die letzte, landesgesetzliche Regelung des Brautschatzrechtes von 1886 fußt auf dem Brautschatzgesetze von 1864 und behält im Allgemeinen dessen Grundsätze bei, namentlich ein beschränktes, letztwilliges Verfügungsrecht der Eltern, eine Mindest- und Höchstgrenze der Brautschätze sowie die Einrichtung der Brautschatzkommission. Unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen steuerrechtlichen Änderung von 1877 und der katasterlichen Unterscheidung zwischen dem Reinertrage der Grundstücke mit Ausschluß der Gebäude selbst nach deren Nutzungswerte (Mietwert) ist abweichend in der Hauptsache nur die Höhe und die Art der Berechnung der Brautschätze geregelt.

§ 60.

Die Berechnung der Brautschätze.

   Mangels an entgegenstehender Bestimmungen des Hoferblassers oder Einigung der Beteiligten bemißt sich der Brautschatz nach dem Grundsteuer-reinertrage und dem Gebäudenutzungswerte des Hofes. Denn Grundstücke und Gebäude bilden die beiden Hauptbestandteile des Hofgutes. Der Brautschatz beträgt bei dem Vorhandensein von ein oder zwei Kindern neben dem Anerben das Dreifache, bei mehr als zwei Kindern neben dem Anerben das Zweifache der Summe des Grundsteuerreinertrages und des Gebäudenutzungs-wertes des Hofes.

   Der Reinertrag der Hofgrundstücke und der Nutzungswert der Hofgebäude bestimmt sich nach den jeweiligen Eintragungen in der Grundsteuer-mutterrolle und der Gebäudesteuerrolle. Es wird jedoch der Gegenseite der Beweis der Unrichtigkeit dieser Eintragungen nachzulassen sein. Bei Grundstücken oder Gebäuden
 

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eines Hofes, die wegen ihrer Lage in einem Nachbarstaate katastriert sind, gelten die dortigen Eintragungen. In Ermangelung einer Katastration und gütlicher Einigung der Beteiligten sind Reinerträge und Gebäudenutzungswerte für den einzelnen Fall zu ermitteln.
   Die so bestimmte Brautschatzsumme umfasst die gesamte Aussteuer eines Kindes vom Hofgute. Brautwagen, Vieh und andere Naturalien werden daneben entgegen früheren gesetzlichen Bestimmungen oder Gewohnheiten nicht mehr geschuldet. Dahin wird auch die einer Tochter im Falle ihrer Verheiratung nach § 1620 BgB. zustehende Aussteuer zur Einrichtung ihres Haushaltes zu rechnen sein, wenn der Brautschatz ausbezahlt wird. Der dem einen Kinde gewährte Brautschatz steht billig auch den später abgesteuerten Kindern zu ohne Rücksicht auf nachträglichen Verfall oder nachträgliche Wertminderung des Hofes. Im Falle der Vereinigung mehrerer Höfe steht der Brautschatz von jedem Hofe zu, auch dem Anerben des einen Hofes in Bezug auf den andern.
   Von dem Hoferblasser neu erworbene Grundstücke vererben sich, auch wenn sie im Grundbuche dem Hofe zugeschrieben sind, erstmalig nach dem Rechte des BgB.  Als Neuerwerbungen gelten aber nur solche Grundstücke, welche mit den Mitteln des Freiguts erworben sind, sodaß also eine entsprechende Verringerung des Freigutes stattgefunden hat. Soweit eine Verringerung des Freigutes nicht stattgefunden hat, wie z.B. bei Austausch gleichwertiger Hofgrundstücke, bei geschenkten Höfen oder Hofteilen, geht über sie nur der Brautschatz. Erst durch einmalige Vererbung der Neuerwerbungen nach dem Rechte des BgB. erlangen sie auch für das Erbrecht die Eigenschaft von Hofgut. Bis dahin sind Reinertrag oder Mietwert von solchen Grundstücken bei Berechnung der Brautschätze nicht zu berücksichtigen.
 

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§ 61.

Die Brautschatzberechtigten.

   Anspruch auf den Brautschatz haben die voll- und halbbürtigen ehelichen Geschwister des Anerben und die den ehelichen gleichgestellten Kinder, welche vor oder während der Meierzeit ihrer Eltern oder Elternteile geboren sind. Das Gleiche gilt von  unehelichen Kindern, welche von der Anerbin oder während der Meierzeit ihrer Mutter geboren sind. Den erst nach der Hofabtretung auf der Leibzucht geborenen Kindern steht dagegen der Brautschatz nicht zu. Kommen bereits abgefundene Kinder nachträglich im Wege Erbganges in den Besitz des Hofes, so sind sie zur Rückerstattung des Brautschatzes zum freien Vermögen verpflichtet. Lebt kein Elternteil mehr, so geht der zurückzuerstattende Brautschatz unter die sämtlichen Geschwister nach Kopf- bzw. Stammteilen. Bei Verminderung der Kinderzahl auf zwei oder eins neben dem neuer Anerben erhöht sich jedenfalls deren Brautschatz auf das dreifache des Grundsteuerreinertrages und des Gebäudenutzungswertes. Unter allen Umständen wird aber eine angemessene Erhöhung durch Angehung der Brautschatzkommission herbeigeführt werden können. Zur Erleichterung elterlicher Verfügungen über die Brautschätze können übrigens bei geringen Vermögensverhältnissen die Kosten auf die Hälfte ermäßigt werden, wenn sich die Errichtung der Verfügung in der Wohnung der Beteiligten (an Ort und Stelle) notwendig macht.


 

§ 62.

Fälligkeit der Brautschätze.

   Die Brautschätze werden bei der Hochzeit fällig. Für ihre Meierzeit können jedoch leibliche Eltern oder auch der überlebende Elternteil im Witwenstande Zeit und Art der Auszahlung eines Brautschatzes auch über
 

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den Tag der Verheiratung hinaus bestimmen. In diesem Falle wird der Brautschatz mit der Hofabtretung, spätestens mit dem Ableben des überlebenden Elternteiles fällig. Mangels vorhandener leiblicher Eltern oder Elternteile im Meierstande kann ein Brautschatzberechtigter auch im Falle seiner Nichtverheiratung mit vollendetem 25. Lebensjahre nach halbjährlicher Kündigung die Auszahlung des Brautschatzes fordern. Vom Tage der Fälligkeit ab sind auch 4% Zinsen anforderbar. Bis zur Auszahlung hat der Brautschatzberechtigte auf dem Hofe gegen Verrichtung vorfallender Arbeiten Anspruch auf standesgemäßen Unterhalt in Nahrung, Kleidung, Wohnung und Erziehung. Mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit oder Kündbarkeit des Brautschatzes wird er auch vererblich und wie eine gewöhnliche Forderung übertragbar.
   In Bezug auf das Hofgut ist der Brautschatz als der gesetzliche Erbteil des Brautschatzberechtigten anzusehen. Im Verhältnis zum Anerben und zu seinen ebenfalls brautschatzmäßig abzufindenden Geschwistern kann daher der Berechtigte mittels gerichtlicher Beurkundung über den Brautschatz sogar schon vor dessen Kündbarkeit verfügen (§ 312 BgB.). Schuldner der Brautschätze ist der Anerbe. Mit dessen Hofübernahme kann die Sicherstellung des Brautschatzes mittels Eintragung in das Grundbuch verlangt werden. Dasselbe geschieht bei Eintritt einer Interimswirtschaft. Ein Anspruch etwaiger Gläubiger des Brautschatzberechtigten auf Sicherstellung mittels Eintragung eines Pfandvermerkes auf dem Grundbuchblatte des brautschatzpflichtigen Hofes oder eine sonstige Verpfändung des Brautschatzes ist vor dessen Kündbarkeit nach Aufhebung der Güterordnung von 1786 (§ 18) ausgeschlossen.

§ 63.

Erhöhung und Herabsetzung der Brautschätze.

   Die Bestimmung der Höhe der Brautschatzbeträge
 

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mittels Verdoppelung bezw. Verdreifachung des Grundsteuerreinertrages und Mietwertes der Gebäude würde etwas rein Schematisches sein und den in Betracht kommenden Verhältnissen häufig nicht gerecht werden. Bei dieser Art der Brautschatzberechnung wird die größere oder geringere Zahl der mittels Brautschatz vom Hofe abzubringenden Kinder nur an einer Stelle, der gute oder schlechte Zustand des Hofes in Gebäuden, Beständen und Grundstücken sowie die leichte oder schwere Belastung des Hofes namentlich infolge eingetragener Schulden und Leibzuchtsrechten überhaupt nicht berücksichtigt. Um etwaigen Härten in dieser Richtung abzuhelfen, können die gesetzlichen Brautschätze zu Gunsten des Anerben auf die Hälfte herabgesetzt werden, zu Gunsten der Brautschatzberechtigten auf das Vierfache und bei erheblicher Verbesserung der Vermögensverhältnisse infolge vormundschaftlicher Hofverwaltung auf das Sechsfache erhöht werden. Die Herabsetzung erfolgt auf Antrag des Anerben, die Erhöhung auf Antrag eines Brautschatzberechtigten.

§ 64.

Die Brautschatzkommission.

   Die Herabsetzung oder Erhöhung der Brautschätze erfolgt durch eine Kommission von drei Mitgliedern (Brautschatzkommission). Zum Zwecke der Bildung dieser Brautschatzkommission stellt das Verwaltungs-amt für jeden Einzelfall sieben Schiedsrichter aus der Zahl der sechsjährlich vom Amtsgemeinderate zu wählenden, vom Verwaltungsamte ein für alle Male durch Handschlag an Eidesstatt zu unparteiischer und gewissenhafter Ausführung ihres Amtes zu verpflichtenden zwölf Grundbesitzer auf.

   Jede Amtsgemeinde bildet eine besondere Braut-schatzkommission. Für die Stadtbezirke Lemgo und

 

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Schwalenberg sind die Kommissionen der Ämter Brake bezw. Schwalenberg zuständig. Für die übrigen Stadtbezirke bestimmt von Fall zu Fall die Regierung eine der angrenzenden Amtsgemeinden, welche die Brautschatzkommission stellen soll.
   Das weitere Verfahren liegt in der Hand des für den Hof zuständigen Amtsgerichts. Jeder Streitteil kann sich von den sieben Schiedsrichtern vor dem Amtsgerichte schriftlich oder mündlich zwei verbitten. Mangels Ausübung dieses Verbittungsrechtes erfolgt die Auswahl der drei Schiedsrichter durch das Amtsgericht. Die Brautschatzkommission prüft und erwägt pflichtmäßig und gewissenhaft alle in Betracht kommenden Umstände, insbesondere die Zahl der Brautschatzberechtigten, die Zeit der Brautschatz-zahlungen, den Zustand des Hofes namentlich bezüglich der Gebäude, der Bestände und des Bodens, die Höhe und Art der Belastungen aller Art, insbesondere der Eintragungen in der zweiten und dritten Abteilung des Grundbuches sowie alle Verhältnisse, welche die Leistungsfähigkeit des Hofes mehren oder mindern. Immer soll der Anerbe im Stande bleiben, sich bei fleißiger Bewirtschaftung des Hofes in dessen Besitze zu erhalten. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Übernahmewert eines Hofes nur auf das 25fache des Reinertrages gesetzlich festgelegt ist. Der Spruch der Brautschatzkommission ist unanfechtbar.
 
 
 
 


 
 

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In den Ozean segelt mit tausend Masten der Jüngling,
Still, auf gerettetem Boot, kehrt in den Hafen der Greis.










 

Kapitel V.

Der Überlebende.



 

§ 65.

Allgemeine Grundsätze.

   Für die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten in Beziehung auf das Hofgut sind in erster Linie etwaige letztwillige Bestimmungen des verstorbenen Ehegatten entscheidend, ohne Unterschied, ob diese in einer einseitigen Verfügung des Hoferblassers (Testament) oder in gemeinsamer Verfügung der Ehegatten (Erbvertrag, gemeinsames Testament) sich finden, wenn sie nach Form und Inhalt nur rechtsgültig sind.* Mangels letztwilliger Bestimmun-gen (gewillkürte oder Testat-Erbfolge) entscheiden die in Kraft gebliebenen Vor-
*) Anm. (Bei der gossen Bedeutung letztwilliger Verfügungen für sämtliche Hinterbliebene sind zwecks Erleichterung ihrer privaten Errichtung im Anhange S. 115-125 Muster eines privatschriftlichen einseitigen und eines privatschriftlichen gemeinsamen Testamentes der Eheleute sowie eines Dorftestamentes beigefügt. – Ein Erbvertrag kann nur vor Gericht bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile, also nicht privatschriftlich errichtet werden).
 

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schriften des Höferechtes und in deren Ermangelung die Vorschriften des BgB. (gesetzliche oder Intestaterbfolge).
   Bei dieser gesetzlichen Erbfolge ist in erster Linie maßgebend der Güterstand, in welchem die Eheleute gelebt haben. Vorweg hervorzuheben ist jedoch, daß, soweit in Beziehung auf das Hofgut Gütergemeinschaft unter den Eheleuten nicht bestanden hat, eine Hoferbfolge überhaupt nicht eintritt, wenn der Hof von dem überlebenden Ehegatten mit in die Ehe gebracht ist. Eine gesetzliche Vererbung kann daher nur eintreten, wenn der Hof ausschließlich dem verstorbenen Ehegatten gehört oder dieser wenigstens Anteil an dem Hofgute kraft Gütergemeinschaft gehabt hat. Hervorzuheben ist weiter, daß der Überlebende neben Abkömmlingen, Eltern oder Großeltern des Erblassers anteilig, neben entfernteren Verwandten, namentlich auch schon an Stelle von Abkömmlingen verstorbener Großeltern allein erbt.

§ 66.

Rechtsstellung
nach der Güterordnung von 1786.

   Bei der gesetzlichen Erbfolge richtet sich die Rechtsstellung des Überlebenden, dessen Ehe vor dem 1. Jan. 1900 geschlossen war, auch weiterhin nach der Güterordnung von 1786, soweit nicht nachträglich ein anderer Güterstand vereinbart ist. Der Überlebende bleibt also hier in Besitz, Verwaltung, Nutzung und Eigentum des Hofes, im Falle kinderloser (unbeerbter) Ehe sogar unter Ausschluß sämtlicher Verwandten des Verstorbenen auch dann, wenn der Hof von dem Verstorbenen mit in die Ehe gebracht war. Im Falle beerbter Ehe setzt der Überlebende mit den Kindern die Güter-gemeinschaft fort. Kraft des ungeteilten Miteigentums der Kinder am Hofgute kann der Überle-
 

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bende wohl Verwaltungshandlungen, nicht aber auch außer zum Besten der ganzen Familie beliebige Verfügungshandlungen vornehmen, namentlich ohne Zustimmung der Kinder nicht letztwillig verfügen. Während die Kinder einen Anspruch nur auf Unterhalt und Erziehung, nicht auch auf Aufhebung oder Teilung der Gemeinschaft haben, steht dem Überlebenden die Aufhebung der Gemeinschaft (Schichtung) jederzeit frei.

   Schichtung muß erfolgen für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden, der dann ein Recht auf Übernahme des Hofes hat, sofern er die Kinder über den Umfang der ihnen zufallenden Schichtteile hinaus durch Auszahlung oder durch hinreichende Sicherstellung abfindet. Dies Übernahmerecht steht aber nur dem Vater Zeit seines Lebens zu und nur unbeschadet der Rechte des Anerben. Verheiratet sich die leibliche Mutter wieder, so verliert sie das Eigentum am Hofe zu Gunsten des Anerben. Desgleichen, da gemäß Art. 200 E. BgB. nur die erbrechtlichen, nicht auch die familien-rechtlichen Wirkungen des früheren Rechtszustandes noch nach dem 1.Januar 1900 bestehen geblieben sind, mit der elterlichen Gewalt über den Anerben auch Besitz, Verwaltung und Nutzung am Hofe des Anerben, soweit ihr mit ihrem neuen Manne nicht etwa Meierjahre verschrieben sind.

 

§ 67.

Rechtsstellung bei Verwaltungsgemeinschaft und Gütertrennung.

   Von den Güterständen des BgB. können bei der gesetzlichen Hoferbfolge die Fahrnisgemeinschaft (§ 1549 ff. BgB.) außer Betracht bleiben, da der Hof Fahrnis (bewegliches Gut) nicht darstellt und die Errungenschaftsgemeinschaft (§§ 1519 ff. BgB.) mittels Aufwendung von Freigut erworben, nach geltendem lippischen Rechte in der-

 

 

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selben Familie erstmalig nach den Vorschriften des BgB. sich vererben muß, bevor er wieder die erbrechtliche Eigenschaft von Hofgut annehmen kann. Zu betrachten bleibt danach für die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten von den Güterständen des BgB. insbesondere auch dann, wenn der Hof bei bestehender Fahrnis- oder Erungeschaftsgemeinschaft mittels  Aufwendung von Hofgut neu erworben ist, nur die Verwaltungsgemeinschaft, die Gütergemein-schaft und die Gütertrennung des BgB.

   Da nicht nur bei der Gütertrennung, sondern auch bei der Verwaltungsgemeinschaft ein etwa zum Hofgute gehöriger Hof dem Eigentume nach nur einem der Ehegatten zustehen kann und bei dem Höfeerbrecht lediglich das Eigentum am Hofe entscheidend ist, so stehen diese beiden Güterstände in Bezug auf die Vererbung eines etwa nachgelassenen Hofes sich gleich. Bei beiden Güterständen würde dem überlebenden Ehegatten, wenn der Hof teilbar wäre, neben Abkömmlingen des Hoferblassers ein Viertel, neben Eltern des Hoferblassers und deren Abkömmlingen oder Großeltern die Hälfte des Hofes zustehen.

Wäre einer der vier Großelternteile mit oder ohne Hinterlassung anteilberechtigter Abkömmlinge bereits verstorben, so würde dem überlebenden Ehegatten auch deren Anteil an der zweiten Hälfte zustehen.. In diesem Falle würde er, da jeder Großelternteil ¼ von der zweiten Hälfte bekommt, im Ganzen (1/2 u. ½ · ¼ = 5/8) Fünfachtel des Hofes außer dem Voraus erhalten.

§ 68.

Erbrecht bei Verlwaltungsgemeinschaft
und Gütertrennung.

Auf Grund der Unteilbarkeit des Hofes kann es sich bei dieser Güterständen nur darum handeln, in welcher Weise die Auseinandersetzung der Beteiligten stattfinden d.h. wer von ihnen den Hof haben und wer in anderer Weise vom Hofe abgefunden werden soll.
 

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   Bei beerbter Ehe fällt das Hofgut dem Anerben zu. Bis zu dessen Großjährigkeit behält hier aber der Überlebende kraft elterlicher Gewalt die Verwaltung und Nutznießung am Hofgute. Mit Erlangung der Großjährigkeit – Vollendung des 21. Lebensjahres – übernimmt mangels anderweiter Einigung der Beteiligten der Anerbe selbst das Hofgut, während der Überlebende mit den nachgeborenen Kindern die Leibzucht bezieht.

   Bei unbeerbter Ehe steht dem Überlebenden kraft Höferechtes ebenfalls stets die Leibzucht zu. Da den Eltern und deren Abkömmlingen sowie den Großeltern des Hoferblassers neben dessen überlebendem Ehegatten ein Erbrecht lediglich auf Grund des BgB. gegen den Hoferblasser zusteht, so wird der Überlebende, wie er von dem nachgelassenen Freigute des Hoferblassers seine gesetzliche Hälfte erhält, statt der Leibzucht auf Grund des ihn hier günstiger stellenden BgB. seine gesetzliche Hälfte auch von dem Hofgute verlangen können. Da dem überlebenden Ehegatten bei den Güterständen der Verwaltungsgemeinschaft und der Gütertrennung ein Übernahmerecht am Hofe gegen dessen Wertersetzung nach §§ 1502 BgB. nicht zusteht, so wird hier mangels Einigung der Erbbeteiligten – nötigenfalls im Wege öffentlicher Versteigerung, bei welcher alle Beteiligten mitbieten können – eine Versilberung des Hofgutes und danach anteilige Verteilung des Erlöses erfolgen müssen.

   Bei den Güterständen der Verwaltungsgemeinschaft und der Gütertrennung würde bei unbeerbter Ehe dem Überlebenden also ein Wahlrecht zwischen der Leibzucht des Höferechtes und dem gesetzlichen Erbrechte des BgB. zustehen. Im Fall der Wahl der Leibzucht ist der Überlebende stets der nächste Erbe des Hoferblassers, da die Leibzucht in vollem Umfange

 

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den Anteilen der gesetzlichen Erben vorgeht. Bei der Wahl der Leibzucht wird der Überlebende sich dann besser stehen, wenn der Hof hoch belastet ist, da im Falle der Erbfolge nach BgB. ihm neben etwaigen anderweiten Erben nur sein gesetzlicher Anteil an dem aus der Versilberung des Hofes erzielten Überschusse zustehen würde.

§ 69.

Rechtsstellung bei der Gütergemeinschaft des BgB.

   Bei der Gütergemeinschaft des BgB. findet bei unbeerbter Ehe mit dem Ableben des Hoferblassers zunächst eine Auseinandersetzung über das den Ehegatten gemeinschaftliche Gut (Gesamtgut) statt. Auf Grund der Gemeinschaft fällt hier dem Überlebenden zunächst die eine Hälfte des Reinüberschusses am Hofgute als sein Anteil zu. Von der anderen Hälfte, die nun den Nachlaß des Verstorbenen bildet, erhält er wieder die Hälfte als gesetzlichen Erbteil, im Ganzen also ( ½ u. [½ · ½·=] ¼ = ¾) Dreiviertel des ganzen gemeinschaftlichen Vermögens. Außerdem stehen ihm als Voraus die Hochzeitsgeschenke und die nicht Zubehörstücke des Hofes bildenden Gegenstände des ehelichen Haushaltes als gesetzliche Erbstücke zu. Nur die Hälfte des Nachlasses des Erblassers oder nach Abzug des Voraus ein Viertel des ganzen gemein-schaftlichen Vermögens steht den übrigen Erben des Hoferblassers zu. Da bei der Gütergemeinschaft des BgB. dem Überlebenden ein allgemeines Übernahmerecht bezüglich des Gesamtgutes gegen dessen Wertersetzung zusteht (§  1502 BgB.), kann der Überlebende hier ohne Schwierigkeit sich im Besitze des Hofes erhalten, falls der Hof nicht zu tief verschuldet oder aber zur Begleichung der Schulden eheliches Freigut oder Sonder-
 

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gut des Überlebenden (Vorbehaltsgut) hinreichend vorhanden ist.

   Bei beerbter Ehe setzt der Überlebende die Gütergemeinschaft mit den Kindern fort. Er hat hier die rechtliche Stellung des Mannes, die Kinder haben die rechtliche Stellung der Frau.

§ 70.

Die Auseinandersetzung bei der Gütergemeinschaft des BgB.

   Die Fortsetzung der Gütergemeinschaft des BgB. kann der Überlebende jederzeit ohne Angabe von Gründen durch Erklärung gegenüber dem Amtsgerichte ablehnen. Die Kinder können nur aus den gesetzlich festgelegten Gründen (§ 1495 BgB.) auf Aufhebung der Gemeinschaft klagen. Im Falle der Aufhebung findet dann eine Auseinandersetzung über das gemeinschaftliche Vermögen mit den Kindern nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 1474 ff. BgB.) statt.

   Aufhebung der Gemeinschaft und Auseinander-setzung erfolgten mangels Einigung der Beteiligten im Falle der Wiederverheiratung des Überlebenden, wenn Kinder oder anteilsberechtigte Abkömmlinge von solchen vorhanden sind. Bei Minderjährigkeit von Kindern erfolgt die Auseinandersetzung unter Mitwirkung des Amtsgerichts (§1493 BgB.). Bei der Auseinandersetzung steht dem Überlebenden auch hier ein Übernahmerecht bezüglich des Gesamtgutes oder einzelner Gegenstände desselben, also auch eines etwa zum Gesamtgute gehörigen Hofes gegen Wertersetzung zu.

   Nach der Auseinandersetzung behält der sich wiederverheiratende Vater an dem Vermögen der minderjährigen Kinder Verwaltung und Nutznießung kraft elterlicher Gewalt. Infolge ihrer Wiederver-heiratung verliert die Mutter mit der elterlichen Gewalt auch

 

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Verwaltung und Nutznießung an dem Kindesvermögen zu Händen der zu errichtenden Vormundschaft. Mangels Übernahme des Hofes wir der Überlebende auch hier spätestens mit dem Ablauf etwa verschriebener Meierjahre auf die Leibzucht zu weichen schuldig sein.

 
 
 

























 
 
 
 

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Des Lebens Müh lehrt uns des Lebens Güter schätzen.













 

Kapitel VI.

Die Interimswirtschaft.



 

     1. Landespolizeiordnung von 1620, Titel 10, § 3;          7, § 4; 1.364; 366.
     2. Art. 64, Abs. 1 E. BgB.
     3. Führer, S. 212 ff.
     4. Meyer, S. 430 ff.




 

§ 71.

Eintritt der Interimswirtschaft.

   Im Falle ihrer Wiederverheiratung kann der überlebenden Mutter und deren neuem Ehemanne bei Minderjährigkeit des Anerben der Hof weiter zu Besitz, Verwaltung und Nutzung übertragen werden, während das Eigentum am Hofe dem Anerben verbleibt. Es ist dies der gewöhnliche Fall der sog. Interimswirtschaft.
   Ist die überlebende Mutter Alleineigentümerin des Hofes oder wenigstens zu dessen Übernahme kraft Gütergemeinschaft oder auf Grund letztwilliger Bestimmung des Hoferblassers berechtigt und mit Rücksicht auf die etwa erforderlichen Geldmittel im Stande, so steht ihr spätestens mit der Übernahme des Hofes ein unbeschränktes Verfügungsrecht unter Lebenden wie auf den Todesfall am Hofe zu. Sie kann sich also auch ohne
 

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Rücksicht auf ihre etwaigen Kinder oder den Anerben beliebig wieder verheiraten und mit dem neuen Ehemanne einen beliebigen Güterstand und beliebige Erbfolge vereinbaren, soweit sie sich nicht etwa letztwillig oder sonst wie schon dem verstorbenen Ehegatten gegenüber gebunden hat.
   Steht dagegen das Eigentum am Hofe nicht der überlebenden Mutter, sondern dem Anerben zu, so ist sie zu Besitz, Verwaltung und Nutznießung des Anerbenhofgutes nur kraft elterlicher Gewalt, also bis zur Großjährigkeit des Anerben berechtigt, im Falle ihrer Wiederverheiratung nur bis zu letzterem Zeitpunkte. Von da ab wird der Anerbe vermögens-rechtlich, also in Beziehung auf Eigentum, Besitz, Verwaltung und Nutznießung auch am Hofgute durch die zu errichtende Vormundschaft vertreten. Der überlebenden Mutter würde an sich nur die Leibzucht zustehen, während das Hofgut – bis zu dessen Übernahme durch den Anerben – anderweit genutzt, z.B. verpachtet werden müßte.
   Steht dagegen das Eigentum am Hofe nicht der überlebenden Mutter, sondern dem Anerben zu, so ist sie zu Besitz, Verwaltung und Nutznießung des Anerbenhofgutes nur kraft elterlicher Gewalt, also bis zur Großjährigkeit des Anerben berechtigt, im Falle ihrer Wiederverheiratung nur bis zu letzterem Zeitpunkte. Von da ab wird der Anerbe vermögensrechtlich, also in Beziehung auf Eigentum, Besitz, Verwaltung und Nutznießung auch am Hofgute durch die zu errichtende Vormundschaft vertreten. Der überlebenden Mutter würde an sich nur die Leibzucht zustehen, während das Hofgut – bis zu dessen Übernahme durch den Anerben – anderweit genutzt, z.B. verpachtet werden müßte.
Mit einer Verpachtung oder anderweiten Überlassung des Hofes zu Besitz, Verwaltung und Nutznießung gegen Entgelt würden vielfach die Interessen des Hofes selbst nicht hinreichend gewahrt sein. Häufig könnte es auch an geeigneten Bewerbern fehlen. Auch der – im Regelfalle mit Kindern – auf der Leibzucht sitzenden Mutter und deren etwaigem neuen Ehemanne würde nach Bildung, Beruf und allgemeiner Lebenstätigkeit sowie – durch das nur auf dem Hofe selbst zu gewährende Leibzuchtswohnrecht – örtlich gebunden, eine dauernde und ergiebige Erwerbsbetätigung häufig nicht möglich sein. So ist, um das Interesse der ganzen Familie, insbesondere auch das des Anerben bestens zu wahren, seit Alters zu der Einsetzung eines Interims- oder Malwirts gegriffen in
 

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der Person des neuen Ehegatten der überlebenden leiblichen Mutter. Es steht aber rechtlich nichts im Wege, im Falle des Ablebens der leiblichen Mutter des Anerben den überlebenden Stiefvater und dessen etwaige weitere Ehefrau (beide Stiefeltern des Anerben) als Interimswirte einzusetzen.
 

§ 72.

Die Mal- oder Meierjahre.

   Der Interimswirt oder, wie dies Gebilde des Höferechts sich ebenso treffend zu altdeutsch bezeichnen läßt, der Malwirt* soll nach des Wortes eigenster Bedeutung nur zwischenzeitlich (interim) bestellt werden, nämlich regelmäßig nur bis zur Großjährigkeit des Anerben. Häufig wird aber der Anerbe, namentlich seitdem das Großjährigkeitsalter von 25 auf 21 Jahre reichsgesetzlich herabgesetzt ist, nur noch wenig Jahre von der Großjährigkeit entfernt sein und sich dann für die kurze Zeit nicht immer leicht ein geeigneter Interimswirt finden. In solchen Fällen kann der Hof auch auf Jahre über die Großjährigkeit des Anerben hinaus überlassen werden. Dies gilt auch für überlebende Stiefväter oder Stiefmütter des Anerben. Das dreißigste Lebensjahr des Anerben wird aber als äußerste Grenze für die Dauer der Interimswirtschaft angesehen werden müssen.

   Die Interimswirtschaft ist gesetzlich nicht ausdrücklich festgelegt. Sie wird daher ausschließlich durch Vertrag begründet. Der Vertrag bedarf zu seiner Rechtsgültigkeit der gerichtlichen Beurkundung und der

*) Anm. (vlg. Meyer S. 26, 106, 335, 351, 430, 446; Mal oder Thing bedeutet altdeutsche Gerichtsstätte, an welcher ursprünglich vor der Volksgemeinde derartige Verträge allein getätigt wurden).

 

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Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Als Vertragsteile kommen in Betracht die Vormundschaft als gesetzliche Vertretung des Anerben und die Interimswirte. Die Tätigung des Vertrages wird als Verschreibung der Mal- oder Meierjahre bezeichnet. In dem Vertrage selbst werden die einzelnen Rechte und Pflichten der Interimswirte tunlichst genau festgelegt. Insbesondere wird die Dauer der Interimszeit oder die Zahl der Maljahre bestimmt, da mangels dessen die Maljahre mit der Großjährigkeit des Anerben enden. Zu größerer Sicherheit wird die Interimswirtschaft auch in der zweiten Abteilung des Grundbuches vermerkt werden können.

§ 73.

Die Rechtsstellung des Interimswirtes.

   Mangels entgegenstehender vertraglicher Bestimmungen werden folgende Grundsätze gelten:
   Den Interimswirten steht an dem Hofgute nur Besitz, Verwaltung und Nutznießung für die Dauer ihrer Einräumung, im Zweifel bis zur Großjährigkeit des Anerben zu. Dies gilt im Zweifel auch für den Überlebenden der Interimswirte. Für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden bedarf es bezüglich des neuen Ehegatten einer neuen Vereinbarung, widrigenfalls dem Aufheiratenden im Falle des Ablebens des Ersteren keinerlei Ansprüche an das Hofgut, insbesondere keine Leibzucht zusteht.

   Das Eigentum am Hofe verbleibt ausschließlich dem Anerben, der als solcher auch im Grundbuche einzutragen ist. Sind danach die Interimswirte zu Verfügungshandlungen über die Liegenschaften des Hofgutes nicht befugt, so stehen ihnen im Übrigen alle in den Rahmen einer ordnungsmäßigen Bewirtschaf-tung des Hofgutes fallenden, auf die Erhaltung und Ver-

 

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besserung des Hofgutes gerichteten Verwaltungs-handlungen zu. Dies versteht sich sowohl für die Ausbesserung, Unterhaltung und etwa erforderlichen Umbau oder Neubau von Gebäuden wie für die Verwertung, Ergänzung, Ersetzung und Verbesserung der Bestände und Erzeugnisse in Vieh, Vorräten, Maschinen und Geräten. Die Einhaltung ordnungsmäßiger Bewirtschaftung wird sich insbesondere auch auf die Beackerung, Düngung und Fruchtfolge sowie auf pflegliche Behandlung von etwaigen Waldungen beziehen, sodaß namentlich bei letzteren eine übermäßige Ausbeute unterbleibt.

   Steuern und sonstige öffentliche Abgaben, die grundbuchmäßigen Lasten, Beiträge aller Art, Unterhaltskosten des Anerben und der übrigen Kinder sowie etwa fällige oder fällig werdende Brautschätze haben die Interimswirte zu stehen. Namentlich tritt auch der Aufheiratende zwar nicht wie der Anerbe als Gesamtnachfolger, wohl aber auf Grund des getätigten Malvertrages in alle zur Zeit seines Eintrittes vorhandenen Verbindlichkeiten ein.

   Dafür haben die Interimswirte Anspruch auf volle Leibzucht, ihre Kinder auf Brautschätze, im Falle des Wegfalles des Anerben oder der erstehelichen Kinder überhaupt, über und mittels des ihnen gemeinsamen Elternteils selbst Ansprüche auf das Anerbe. Das allgemeine Erbrecht des überlebenden Ehegatten bleibt unberührt.

 

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Gott grüß Euch, Alter, schmeckt das Pfeifchen!








 

Kapitel VII.

Die Leibzucht.


 

1. Landespolizeiordnung von 1620, Titel 7, § 4; 10
    § 1 und 2; 1.364; 366.
2. V.-O. wegen der Leibzüchter vom 17/3. 1767;
    2.233.
3. V.-O. wegen der Leibzüchter vom 6/2. 1781;
    2.750.
4. Artikel 96 E. BgB.
5. §§ 22, 23 des Ausf.-Gesetzes zum BgB. vom
    17/11. 1899; 22.495.
6. Führer S. 113 ff.
7. Meyer S. 562 ff.

 

§ 74.

Frühere Grundsätze.

   Die Leibzucht stellt die Versorgung der abtretenden Meierleute dar. Umfang und Beginn des Leibzuchtsbezuges bestimmt unter Mitwirkung und Zustimmung des Gutsherrn ursprünglich das Amt. Alter und Kränklichkeit der Meierleute geben, soweit sie die Fortführung der Wirtschaft nicht mehr zulassen, Anspruch auf die Leibzucht. Verschwender und schlechte Wirtschafter – Aufköcher, Verderber oder so die Güter in

 

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Beschwer’ gesetzt – erhalten die Leibzucht nicht, insbesondere dann nicht, wenn hinreichender Grund zur Abmeierung besteht. Je nach der Wirtschaftsführung kann weniger guten Wirtschaftern die halbe oder sonst ein Teil der Leibzucht eingeräumt werden.
   Stiefväter und im Falle ihrer Wiederverheiratung auch die leibliche Mutter müssen mit der Mündigkeit des rechten Erben (Anerben), jedoch nicht vor Ablauf der etwa festgesetzten Maljahre auf die halbe Leibzucht weichen. Bei einer Wiederverheiratung des Stiefvaters verliert dieser den Anspruch auf die Leibzucht, erhält aber dafür sein als Sicherheit für gute Wirtschaftsführung eingebrachtes Vermögen, das nötigenfalls von ihm nachzuweisen ist, nebst ziemlicher Widerlage als angemessene Entschädigung für dessen Einbringung zurück.
   Diese kurzen Bestimmungen der Landes-polizeiordnung von 1620 werden erst nach etwa 150 Jahren dahin ergänzt und erweitert, daß den Eltern der sechste Teil der Länderei und der im Abzugsjahre gezogenen Früchte, einem Leibzüchter sowie dem Stiefvater mit Frau aber nur die Hälfte davon als Leibzucht zugestanden wird. Was die Leibzüchter daneben an Gärten, Obst, Heuwachs, Hude und Weide für Rindvieh und für Schweine erhalten sollen, wird unter Berücksichtigung des Hofzustandes am Amte mit den Beteiligten näher festgelegt.
   Nach der Polizeiordnung erhielt der Stiefvater, der sich mit der leiblichen Mutter des Anerben verheiratete, mit dieser nur die halbe Leibzucht; die Stiefmutter dagegen, die den leiblichen Vater des Anerben heiratete, mit diesem die ganze, im Falle des Ablebens des Vaters jedoch allein die Leibzucht. Auch im Falle ihrer Wiederverheiratung kann bei Minderjährigkeit des Anerben Stiefelterteilen der Hof in Meier- oder Maljahre und ebenso die halbe Leibzucht verschrieben werden, wenn die Vormünder einen besseren Vorschlag zur
 

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Verwaltung des Hofes nicht zur Ausführung bringen können.

   Voraussetzung für die Gewährung der Leibzucht an den Stiefvater oder die Stiefmutter ist, daß sie ihr eingebrachtes Vermögen zum Nutzen des Hofes verwendet und den Hof gut verwaltet haben. Ueber Beides ist vor Beziehung der Leibzucht eine Bescheinigung des Amtes herbeizuführen. Die Verwendung des Eingebrachten zum Nutzen des Hofes, gute Verwaltung des Hofes während der Maljahre und die amtliche Bescheinigung über beide Punkte sind unumgängliche Erfordernisse für den Bezug der Leibzucht. Mangels Erfüllung dieser Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Leibzucht nicht. Bei teilweiser Erfüllung in Bezug auf Eingebrachtes oder Hofverwaltung wird die Leibzucht nur verhältnismäßig gewährt. Schließlich sollen auch leibliche Eltern nur im Falle von Altersschwäche oder Kränklichkeit und ebenfalls nur nach beigebrachter Bescheinigung über ihre gute Wirtschaftsführung zum Bezuge der Leibzucht zugelassen werden.

§ 75.

Die heutigen Leibzuchtsberechtigten.

   Für das heutige Leibzuchtsrecht gelten folgende Bestimmungen :

   Zum Bezuge der Leibzucht sind berechtigt
1. Die leiblichen Eltern oder Elternteile des Anerben;
    diese selbst dann, wenn sie den Hof auf den
    Anerben übertragen haben, ohne daß gleichzeitig
    eine Leibzucht verschrieben ist.
2. Der Stiefvater oder die Stiefmutter, die den
    leiblichen Elternteil des Anerben wiederheiraten;
3. Der Stiefvater oder die Stiefmutter, die den
    Stiefelternteil des Anerben während dessen
    Maljahre wiederheiraten; jedem von diesen aber
    nur,
 

– 106 –

    wenn bei der Aufheiratung oder sonst eine
    Leibzucht für sie besonders vereinbart ist. Bei
    Lebzeiten des leibzuchtsberechtigten
    Stiefelternteiles wird man jenen aber auch ohne
    besondere Verschreibung der Leibzucht ein
    Zusammenleben mit dem Leibzuchtsberechtigten
    auf der Leibzucht, bis zu dessen Tode also ein
    Mitbenutzungsrecht der Leibzuchtswohnung
    zugestehen müssen.

   Mehrer Leibzuchten neben einander sind nicht zulässig, um den Hof zu schwer zu belasten. Sämtliche Berechtigte haben sich nötigenfalls in die nur einmal zu gewährende volle Leibzucht zu teilen.

 

§ 76.

Beginn und Ende der Leibzucht.

   Der Leibzuchtsbezug beginnt für die leiblichen Eltern mit dem Tage der vertraglichen Festsetzung, mangels dessen mit der Übergabe oder der Verschreibung (Auflassung) des Hofes. Für die Stiefeltern beginnt der Leibzuchtsbezug mit dem Ablauf der Maljahre, mangels verschriebener Maljahre mit dem Eintritte der Mündigkeit des Anerben, seit 1875 also mit vollendetem 21. Lebensjahre. Verwendung des Eingebrachten zum Nutzen des Hofes, gute Verwaltung des Hofes sowie amtliche Bescheinigung über Beides wird zum Bezuge der Leibzucht nicht mehr vorausgesetzt.

   Die Leibzucht endet mit dem Tode des Berechtigten, mit freiwilliger Aufgabe der Leibzucht (Verzicht) und infolge Abzuges des Leibzüchters im Falle etwaiger Wiederverheiratung oder aus sonstigen, nicht im eigenen Willen des Leibzüchters, sondern im Verhalten des Anerben oder dessen Angehörigen liegenden Gründen, schließlich infolge Kündigung. Letztere steht dem An-
 

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erben unter Innehaltung einer angemessenen Kündigungsfrist zu, wenn infolge des Verhaltens des Leibzüchters oder dessen Angehörigen eine solche Störung der persönlichen Beziehungen eingetreten ist, daß ihm ein längeres Zusammenleben in einem Hause oder auf einem Hofe nicht wohl mehr zugemutet werden kann. Im Falle rechtsbegründeten Abzuges steht hier überall dem Leibzüchter eine Geldrente als billige Entschädigung für die Aufgabe der Leibzucht zu. Diese Rente ist mangels Einigung der Beteiligten unter Berücksichtigung sämtlicher geldwerter Leibzuchtsvorteile nötigenfalls gerichtlich festzusetzen.

   Ein Kündigungsrecht steht auch dem Leibzüchter zu, wenn infolge des Verhaltens des Anerben oder dessen Angehörigen ihm ein ferneres Zusammenbleiben im selben Hause oder auf demselben Hofe nicht länger zuzumuten ist. Hier hat der Anerbe den Aufwand für die Beschaffung einer angemessenen Wohnung sowie jeden Schaden zu ersetzen, der dem Leibzüchter infolge Aufgebens der Leibzucht erwächst. Die Leibzucht endet mit dem Tode des Leibzüchters mangels Einigung der Beteiligten auch für denjenigen, der sich an einen Leibzüchter auf die Leibzucht verheiratet hat.


 

§ 77.

Der Leibzuchtsvertrag.*

   Der Inhalt und der Umfang des Leibzuchtsrechtes unterstehen der völlig freien Vereinbarung der Beteiligten namentlich nach der Richtung, inwieweit die Leibzuchtsleistungen in Natur oder baarem Gelde zu ge-

*) Anm. (Einen Anhalt für die Vereinbarung einer Leibzucht mag die Leibzuchtsverschreibung in § 2 des Hofabtretungs-vertrages, Anhang IV, S. 127 bieten).

 

– 108 –

währen sind. Zwingendes Landesrecht gibt es insoweit daher nicht (Art. 96 E. BgB.). Leibliche Eltern oder Elterteile vereinbaren die Leibzuchtsbedingungen mit dem Anerben nach freier Willkür. Stiefeltern oder Stiefelternteile treffen die Vereinbarung des Leibzucht mit den Vormündern des noch nicht mündigen Anerben unter vormundschafts-gerichtlicher Bestätigung. Als Maßstab für die Einigung der Beteiligten wir die Größe und der Ertrag des Hofes an Vieh, Früchten und sonstigen Hülfsquellen, der Zustand der Gebäude und Ländereien sowie die Belastung des Hofes an vorhandenen Schulden, Brautschatzleistungen und sonstigen Lasten dienen. Im Leibzuchtsvertrage kann insbesondere die Befugnis des Anerben zurVeräußerung oder Belastung des Hofes für die Dauer der Leibzucht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
   Im Falle der Anerbe seinen Verpflichtungen aus dem Leibzuchtsvertrage nicht nachkommt, steht dem Leibzüchter ein einseitiges Rücktrittsrecht vom Leibzuchtsvertrage nicht zu, auch dann nicht, wenn der Anerbe z.B. infolge Mahnung oder Fristsetzung im Verzuge ist. Im Falle der Leistungsverweigerung des Anerben kann der Leibzüchter auch nicht etwa im Umfange der Leistungspflicht die Herausgabe des Hofes verlangen. Dem Leibzüchter stehen demnach Ansprüche aus §§ 325, 326 und 328 BgB. nicht zu. Er kann nur auf Grund des Leibzuchtsvertrages oder mangels dessen auf Grund der leibzuchtsgesetzlichen Ansprüche erheben.
   Der Leibzuchtsvertrag gilt im Zweifel für die Lebensdauer des Berechtigten. Besteht die Leibzuchtspflicht in Gewährung einer Rente, so ist der für sie angesetzte Betrag im Zweifel der Jahresbetrag. Eine Geldrente ist für je drei Monate im voraus zu entrichten. Bei einer sonstigen Rente bestimmt sich der Zeitabschnitt der Vorausentrichtung nach der Be-
 

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schaffenheit und dem Zwecke der Rente. Ist der Zeitabschnitt der Vorausentrichtung erlebt, so ist die Rente für den ganzen Zeitabschnitt anforderbar.

§ 78.

Die Leibzuchtswohnung.

   Der Leibzüchter hat Anspruch auf Wohnung und Unterhalt, wie sie den Leibzüchtern mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Hofes angemessen sind. Bei größeren und mittleren Höfen besteht ein Anspruch auf gesonderte Leibzuchtswohnung. Bei kleineren Besitzungen, die eine besondere Leibzuchtswohnung nicht stehen können, „Stätten, wovon keine sechs Scheffel Saatland zur Leibzucht abgegeben werden können“, wird die Leibzucht im Hausstande und in der Familie des Anerben gewährt mittels Beschaffung hinreichender Wohn- und Schlafräume sowie mittels Beköstigung am Tische des Anerben. Bei solchen geringeren Leibzuchten besteht eine Verpflichtung der Leibzüchter zu angemessener Arbeitsleistung auf dem Besitztume.

   Bei Gewährung einer gesonderten Leibzucht ist vom Anerben die Leibzuchtswohnung in eingerichtetem, wohnfertigen Zustande zu überlassen und während der Dauer der Verpflichtung von ihm in Dach und Fach zu halten. Insbesondere im Falle teilweiser oder völliger Zerstörung der Leibzuchtswohnung, soweit sie durch die Leibzüchter nicht verschuldet ist – der Nachweis des Verschuldens würde dem Anerben obliegen – hat der Anerbe die Wohnung in angemessener Zeit und Art wieder herzustellen und auszurüsten, bis dahin aber den Leibzüchtern anderweit angemessene Wohnung auf seine Kosten zu beschaffen.

   Ausbesserungen und Erneuerungen, die sonst im Laufe der Bewohnung und infolge der Abnutzung erforderlich werden, also die gewöhnliche Unterhaltung insbesondere der Innenräume stehen die Leibzüchter
 

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selbst. Staats- und Gemeindesteuern sowie sonstige allgemeine oder dingliche Lasten, die auf die Leibzucht entfallen würden, trägt der Anerbe.

   In eine abgesonderte Leibzuchtswohnung darf der Leibzüchter seine Familie und die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen aufnehmen. Bei gemeinsamer Wohnung des Leibzüchters und des Anerben dürfen seitens der Leibzüchter solche Personen nicht dauernd aufgenommen werden, die erst nach Abschluß des Leibzuchtsvertrages Familienange-hörige der Leibzüchter (z.B. Ehegatten, für ehelich Erklärte oder an Kindesstatt Angenommene) oder bereits früher aus dem Hausstande des Leibzüchters ausgeschieden sind.

§ 79.

Die Leibzuchtszubehörungen.
   Neben der Wohnung und deren Einrichtung erhält der Leibzüchter auch Ländereien, dien erforderlichen Geräte und Viehstücke als Zubehör mit zur Leibzucht. Als Maßstab für die Bemessung der Leibzuchts-zubehörungen dient zunächst die Hofgewohnheit. Es wird also nach Umfang, Art, Zahl und Güte das gewährt, was auf dem Hofe in früheren Fällen geleistet ist, also die Leibzuchtswohnung, der Leibzuchtsgarten, die Leibzuchtswiese, die Leibzuchtshude und die Leibzuchtsländerei.
   Im Übrigen dient die Leistungsfähigkeit des Hofes und das Bedürfnis der Leibzüchter als Maßstab für die Bestimmung der Leibzuchtszubehörungen. Dies gilt insbesondere für die Auswahl des Viehstandes in Art, Stückzahl und Unterhaltung. Bei der Auswahl der auf dem Hofe vorhandenen Haushaltsgegenstände durch die Leibzüchter kann auch das berücksichtigt werden, was der Ehegatten des Anerben etwa mit in die Ehe bringt. An Holz erhalten die Leibzüchter freien Brand, bei unzureichender Holzung jedes dritte Fuder, das der An-
 

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erbe für sich anfahren würde; vom Obste ebenfalls den dritten Teil. Sonstige Erzeugnisse des Hofes sind an die Leibzucht im Zweifel in mittlerer Art und Güte zu liefern, wie solche auf dem Hofe bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung gewonnen werden. Dasselbe gilt für die Auswahl des Leibzuchtslandes und der sonstigen Zubehörstücke der Leibzucht.

   Soweit der Leibzüchter nicht etwa selbst bespannt ist, hat der Anerbe die erforderlichen landwirtschaftlichen Fuhren zu leisten und das Leibzuchtsland mit zu beackern. Saatkorn und Dünger liefern die Leibzüchter selbst. Desgleichen haben sie Garten, Wiese und Hudekamp in Einfriedigung zu halten, wie sie ihnen überliefert sind. Holz und Potten liefert ihnen dazu unentgeltlich der Anerbe.

§ 80.

Rechtseigenschaft der Leibzuchtsgegenstände.

   Leibzuchtswohnung und die einzelnen Leibzuchts-zubehörungen bleiben mangels entgegenstehender Einigung der Beteiligten grundsätzlich Bestandteile des Hofes. Der Leibzüchter erhält daher an ihnen kein Eigentum, sondern nur das Recht des persönlichen Gebrauches. Der Leibzüchter darf über sie daher nur im Rahmen ordentlicher Wirtschafts-führung verfügen, im Übrigen aber sie nicht Dritten überlassen, sie nicht verpfänden oder sonst ihrer sich entäußern. Gegenteiligenfalls liegt dem Leibzüchter die sofortige (stündliche) Wiederergänzung ob. Mangels sofortiger Wiederergänzung kann der Anerbe die Herausgabe etwa veräußerter Gegen-stände auch von Dritten beanspruchen, soweit diese bei dem Erwerbe in Kenntnis davon gewesen sind, daß es sich um Leibzuchts-gegenstände handelt, sie also nicht der gute Glaube (§§ 926, 932 ss. BgB.) schützt.

   Da dem Anerben das Eigentum an der Leibzucht und an deren Zubehör verbleibt, versteht es sich von
 

– 112 –

selbst, daß der Leibzüchter sowenig wie der Interimswirt eine Belastung etwa der Leibzuchts-wohnung oder der Leibzuchtsländerei vornehmen kann. Heute ist dies schon nach den Grundbuchvorschriften ausgeschlossen, da mit der Verschreibung der Leibzucht der Anerbe regelmäßig die Auflassung des Hofes erhält und damit als eingetragener Eigentümer allein auch zu dinglicher Belastung befugt ist. Eine weitere Folge des dem Hofe verbleibenden Eigentums und der Wiederergänzungspflicht des Leibzüchters bezüglich der Leibzuchtsgegenstände ist deren unentgeltlicher Rückfall an den Hof infolge Wegfalles der Leibzuchtspflicht mit dem Ableben des Leibzüchters. Die Vermutung spricht hier also für Hofeigentum und gegen das Eigentum des Leibzüchters, soweit sich aus einem etwaigen Leibzuchtsvertrage nicht unzweideutig das Gegenteil ergibt.
Bei beendeter Leibzucht wird den Erben der Leibzüchter für noch nicht gezogene Früchte nur die Einsaat und der etwa verwendete Kunstdünger vergütet. Die Früchte selbst fallen ebenfalls an den Hof. Im Falle des Ablebens des einen Leibzüchters fällt nur die eine Hälfte der Leibzucht zurück, während die andere Hälfte dem Überlebenden verbleibt. Auch vom Leibzuchtshause fällt die eine Hälfte an den Hof zurück, soweit es für zwei Familien zur Wohnung geeignet ist. Der überlebende Leibzüchter hat hier jedoch ein Vormieterecht, sodaß er mit der Ausübung dieses Rechtes jeden Dritten aus dem Leibzuchtshause fernhalten kann. Von der Leibzuchtsländerei fällt bei dem Ableben eines der beiden Leibzüchter stets die Hälfte an den Hof zurück. Vom Obst behält der Überlebende den vierten Teil, an Wiese und Hude soviel, als der Leibzuchtsbedarf erfordert. Das Gleiche gilt bezüglich der übrigen Leibzuchtszubehörungen, insbesondere auch bezüglich der Haushaltsgegenstände.
 

Ich träum’ als Kind mich zurücke.
A. v. Chamisso.

 

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Anhang.
 

I.

Das selbstverfaßte oder selbstgeschriebene, eigenhändige (holographische) Testament, (Privattestament).
(§ 2231 Ziffer 2 BgB.).
 

A. Einleitung.

   Jedermann, der schreiben und Geschriebenes lesen kann, 21 Jahre alt und nicht wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist, kann ohne Angehung des Gerichtes und ohne Zuziehung anderer (dritter) Personen ein Testament rechtsgültig selbst errichten.

   Nach Art eines einfachen Briefes, der Ort und Zeit der Abfassung sowie die Unterschrift des Verfassers aufweist, schreibt der Testamentserrichter (Erblasser) seinen letzten Willen, nämlich das, was für den Fall seines Todes gelten und Rechtens sein soll, eigenhändig nieder, fügt unterhalb oder oberhalb der Erklärung des letzten Willens mit eigenhändiger Schrift den Ort und den Tag der Errichtung hinzu und unterzeichnet sodann das Ganze eigenhändig mit seinem Namen. Fehlt in dem Testamente die Angabe von Ort oder Zeit der Errichtung oder die Namensunterschrift des Testamentserrichters oder ist das Testament von Anfang bis zu Ende nicht selbst und eigenhändig, etwa z.B. mittels
 

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Maschine geschrieben, so ist es rechtlich in jeder Beziehung ungültig und kann den beteiligten Hinterbliebenen höchstens als Richtschnur für etwaige Einigungsverhandlungen dienen.

   Als Namensunterschrift genügt der einfache Haus- oder Familienname. Zur Vermeidung von Zweifeln über die Person des Testamentserrichters wird es sich jedoch empfehlen, dem Familiennamen stets wenig-stens einen Vor- oder Rufnamen, jedenfalls aber dem Familiennamen eine solche Bezeichnung z.B. die Nummer des Hofes oder den Tag der Geburt beizu-fügen, daß eine Verwechselung mit andern Personen (Vater oder Sohn, Mutter oder Tochter, Geschwister u. s. w.) völlig ausgeschlossen ist.*

   Die Aufbewahrung eines solchen privat- oder handschriftlichen Testamentes kann wie bei dem  gemeinschaftlichen Testamente der Eheleute (siehe Anhang II) in beliebiger Weise erfolgen. Einer amtlichen Hinterlegung des Testamentes bei Gericht bedarf es nicht, wenn es nur, verschlossen oder unverschlossen, so aufbewahrt wird, daß es mit dem Ableben des Erblassers aufgefunden werden kann. Wer ein solches Testament in Besitz oder Obhut hat, muß es mit dem Tode des Erblassers bei Meidung von Ordnungsstrafen umgehend (unverzüglich) an das Amtsgericht abliefern.

*) Anm. (Zu aller Vorsicht wird man das abgefasste Schriftstück, die Testamentsurkunde, vertrauensvoll seinem Geistlichen, seinem Richter, seinem Arzte, seinem Lehrer oder einer sonstigen Vertrauensperson, die hinreichendes Verständnis für diese Formvorschriften vermuten läßt, zur Durchsicht oder zur Prüfung darüber vorlegen, ob auch die Form der Abfassung richtig, d.h. Ort und Zeit, das Datum sowie Namensunterschrift nicht vergessen und alles selbst und eigenhändig geschrieben ist).

 

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B. Muster für ein handschriftliches
    Testament.

 

Mein letzter Wille.

   Freien, ernsten und wohlüberlegten Willens bestimme ich, der unterzeichnete Landwirt Karl, Wilhelm, Albrecht Ameier Nr. 7 in Behausen, hierdurch für den Fall meines dereinstigen Ablebens Folgendes:

   Zu meinen Erben setze ich ein

   1. meine Ehefrau, Laura Luise, geborene Cemeier,
   2. meine Kinder und zwar
      a) meinen Sohn August,
      b) meine Tochter Johanne,
      c) meine Tochter Lina,
      d) meinen Sohn Friedrich,
      e) meinen Sohn Otto.

   Mit meinem Ableben wir mein Hof Eigentum meines ältesten Sohnes und Anerben August, der dann alsbald als Eigentümer im Grundbuche eingetragen ist.

Der Besitz, die Verwaltung und Nutznießung am Hofe (die Meierjahre) verbleiben meiner Ehefrau bis an ihr Lebensende. Ob die Bemeierung des Hofes gegen Beziehung der Leibzucht zu ihren Lebzeiten auf den Anerben übergehen soll, steht im Belieben meiner Ehefrau. Im Falle ihrer Wiederverheiratung soll ihre Meierzeit jedoch mit vollendetem 27. Lebensjahre des Anerben zu dessen Gunsten aufhören. Während ihrer Meierzeit trägt meine Ehefrau sämtliche Lasten des Hofes. Sie hat während ihrer Meierzeit mit den Aufkünften des Hofes auch für standesgemäße Erziehung und Unterhaltung der Kinder, insbesondere des An-

 

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erben, zu sorgen, soweit diese durch eigenen Erwerb sich nicht selbst versorgen können.

   Meine Töchter Johanne und Lina sowie meine Söhne Friedrich und Otto erhalten als Abfindung vom Hofe die Brautschätze, welche ich mit Rücksicht auf die geringe Belastung und auf den guten Zustand des Hofes angemessen auf je 5000 Mk. (fünftausend Mark) erhöhe. Die Brautschätze sollen am Tage der Ziviltrauung, sonst aber erst nach sechsmonatlicher Kündigung mit der Großjährigkeit des Brautschatz-berechtigten zahlbar sein. Meiner Ehefrau räume ich für ihre Meierzeit – und, so lange sie unverheiratet bleibt, ohne Zinspflicht – das Recht ein, die Auszahlung der Brautschätze bis zum vollendeten 24. Lebensjahre des Brautschatzberechtigten zu verweigern.

   Die Brautschätze sind zugleich mit dem Anerbenrechte durch Eintragung in das Grundbuch sicherzustellen.
   Bei der geringen Belastung und dem guten Zustande des Hofes soll der Anerbe von der Vererbung meines Baarvermögens ausgeschlossen sein. Dies fällt ausschließlich meinen Kindern Johanne, Lina, Friedrich und Otto in gleichen Teilen zu. Den Zinsgenuß von dem Baarvermögen erhält meine Ehefrau bis zum vollendeten 24. Lebensjahre des Brautschatzberechtigten.

   Meinem langjährigen Jagdfreunde Otto Waidmeier hier vermache ich zur Erinnerung an frohe Waidmannsstunden meine Waffensammlung nebst Gewehrschrank. Er wird dafür meinen Kindern ein väterlicher Freund und Berater sein.

   Diesen meinen letzten Willen habe ich eigenhändig niedergeschrieben, mit der Angabe von Ort und Zeit versehen sowie eigenhändig unterschrieben.

Behausen, den 18. Mai 1909.

Karl, Wilhelm, Albrecht Ameier.

 

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II. Das gemeinschaftliche Testament.

(§§ 2265 – 2273 BgB.).




 

A. Einleitung.

   Ein gemeinschaftliches Testament können nur Ehegatten, nicht auch Verlobte, die vor ihrer Verheiratung auf den gerichtlich abzuschließenden Ehevertrag zu verweisen sind, errichten. Grund-sätzlich ist jede gesetzliche Testamentsform zulässig.

   Ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament wird in der Weise errichtet, daß zunächst der eine Ehegatte, genau wie beim eigenen handschriftlichen Testament, unter Hinzufügung von Ort und Tag der Errichtung den gemeinsamen letzten Willen eigenhändig niederschreibt und sodann das ganze eigenhändig mit seinem Namen unterschreibt.

   Der andere Ehegatte macht dies Testament dadurch zu einem gemeinschaftlichen, zu einem auch für sich selbst mit verbindlichen, daß er eigenhändig, ebenfalls wieder unter Hinzufügung von Ort und Tag der Vollziehung der Erklärung und der Unterschrift, unter dem ersterklärten letzten Willen die Erklärung niederschreibt, daß der vorstehend niedergeschriebe-ne letzte Wille des andern Ehegatten auch sein letzter Wille, sein Testament, sei und schließlich dann das Ganze eigenhändig mit seinem Namen unterzeichnet.

 

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B. Muster eines gemeinschaftlichen Testamentes.

   Freien, ernsten und wohlüberlegten Willens treffen wir,  die  Eheleute  Karl,  Wilhelm  Albrecht  Ameier und Laura, Luise Ameier, geborene Bemeier, hierdurch für unser dereinstiges Ableben folgende Bestimmungen :

   Wir leben laut Ehevertrag vom 28. Mai 1903 in der Gütergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches.

   Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Mit dem Tode des Längstlebenden von uns fällt unser gemeinsamer Nachlaß an unsere Kinder Gustav, Anna, Erna und Auguste.

   Von unserm Hofvermögen erhält unser Sohn Gustav als Anerbe den Hof nebst den eingetragenen Lasten und der auf vier Zuckerrübenaktien entfallenden Rübenlieferungspflicht.

   Unser Sohn Gustav hat seine drei Schwestern Anna, Erna und Auguste mit Brautschätzen zu je 6000 Mark (sechstausend Mark) vom Hofe abzufinden. Anerbenrecht und Brautschätze sind alsbald nach dem Tode des Erstablebenden durch Eintragung im Grundbuche sicher zu stellen.

   Unser freies Vermögen vererbt sich auf unsere Kinder einschließlich des Anerben nach Kopfteilen. Der Anerbe hat sich auf seinen Kopfteil 90% (neunzig Prozent) der Nominalbeträge der vier von ihm mit dem Hofe übernommenen Zuckerrübenaktien anrechnen zu lassen.

   Unsere Tochter Auguste, die als Lehrerin ausgebildet ist, soll sich dafür auf ihren Erbteil 3000 Mk. (dreitausend Mark) anrechnen lassen.

 

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– 119 –

   Der Überlebende von uns beiden behält an dem Hofgute Besitz, Verwaltung und Nutznießung (die Meierjahre); desgleichen von dem Freigute den Zinsgenuß. Meierzeit und Zinsgenuß geht ihm aber im Falle der Wiederheirat gegen Beziehung der Leibzucht, wie sie auf dem Hofe hergebracht ist, verloren.

   Wer dies Testament anficht, soll auf den Pflichtteil gesetzt sein.

   Diesen meinen und unsern letzten Willen habe ich eigenhändig niedergeschrieben, eigenhändig mit der Angabe von Ort und Zeit der Abfassung versehen sowie dann eigenhändig unterschrieben.

Behausen, den 19. Mai 1909.

Karl, Wilhelm, Albrecht Ameier.

Vorstehenden letzten Willen meines Ehemannes trete ich hierdurch in allen Punkten bei. Zum Zeichen dessen schreibe ich diese Erklärung unter Beifügung von Ort und Zeit ihrer Abgabe eiegnhändig nieder und füge eigenhändig auch meine Namensunterschrift bei.

Behausen, den 19. Mai 1909.

Laura, Luise Ameier,
geborene Bemeier.



 

 


 

 

– 120 –



III. Das Not-, Dorf- oder Vorsteher-Testament.

   1. §§ 2249, 2252 BgB.
   2. Anweisung, betreffend die errichtung von
       Testamenten vor dem Gemeinde- oder        Gutsvorsteher, vom 15. Dezember 1900;        23,195 ss.
 

A. Einleitung.

   Ein Testament kann von dem Guts- oder Gemeindevorsteher des Aufenthaltsortes unter Mitwirkung von zwei Zeugen errichtet werden, wenn der Zustand des Erblassers besorgen läßt, der Tod werde früher eintreten, als bis die Errichtung eines richterlichen Testamentes möglich, die Hülfe des Gerichts also nicht mehr so schnell zu erlangen ist (Nottestament). Ehegatten können ein Nottestament vor dem Vorsteher auch dann errichten, wenn nur bezüglich des einen von ihnen die Besorgnis besteht.*  Nachträglich als unbegründet sich herausstellende Besorgnis der Lebensgefahr berührt die Gültigkeit eines sonst ordnungsmäßig errichteten Dorf-testamentes nicht. Dagegen ist die Rechtsgültigkeit eines Nottestamentes zeitlich beschränkt. Übersteht nämlich der Erblasser die Gefahr und ist  nach Beseitigung derselben drei Monate lang in der Errichtung eines

*) Anm. (In gleicher Weise kann vor dem Vorsteher des Aufenthaltsortes [oder auch vor drei Zeugen] ein Testament errichtet werden, wenn infolge von Krankheiten, Seuchen, Überschwemmung und sonstiger Umstände, der Ort unzugänglich [dergestalt abgesperrt] ist, daß die Errichtung eines richterlichen Testamentes unmöglich oder erheblich erschwert ist).

 

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– 121 –

richterlichen Testamentes unbehindert, so verliert das Nottestament mit dem Ablaufe dieser Freizeit seine Rechtsgültigkeit.

   Der Vorsteher darf mit dem Erblasser oder dem Bedachten nicht verwandt oder verschwägert sein. In solchen Fällen tritt der Stellvertreter des Vorstehers ein. Die als Zeugen zuzuziehenden beiden Männer oder Frauen dürfen wohl untereinander, nicht aber mit dem Erblasser, dem Bedachten oder mit dem Vorsteher verwandt oder verschwägert sein. Sie sollen tunlichst nicht minderjährig, ehrlos oder eidesunfähig, auch nicht Gesinde oder Gehülfen (z.B. Verwalter) des Vorstehers sein.

   Die Errichtung des Testamentes erfolgt in ununter-brochener Gegenwart des Erblassers, des Vorstehers und der beiden Zeugen in der Weise, daß der Erblasser a) seinen letzten Willen mündlich eröffnet* oder b) ein beliebig aufgesetztes, in jeder Form gültiges Schriftstück mit der Erklärung überreicht, daß dessen Inhalt seinen letzten Willen darstelle.**

Der Vorsteher nimmt über den Vorgang der Testamentserrichtung eine Verhandlung (Protokoll) auf. Aus dem Protokoll muß unzweideutig ersichtlich sein
   1) Ort und Tag der Errichtung,
   2) Die Namen des Hoferblassers, des Vorstehers        und der beiden Zeugen,
   3) Die Feststellung der Besorgnis, daß der        Erblasser früher sterben werde, als die Errich-       tung eines Testamentes vor einem Richter        möglich ist,
 

*) Anm. (Die einzige Art der Testamentserrichtung für Minderjährige, Blinde und sonstige Lebensunfähige).
**) Anm. (Für Stumme und Taube gelten besondere Bestimmungen, desgleichen für solche Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind).

 

– 122 –

   4. die den letzten Willen selbst wiedergebende        Erklärung des Erblassers oder dessen Erklärung,        daß das von ihm überreichte Schriftstück seinen        letzten Willen enthalte,
   5) die Feststellung, daß das Protkoll vorgelesen,        genehmigt und von dem Erblasser selbst        unterschrieben ist,*
   6) Außer der Unterschrift des Erblassers die        Unterschriften des Vorstehers und der beiden        Zeugen.

   Die Errichtung eines Nottestamentes erfolgt nach Art des vor einem Richter aufgenommenen, nur daß der Vorsteher an Stelle des Richters tritt und an Stelle des Gerichtsschreibers die beiden Zeugen.
   In der Verhandlung über die Testamentserrichtung soll daher ferner die Feststellung getroffen werden, daß oder inwiefern die Persönlichkeit des Erblassers bekannt ist. Der Erblasser soll darauf hingewiesen werden, daß das Testament mit Ablauf von drei Monaten seit Beseitigung der Lebensgefahr die Rechtskraft verliert. Auch dieser Hinweis soll im Protokoll festgestellt sein.

   Die sämtlichen, auf die Testamentserrichtung sich beziehenden Schriftstücke (das über die Verhandlung aufgenommene Protokoll und die etwa den letzten Willen enthaltene Urkunde) die dem Erblasser auf sein Verlangen zur Durchsicht vorgelegt werden, sind daher auch in Gegenwart des Erblassers, des Vorstehers und der beiden Zeugen zu verschließen, zu versiegeln, der Umschlag mit einer das Testament näher bezeichnenden Aufschrift zu versehen, die der Vorsteher unterschreibt, und in gerichtliche Verwah-rung zu bringen. Während aber die oben unter Ziffer 1-6 aufgeführten Erfor-

*) Anm. (Bei Schreibunfähigen wird die Unterschrift durch Aufnahme einer dahingehenden Erklärung des Erblassers ins Protokoll ersetzt).

 

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– 123 –

dernisse sogenannte Muß- oder Zwangsvorschriften darstellen, auch nur in der geringsten Beziehung  z.B. durch Weglassung des Ortes oder des Namens des einen Zeugen verabsäumt, die Richtigkeit des Testamentes nach sich ziehen, bilden die Feststellung der Persönlichkeit des Erblassers, der Hinweis auf das demnächstige Kraftloswerden des Testamentes, die nachfolgende Verschließung, Versiegelung, Auf-schrift nebst Unterschrift sowie amtliche Verwahrung der das Testament enthaltenen Hülle nur Soll- oder Ordnungsvorschriften, deren Nichtbeachtung die Rechtsgültigkeit eines Nottestamentes nicht berührt.
   Als Gemeindevorsteher gelten auch die Bürger-meister.












 
 
 
 

– 124 –

B. Muster eines Dorftestamentes.
Geschehen in Dehausen, den 20. Mai 1909.
   Auf Nachsuchen des Landwirtes Friedrich Emeier in Dehausen hatten sich der unterzeichnete Vorsteher August Gemeier in Dehausen und die als Zeugen zugezogenen, ebenfalls unterzeichneten Landwirte Gustav Imeier und Karl Ameier, beide in Uhausen, zwekcs Aufnahme einer letztwilligen Verfügung in die Emeiersche Wohnung begeben. Offenbar schwer krank, wurde der Landwirt Friedrich Emeier im Bette liegend angetroffen. Nach dem Zustande des dem Vorsteher Gemeier bekannten Landwirts Friedrich Emeier erschien die Besorgnis begründet, daß letzterem die Errichtung eines Testamentes vor einem Richter nicht mehr möglich sein werde.
   Friedrich Emeier und dessen dem Zeugen Imeier bekannte Ehefrau Elise, geborene Wemeier baten dann um Entgegennahme ihres letzten Willens (Aufnahme ihres Testamentes). Sie Erklärten:

a) Fall der Testamentserrichtung durch mündliche Erklärung.

   Zu unseren Erben setzen wir den Längstlebenden von uns und unsere drei Kinder ein.

   Von unsern Kindern erhält unser zweitältester Sohn Georg als Anerbe den Hof. Er hat seine beiden Geschwister Meta und Wilhelm vom Hofe mit Brautschätzen abzufinden, deren Höhe wir auf je 4500 Mark bestimmen. Die Brautschätze sollen nicht
 

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– 125 –

vor vollendetem 24. Lebensjahre der Berechtigten anforderbar sein.

   Von dem freien Vermögen ist unser Sohn Georg mit Rücksicht auf die geringe Belastung und den guten Zustand des Hofes ausgeschlossen. Es vererbt sich ausschließlich auf unsere Kinder Meta und Wilhelm zu gleichen Teilen. Unser Sohn Wilhelm soll sich hier 6000 Mark dafür anrechnen lassen, daß er in Lemgo das Gymnasium und in Leipzig die Universität besucht hat.

   Dem Längstlebenden steht nach freier Wahl die Weiterbemeierung des Hofes und auch der Zinsgenuß von dem freien Vermögen oder die Beziehung der Leibzucht zu.

[b) Fall der Testamentserrichtung durch Überreichung eines Schriftstückes.

      Wir überreichen hiermit ein in einer weißen    Papierhülle befindliches Schriftstück unter der    Aufschrift: „Testament der Eheleute Emeier.“ Dies    Schriftstück enthält unsern letzten Willen. Weiter    haben wir nichts hinzuzusetzen.]

   Den Erblassern ist bekannt gemacht, daß das Testament mit dem Ablaufe von drei Monaten nach Beseitigung der Lebensgefahr seine Rechtskraft verliert (§ 2252, Absatz 1 und 2 BgB.).

   Die Ehefrau Emeier erklärte, sie könne nicht mehr schreiben.

   Dies Protokoll ist den Erblassern vorgelesen, auch zur Durchsicht vorgelegt, von ihnen genehmigt und von Friedrich Emeier eigenhändig unterschrieben wie folgt:

Friedrich Emeier
August Gemeier als Vorsteher,
Gustav Imeier als Zeuge,
Karl Ameier als Zeuge.
 

– 126 –



IV. Muster eines Hofabtretungsvertrages.

 

Geschehen in Wedissen, den 21. Mai 1909
auf dem Zemannschen Hofe Nr. 27.
 

   Von den Unterzeichneten Beamten des Fürstlichen Amtsgerichts in Kamissen, welche sich auf Nach-suchen hierher begeben hatten, wurden angetroffen:
   1. der Landwirt Leopold Zemann Nr. 27 hier,
   2. dessen Ehefrau Juliane, geborene Pemeier, hier,
   3. deren Sohn und Anerbe Friedrich Zemann, zur        Zeit in Tadissen in Stellung,
sämtlich der Person nach und als geschäftsfähig bekannt.
   Die Erschienenen trugen nachstehenden Hofab-tretungsvertrag nebst Leibzuchtsverschreibung und Auflassungserklärung vor:

§ 1.

   Die Eheleute Zemann treten den im Grundbuche von Wedissen Band 24 Blatt 133 verzeichneten Grundbesitz, nämlich den Hof Nr. 27, an ihren Sohn und Anerben Friedrich Zemann unter folgenden Bedingungen ab:
   a) Die Übergabe erfolgt am 1. Juli 1909. Seit        diesem Tage gehen Gefahr und Nutzungen auf        den Erwerber über.
   b) Der antretende Meier übernimmt die auf dem        Hofe eingetragenen Hypotheken im Gesamt-       betrage von 10000 Mark (zehntausend Mark)        sowie die eingetragene Rentenschuld von jährlich        200 Mark (zweihundert Mark). Von den        Handscheinschulden, die von dem abtretenden        Meier näher bezeichnet
 

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– 127 –

       werden, übernimmt der antretende Meier einen        Betrag von 6000 Mark (sechstausend Mark),        von den sog. Pflückeschulden, die der        abtretende Meier ebenfalls näher bezeichnet, den        Betrag von 800 Mark (achthundert Mark).
   c) Der antretende Meier übernimmt mit dem Hofe        die fünf Zuckerrübenaktien nebst der mit ihnen        verbundenen Rübenlieferungspflicht. Die Aktien        werden ihm mit 80% (achtzig Prozent) ihres        Nennwertes angerechnet.
   d) Der antretende Meier tritt an Stelle des        abtretenden Meiers in den mit der Molkerei in        Elbeck abgeschlossenen Milchlieferungsvertrag        ein. Er erhält dafür die drei Molkereianteile,        welche er sich mit 60% (sechzig Prozent)        anrechnen zu lassen hat.
   e) An Brautschätzen hat der Anerbe seinen        nachgeborenen Geschwistern Johann, Luise,        Berta und August mit deren vollendetem 25.        Lebensjahre als Abfindung vom Hofe den Betrag        von je 3000 Mark (dreitausend Mark)        auszuzahlen.
   f) Der Anerbe erklärt sich von dem freien Vermö-       gen der abtretenden Meier für völlig abgefun-       den.

§ 2.

Die abtretenden Meier behalten sich folgende Leibzucht vor:
   a) Zur Wohnung das obere Stockwerk mit dem        Keller unter der Leutestube.
   b) An Ausrüstungsstücken und Möbeln nach        Bedarf und nach Wahl der Leibzüchter. Die        gewählten Gegenstände werden Eigentum der        Leibzüchter.
   c) an Lebensmitteln:
       1. täglich fünf Liter Vollmilch,
       2. wöchentlich 4 Pfund Molkereibutter,
       3. wöchentlich 25 frische Eier; in der eierarmen
 

– 128 –

           Zeit brauchen nur 12 Eier geliefert zu werden.           Der Unterschied ist in der eierreichen Zeit            wieder auszugleichen,
       4. Brot, Gemüse und Kartoffeln in guter            Beschaffenheit nach Bedarf, ebenso Kohlen            und Holz,
       5) jährlich zwei fette Schweine je zu rund 200            Pfund Schlachtgewicht (hakenrein), eins im            November, das andere im Januar,
       6) jährlich im Dezember 50 Pfund Rindfleisch,
       7) Obst nach Bedarf und in der Art nach Wahl;            in obstarmen Jahren den dritten Teil, wie es            von den Bäumen kommt.
   d) zur Bedienung:
       ein Dienstmädchen zum Aufwarten und        Reinemachen sowie zum Wasserheraufholen        nach Anweisung der Leibzüchter; sollten sich bei        dem Wasserheraufholen Schwierigkeiten        einstellen, so muß der antretende Meier auf        Verlangen der Leibzüchter im oberen Stock auf        seine Kosten eine Pumpe anlegen lassen.
   e) Nach Bedarf, jedoch höchstens dreißig Mal im        Jahre, die Gestellung eines Kutschwagens mit        gutem Pferd und Kutscher.
   f) An Gartenland die westliche Hälfte des kleinen        Vorgartens und den Leibzuchtsgarten. Den        erforderlichen Dünger liefert der antretende        Meier.
   g) An baarem Gelde jährlich 800 Mark, in        vierteljährlichen Beträgen mit dem Beginn vom 1.        Juli 1909 im Voraus zahlbar.
   h) Der Überlebende behält die volle Leibzucht.
   i)  Sollten die Leibzüchter aus irgend einem Grunde        die Leibzucht verziehen, was ihnen jederzeit        freisteht, so tritt an Stelle aller vorbehaltenen        Naturalleistungen eine jährliche Geldrente von        600 Mark, welche ebenfalls in Vierteljahresraten        im Voraus zahlbar ist.
 
 

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– 129 –

§ 3.

   Die Eheleute Zemann bewilligen und der antretende Meier beantragt,
   a) daß letzterer als Eigentümer des abgetretenen        Hofes im Grundbuche eingetrgen wird,
   b) daß die Leibzucht und die Brautschätze in das        Grundbuch eingetragen werden.

§ 4.

   Die Kosten trägt der antretende Meier. Der Wert beträgt 150000 Mark.

   Dies Protokoll ist den Erschienenen vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben wie folgt:

Leopold Zemann.                Juliane Zemann.
Friedrich Zemann.

Zur Beglaubigung:
                     Temeister, Amtsrichter.
                     Wemeister, Gerichtsschreiber.














 
 

– 130 –

V. Die Neuordnung des Höferechtes.

A. Die Einleitung.

Die Notwendigkeit einer Sammlung des lippischen Höferechtes.

   Das lippische Höferecht verteilt sich auf einen Zeitraum von etwa 300 Jahren. Es findet sich über die ganzen 25 Bände unserer Landesverordnungen, die mehr als 16000 Druckseiten umfassen, zerstreut. Die älteren Gesetze sind wegen ihrer uns vielfach nicht mehr geläufigen, veralteten Ausdrücke nur schwer verständlich. Zum Teil sind uns ihre Ausdrücke und Begriffe völlig fremd, sodaß wir nur mühsam und nur unter Berücksichtigung ihres geschichtlichen Werdeganges ihren Sinn zu erfassen vermögen. Die einzelnen Gesetze bieten namentlich seit dem Inkrafttreten des BgB. scheinbar unlösliche Widersprüche.

   Wenn trotz dieser ungeahnten Schwierigkeiten gleichwohl das Höferecht in den beteiligten Kreisen durch Jahrhunderte hindurch sich lebendig erhalten und ungeschwächt von Geschlecht zu Geschlecht sich fortgeerbt hat und wenn schon seine unübersehbare Bedeutung sowie jene unbesiegliche Macht des Rechtsbewußtseins eines ungefälscht kerndeutschen Berufstandes vielleicht mehr gefühlt als in seinen Einzelheiten und Wechselwirkungen klar erkannt werden mag, so zeigen alle diese Tatsachen und Umstände nur um so mehr, daß es sich hier um lebenskräftige, altüberkommene Güter und Werte handelt, welche das gegenwärtige Geschlecht nicht verkommen oder auch nur verkümmern lassen darf. Eine Sammlung des lippischen Höferechtes muß daher erfolgen zu Nutz und Frommen aller derer, die es in

 

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– 131 –

Rechtssprechung und Verwaltung zur Anwendung bringen sollen, insbesondere auch derer, die ihr Leben danach einrichten sollen und ihre Maßnahmen danach treffen wollen.
 

Der überlebende Ehegatte im Witwenstande.

   Ergänzt werden muß das Höferecht unbedingt bezüglich des Rechtes des überlebenden Ehegatten am Hofe. Der Überlebende kann und muß trotz der durch das BgB. herbeigeführten veränderten Rechtsverhältnisse landesrechtlich in den Stand gesetzt werden, den Hof wenigstens während des Witwenstandes mit den Kindern in bisheriger Weise weiter zu bewirtschaften. Es ist nicht wünschenswert, daß dieser Rechtszustand, der allein den geläuterten Anschauungen der beteiligten Kreise entspricht, erst auf weiten und kostspieligen Umwegen herbeigeführt werden muß, nämlich durch Einführung der allge-meinen Gütergemeinschaft des BgB. und gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten, insbesondere durch letztwillige Einräumung des Rechtes des Überle-benden, den Hof zu seinem 25fachen Ertragswerte zu übernehmen.
 

Das Alter des Anerben bei der Hofübernahme.

   Wie es wirtschaftlich in keiner Weise gerechtfertigt ist, und auch kein anderer Berufsstand etwas Vergleichbares zeigt, entspricht es durchaus nicht den gesunden Anschauungen der beteiligten Kreise, das der Anerbe in Ermangelung entgegenstehender letztwilliger Bestimmungen des Hoferblassers von Gesetzes wegen zur Übernahme des Hofes bereits mit Vollendung des 21. Lebensjahres berufen wird, selbst gegenüber dem überlebenden Elternteile, ohne Unterschied, ob Vater oder Mutter, wenn dem Überlebenden der Hof nicht gehört. Ganz davon abgesehen, daß der Anerbe um

 

– 132 –

diese Zeit seiner Militärpflicht wird zu genügen haben, an der Hofübernahme also tatsächlich behindert ist, fehlt es hier dem Anerben doch gewiß auch wohl an sittlicher und wirtschaftlicher Reife. Es kommt hinzu, daß der Hof das einzige werbende Kapital der ganzen bäuerlichen Familie darstellt und dies Kapital mit seinen Erträgen mit vollendetem 21. Lebensjahre des Anerben der Familie entzogen wird und allein dem Anerben zufällt, wenn bis dahin der Hofeigentümer zufällig mit Tode abgegangen ist. Die bessere Einsicht und Erfahrung des überlebenden Elternteils wird nicht berücksichtigt. Sie ziehen mit auf die Leibzucht. Desgleichen die nachgeborenen Kinder, die jüngeren Geschwister des Anerben, für die und deren Ausbildung bis zum 21. Lebensjahre des Anerben nichts hat zurückgelegt werden können. Denn mit etwaigen Wirtschaftsüberschüssen sind wahrscheinlich zunächst die drückendsten Hofschul-den getilgt, da Zinsen mit aus der Schüssel essen. Bis zur Übernahme des Hofes sind die Reinerträge also den nachgeborenen Kindern entzogen und mittelbar dem Anerben zugewendet. Das Gleiche gilt von der auf dem Hofe durch die nachgeborenen Kinder etwa geleisteten Arbeit, die nicht besonders berechnet und entschädigt zu werden pflegt.
   Vor vollendetem 25. (oder 27.) Lebensjahre sollte daher der Anerbe, wie vor 1875 nach gemeinem Rechte, kraft Gesetzes zum Wohle der sämtlichen Familienmitglieder den Hof überhaupt nicht übernehmen dürfen.

Die Berechnung der Brautschätze.

   Unbillig ist auch in jeder Beziehung die heutige Berechnung, der Brautschätze. Zunächst gilt dies für die willkürliche Scheidung bezüglich der Zahl der abzubringenden Kinder, daß nämlich bei ein oder zwei nachgeborenen Kindern der dreifache, bei drei und mehr nachgeborenen Kindern nur der zweifache Grundsteuer-
 

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– 133 –

reinertrag und Gebäudenutzungswert zu Grunde gelegt wird, eine geringere oder größere Zahl nachgeborener Kinder als zwei oder drei die Höhe der Brautschätze zu Lasten und zu Lasten der nachgeborenen Kinder wie des Anerben völlig außer Betracht läßt. Die Brautschatzkommission hilft hier tatsächlich nur selten aus.

   Es kommt hinzu, daß die jetzigen Hofreinerträge bis auf die Gebäudenutzungswerte bereits vor mehr als 30 Jahren (1877 – 1879) festgelegt sind.
   Die Verallgemeinerung des Geldes infolge zunehmenden allgemeinen Wohlstandes und die damit in Wechselbeziehung stehende Erhöhung der Grundstückpreise, die Steigerung der Bodenerträge infolge besserer Beackerung und Ausnutzung des Bodens, infolge vermehrter Anwendung von Kunstdünger, Verwendung besseren Saatgutes und Anbaues ergiebigerer Fruchtarten, die Hebung und Mehrung des Viehstandes, die Verbilligung des Betriebes infolge Vervollkommnung der landwirt-schaftlichen Maschinen und Geräte, die gesteigerte Verwendbarkeit der Erzeugnisse infolge günstigerer Absatzgelegenheit und vielfach erhöhter Preise haben zweifellos durchweg eine nicht unerhebliche Steigerung der jährlichen Reinerträge gezeitigt.

   Zwar werden diese so erhöhten Reinerträge wesentlich herabgemindert durch die Zinspflicht infolge erhöhter Verschuldung des bäuerlichen Besitzes, durch die außerordentlich gestiegenen Betriebsunkosten infolge der auf das zwei- bis fünffache gestiegenen Arbeitslöhne (sowohl bezüglich der eigentlichen landwirtschaftlichen Arbeiter als auch insbesondere der Handwerker, hier namentlich der Bauhandwerker), durch Entstehung und Steigerung der Beiträge für Versicherungen aller Art (Feuer, Hagel, Vieh, Alter, Unfall, Krankheit, Haftpflicht) sowie schließlich durch Erhöhung der Staats- und Gemeindelasten, hier insbesondere der Schullasten.

 

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Immerhin wird ein erheblich höherer Reinertrag wie früher verbleiben, sodaß die bislang angenommenen Sätze grundsätzlich zu niedrig erscheinen.
   Eine Aenderung der Brautschatzberechnungen erscheint daher sowohl in Bezug auf die jetzige Höhe des Grundsteuerreinertrages als auch in Bezug auf die Zahl sämtlicher Kinder erforderlich, zum Vorteil des Anerben wie auch der nachgeborenen Kinder. Mit Rücksicht auf die Zahl der Kinder würde ews sich vielleicht empfehlen, einen Mindestbetrag als Brautschatz zu bestimmen, der nach den Auskünften des Hofes festzustellen wäre. Bei einer zu hohen Belastung des Hofes müßte es dann allerdings unter Umständen zu einer Versilberung desselben zum Besten aller Familienglieder kommen.

Die Stellung des Anerben.

   Die schwerwiegendsten Bedenken stellen sich bei der jetzigen Hofbelastung jedoch in Bezug auf den Anerben selbst ein. Der Anerbe steht bei der Uebernahme des Hofes vor lauter vollendeten, durchweg unbeugsamen Tatsachen. Mit dem Hofe hat er zu übernehmen ohne Weiteres alle auf dem Hofe ruhenden, regelmäßig erheblichen Lasten. Diese lassen sich nicht ändern. Beides gilt bezüglich der Leibzucht, insbesondere wenn die Leibzucht nicht vereinbart ist, sondern nach den vom Gesetze vorgeschriebenen Grundsätzen geleistet werden muß. Völlig unberücksichtigt bleibt auch, ob der Hof in Ländereien, Gebäuden und Beständen in gutem oder schlechtem Zustande sich befindet. Hierzu kommt dann noch die Abfindung der Geschwister mit den Brautschätzen. Hier zeigt auch für den Anerben die jetzige Art der Berechnung der Brautschätze ungleiches und unausgeglichenes Maß. Bei einem Hofe von z.B. 1500 Mk. Grundsteuerreinertrag und 500 Mk. Gebäudenutzungswert würde bei einem oder zwei nachgeborenen Kindern der Brautschatz je 6000 Mk. betragen,

 

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bei drei oder mehr nachgeborenen Kindern je 4000 Mk., im ersteren Falle also mindestens 6000 und höchstens 12000 Mk., im letzteren mindestens 12000 Mk. und je nach der Kinderzahl beliebig steigen, bei sechs abzubringenden Kindern also bis zu (6 · 4000=) 24000 Mk. Unter Zugrundelegung des 25fachen Betrages des jährlichen Ertragswertes des Hofes würde selbst unter Mitanrechnung des Gebäudenutzungswertes eine Verschuldung des Hofes bis fast zur Hälfte (50000 – 24000 = 26000 Mk.) allein infolge der Brautschätze eintreten. Und auf manchen Höfen giebt es noch eine weit größere Zahl abzubringender Kinder als sechs!

   Die Ungerechtigkeit dieses Systems der Lastentragung, insbesondere der Berechnung der Brautschätze leuchtet ein. Demgegenüber bedeutet auch die Möglichkeit der Erhöhung oder Herabsetzung der Brautschätze mittels Angehung der Brautschatzkommission nur ein Notbehelf.
   Zweckmäßiger würden, ähnlich den Anerben-rechten anderer Staaten, Vorschriften erscheinen, die von vornherein eine billige Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse ermöglichten. Ein Schritt vorwärts würde in dieser Richtung getan sein, wenn zunächst unter Berücksichtigung des Grund-steuerreinertrages und des Gebäudenutzungswertes der Wert des ganzen Hofvermögens in seinen einzelnen Wirtschaftserträgen aus Früchten, Vieh, Holz und Nebenbetrieben im Durchschnitt auf das Jahr berechnet und dieser Jahreshofertrag nach Abzug der Bewirtschaftungskosten mit dem 25fachen Betrage zu Werte gesetzt würde.

   Von dem so gefundenen, wirklichen Nutzungswerte des Hofes würden dann zunächst die eingetragenen Schulden in Abzug zu bringen sein. Denn bei diesen handelt es sich um Lasten der ganzen Familie, namentlich auch der abtretenden Meierleute. Erst dann würden unter Berücksichtigung der verbleiben-den Leistungs-

 

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fähigkeit des Hofes die Leibzuchtsrechte festzustellen und in Abzug zu bringen sein und schließlich nach Sicherstellung eines angemessenen Anerbenvorzuges unter weiterer Berücksichtigung der Kopfzahl der Berechtigten die Brautschätze.
   Mit dem Wegfalle des einen oder sämtlicher Leib-züchter tritt bisher eine unverdiente Besserstellung des Anerben ein. Billig würde mit dem Wegfall der leibzuchtsmäßigen Hoflasten eine angemessene Erhöhung der Brautschätze eintreten können, indem der Wert der weggefallenen Leibzuchtslasten nachträglich unter sämtliche Kinder verteilt, das Leibzuchthaus aber dem Anerben belassen würde.
   Nach der Hofübernahme steht nichts im Wege, daß der Anerbe den Hof verpachtet oder auch veräußert und so ohne Arbeitsleistung von den Auskünften des Hofes lebt. Um einer derartigen, vom Höferechte gewiß nicht Bestimmung empfehlen, nach welcher im Falle nichteigener Bewirtschaftung durch den Anerben außer bei gegründeter Ursache der mühelose Erlös für eine Reihe von Jahren als Freigut an sämtliche Geschwister oder Geschwisterstämme zur Verteilung gelangte.
 
   Im nachstehenden Entwurfe sind als Ergebnis zehnjähriger Liebhaberarbeit die Bestimmungen unseres Höferechtes sowie die hier hervorgehobenen Gesichtspunkte paragraphenweise zusammenzufassen versucht. Berücksichtigt sind dabei die Bestimmungen der Höferechte von Westfalen, Schaumburg-Lippe, Hannover, Oldenburg und Mecklenburg. Möchte dem Entwurfe bald ein fertiges Gesetz folgen.






 
 

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B. Entwurf
zu einem Lippischen Höferechte.
 

Übersicht:
A. Allgemeiner Teil
I. Geltungsbereich (§§ 1 – 10).
II. Verfügungsbeschränkungen (§§ 7 – 9).

B. Erbrecht.
I. Allgemeine Bestimmungen (§§ 10 – 14).
II. Anerbenrecht (§§ 15 – 22).
III. Brautschatzrecht (§§ 23 – 34).

C. Leibzuchtsrecht.
(§§ 35 – 43).

D. Schlussbestimmungen.
(§§ 44, 45).

Ein vorurteilsfreier und unbefangener Sachkenner wird es mir wohl auf mein Wort glauben, daß bei dem Entwurfe dieses, für den Vaterlandfreund und mitunter auch für andere Interessen habenden Werks viele Mühe hat angewendet werden müssen, um es nur einigermaßen vollständig liefern zu können. Die Köpfe erster Größen haben immer noch Spielraum genug, zum Entwurfe eines vollständigen Gesetzbuches ganz annehmliche Beiträge zu liefern. Führer, Einleitung S. 2.

A. Allgemeiner Teil.

I. Geltungsbereich.
§ 1.

   Dem Höferechte unterliegt jede ländliche Besitzung, welche aus Wohnhaus und Grundstücken besteht (Hof).
   Der Hof muß eine Mindestgröße von 2,5 ha oder einen Mindestgrundsteuerreinertrag von 75 Mk. haben
 

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und in diesem Umfange ausschließlich oder nebenher land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen.
Als Hofvermögen (Hofgut) gelten die vorhandenen Haus-, Hof-, Vieh-, Feld- und Waldbestände, soweit sie in den Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung fallen.
Als Hofgut gelten die land- oder forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe sowie solche Liegenschaften, die infolge Austausches oder sonst im Grundbuche zugeschrieben sind.
Als Hofgut gelten Kirchenstühle, Begräbnisstellen, Nachbar-, Wege-, Jagd- und Fischereirechte sowie sonstige mit dem Hofe verbundene Gerechtigkeiten, ferner die den Hof betreffenden Papiere, die Forderungen und die Beträge aus Versicherungen z.B. Feuer, Hagel und Vieh sowie die Anteile an Unternehmungen zur Verwertung von Erzeugnissen des Hofes (z.B. Rübenaktien, Molkereianteile).


§ 2.

Neuerworbene Liegenschaften (Neuerwerbungen, neo acquisita) werden zu Hofgut durch grundbuchmäßige Zuschreibung, für das Erbrecht, soweit sie unter Aufwendung von Freigut erworben sind, durch einmalige Vererbung nach dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuche vom 18. August 1896.


§ 3.

Werden Höfe oder Hofteile ohne Genehmigung der gesetzlichen Miterben innerhalb der ersten 15 Jahre nach dem Hofantritte veräußert oder belastet, so gilt der Gegenwert nicht als Hofgut, soweit er nicht zur Tilgung der überkommenden Lasten verwendet wird.


§ 4.

Werden Höfe oder Hofteile ohne Genehmigung
 

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– 139 –

der gesetzlichen Miterben innerhalb der ersten 15 Jahre nach dem Hofantritte verpachtet oder anderweit zu Besitz und Nutzung überlassen, so gilt der Jahresvertrag nicht als Hofgut, soweit er die jährlichen Beträge der Lasten, der Unterhaltung oder der Verbesserung des Hofes übersteigt oder soweit nicht ein Fall der Errichtung einer Vormundschaft, Pflegschaft oder Beistandschaft vorliegt.


§ 5.

   Landesherrliche-, Staats-, Gemeinde- und sonstige öffentliche Besitzungen sowie Fideikommiß-, Lehn- und Stammgüter unterliegen nicht dem Höferecht, soweit deren Verhältnisse gesetzlich, vertraglich oder herkömmlich abweichend geregelt sind.


§ 6.

   Die Hofeigenschaft wird in Abteilung II Spalte 3 des Grundbuches unter der Bezeichnung „Hofgut“ nach Anhörung des Eigentümers von Amtswegen eingetragen.


II. Verfügungsbeschränkungen.


§ 7.

   Die Vereinigung von Höfen ist verboten.

   Im Falle tatsächlicher Vereinigung bleibt jeder Hof seinem Wesen nach für sich bestehen, insbesondere bezüglich der Steuern, Lasten, Gerechtsamen und Grenzen sowie der Eintragungen in den öffentlichen Büchern.


§ 8.

   Die Veräußerung ganzer Höfe ist zulässig.
 

– 140 –

   Die Veräußerung von Hofteilen bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der vorgängigen landespolizeilichen Genehmigung der Regierung, welche das Grundbuch-amt herbeiführt.


§ 9.

   Die landespolizeiliche Genehmigung (§ 8 Absatz 2) ist nicht erforderlich.
   1. bei Höfen über 50 ha, unter 2,5 ha oder unter        75 Mk. Grundsteuerreinertrag,
   2. bei Höfen, welche seit 20 Jahren in derselben        Familie sind, wenn innerhalb 30 Jahren        unbebaute Grundstücke bis zu 2,5 ha und bis zu        20% der Gesamtgröße des Hofes abgetrennt        werden,

   3. bei Abtretung zu gemeinnützigen Zwecken        Anlegung oder Verbreiterung öffentlicher Wege,        Gräben, Bahnen, öffentlicher Gebäude,        Friedhöfe),

   4. bei Abtretung zwecks Begradigung oder        Regelung einzelner Grenzen des Hofes,
   5. bei Abtretung zwecks Enteignung,
   6. bei Abtretung einer Grundfläche, die im        Vergleiche zu dem ganzen Hofe so geringfügig        ist, daß die Abtretung für die Berechtigten        zweifellos unschädlich erscheint.








 
 

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– 141 –



B. Das Höfeerbrecht.
 

I. Allgemeine Bestimmungen.


§ 10.

   Der Eigentümer kann unter Lebenden und auf den Todesfall über den Hof frei verfügen.

   Soweit Gütergemeinschaft besteht, können die Mitberechtigten unter Lebenden und auf den Todesfall nur gemeinschaftlich verfügen.


§ 11.

   Mit dem Ableben des Eigentümers geht der Hof auf den Anerben über.
   Dem Überlebenden Nichteigentümer verbleibt jedoch auch für den Fall seiner Wiederverheiratung Besitz, Verwaltung und Nutzung an dem Hofe bis zum vollendeten 27. Lebensjahre des Anerben.


§ 12.

   Bei bestehender Gütergemeinschaft vererbt sich im Falle unbeerbter Ehe der Anteil des verstorbenen Ehegatten als Nachlaß nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches.
   Im Falle beerbter Ehe treten mit dem Ableben des einen Ehegatten die gemeinschaftlichen Abkömmlinge an Stelle der Frau, die Frau tritt an die Stelle des Mannes.


§ 13.

   Unberührt durch das Höfeerbrecht bleibt die Ver-
 

– 142 –

erbung des Vermögens, welches nach den §§ 1 – 4 nicht als Hofgut anzusehen ist (freies Vermögen, Freigut).

§ 14.

   Im Falle tatsächlicher Vereinigung von Höfen (§ 7) vererbt sich jeder Hof gesondert nach den Vorschriften des Anerbenrechts (§§ 15 – 34).


II. Das Anerbenrecht.


§ 15.

   Die Höfe vererben sich nach dem Rechte der Erstgeburt (Anerbenrecht) mit dem Vorzuge der Söhne vor den Töchtern, der Kinder einer früheren Ehe vor denen einer späteren. Den eheleiblichen stehen die legitimierten und für ehelich erklärten Kinder gleich. Sie alle gehen den zur Zeit des Erbfalls entmündigten oder zu Zuchthausstrafe rechtskräftig verurteilten Kindern desselben Stammes sowie den angenommenen Kindern und diese sämtlich wieder den unehelichen Kindern vor.


§ 16.

   An Stelle eines wegfallenden Erben treten dessen Abkömmlinge.

   Vollbürtige oder halbbürtige Geschwister, letztere, soweit sie den Hoferblasser mit dem Anerben zum gemeinsamen Elternteil haben, schließen des Anerben angenommene oder uneheliche Kinder als Anerben aus.

§ 17.

   Soweit Neuerwerbungen infolge Aufwendung von Freigut (§ 2) dem Hofe im Grundbuche zugeschrie-ben sind, kann sie der Anerbe zum Schätzungs-

 

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– 143 –

werte, welcher den Betrag des aufgewendeten Freigutes erreichen muß, übernehmen.


§ 18.

   Der Anerbe kann für seine Person und für die noch unter seiner elterlichen Gewalt stehenden Kinder mittels Erklärung vor Gericht auf das Anerbenrecht verzichten.

§ 19.

   Geistige oder körperliche Gebrechen, insbesondere Mangel an Einsicht oder Willen, Verschwendung oder Trunksucht, Blindheit, Taubstummheit schließen das Erstgeburtsrecht aus, soweit diese Eigenschaften zur Zeit des Hoferbfalles bestehen und zur Bewirtschaftung des Hofes unfähig machen.


§ 20.

   Die Unfähigkeit (§ 19) wir unter Zuziehung landwirtschaftlicher und ärztlicher Sachverständiger unter den Formen der Entmündigung wegen Verschwendung amtsgerichtlich regierungsseitig) festgestellt.
   Gegen den Beschluß steht binnen zwei Wochen seit der gerichtlichen Zustellung die Beschwerde an das Landgericht als letzte Instanz frei. (Eventuell durch Regierung und Ministerium wie bisher).


§ 21.

   Antragsberechtigt (§ 20) ist die Verwandschaft der ersten drei, die Schwägerschaft der ersten beiden Grade, ferner der gesetzliche Vertreter und die zuständige Amtsgemeinde.


§ 22.

   Dem unfähigen Anerben verbleibt auf dem Hofe standesgemäßer Unterhalt gegen Verrichtung angemessener Arbeiten.
 

– 144 –



III. Das Brautschatzrecht.
 


§ 23.
   Als Abfindung von dem Hofgute (§ 1) steht den vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern des Anerben als gesetzlicher Erbteil der Brautschatz zu.


§ 24.

   Legitimierte, für ehelich erklärte, angenommene und uneheliche Kinder beerben den Hoferblasser brautschatzmäßig wie eheleibliche Kinder.


§ 25.

   Auf der Leibzucht geborene Kinder haben einen Anspruch auf den Brautschatz nicht.


§ 26.

   Der Brautschatz wird nach dem Werte des Hofes berechnet.
   Der Wert des Hofes beträgt das Fünfund-zwanzigfache des Reinertrages der Hofgrundstücke und des Nutzwertes der Hofgebäude zuzüglich des Wertes der Bestände.


§ 27.

   Für den Reinertrag und den Nutungswert sind die Eintragungen in den öffentlichen Büchern maßgebend.
   Für die Ermittelung des Beständewertes gilt mangels Einigung der Beteiligten unter Ausschluß des Rechtsweges das Sachverständigenverfahren (§ 28).


§ 28.

   Beide Teile ernennen je einen lippischen land-
 

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– 145 –

wirtschaftlichen Sachverständigen, diese ihrerseits den Obmann. Mangels Einigung ernennt das zuständige Amtsgericht den Obmann.

   Auf Antrag eines der Beteiligten hat das zuständige Amtsgericht die drei Gutachter auf treue und gewissenhafte Erfüllung ihres Amtes eidlich zu verpflichten.

§ 29.

   Von dem ermittelten Hofwerte (Hofrohwert) erhält der Anerbe zunächst nach Abzug der eingetragenen wirklichen Lasten (Hofreinwert) ein Drittel als Voraus. Der Rest des Hofreinwertes vererbt sich unter sämtliche Miterben nach Kopfteilen bzw. Stämmen wie freies Vermögen.

   Eine Leibzuchtslast wird vorab vom Hofreinwerte mit dem 10fachen Betrage ihres Jahresgeldwertes abgesetzt.

   Der Brautschatz beträgt mindestens soviel wie der einfache Grundsteuerreinertrag zuzüglich des Gebäudenutzungswertes.


§ 30.

   Aussteuer und Ausstattung sowie sonstige Vorempfänge sind im Zweifel auf den Brautschatz anzurechnen, soweit eine Anrechnung nicht bereits bei der Teilung des freien Vermögens stattgefunden hat.

§ 31.

   Der Brautschatz ist bei der Hochzeit des Berechtigten fällig, im Falle seiner Nichtverheiratung mit Vollendung des 25. Lebensjahres.

   Mit dem Tage der Fälligkeit wird der Brautschatz vererblich, veräußerlich und ohne Kündigung mit vier vom Hundert verzinslich.

   Leibliche Eltern oder Elternteile können für die
 

– 146 –

Dauer ihres Meierstandes Zeit und Art der Auszahlung des Brautschatzes bestimmen.


§ 32.

   Bis zur Auszahlung des Brautschatzes hat der Berechtigte gegen Verrichtung vorfallender Arbeiten auf dem Hofe Anspruch auf standesgemäße Erziehung, Unterhaltung, Kleidung und Wohnung.
   Diese Ansprüche entfallen mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Berechtigten, wenn der Anerbe mit dreimonatiger Frist zum Vierteljahrschluß kündigt.
Der Brautschatzberechtigte kann den Hof jederzeit verlassen.


§ 33.

   Für die Höhe des Brautschatzes ist der Zeitpunkt seiner Fälligkeit maßgebend, soweit er sich nicht nach dem Hofwerte zur Zeit des Hofantrittes des Anerben berechnen läßt.
   Der einem Brautschatzberechtigten bereits gewährte Brautschatz gilt als Mindestbetrag auch für die andern Berechtigten.

§ 34.

   Die Brautschätze sind auf Antrag nach Anhörung des Eigentümers auch gegen dessen Widerspruch im Grundbuche einzutragen.









 
 

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– 147 –

C. Das Leibzuchtsrecht.


§ 35.

   Mit dem Hofantritte des Anerben steht den Vorgängern am Hofe die Leibzucht zu.


§ 36.

   Die Leibzucht besteht mangels Einigung der Beteiligten in Gewährung standesgemäßer freier Wohnung auf dem Hofe sowie in einer Jahresgeld-leistung.
   Die Jahresgeldleistung beträgt für den Einzel-leibzüchter zwei vom Hundert des Hofreinwertes (§ 29 Satz 2), mindestens aber ein Drittel des Grundsteuerreinertrages, für mehrere Leibzüchter zusammen drei vom Hundert des Hofreinwertes, mindestens aber die Hälfte des Grundsteuer-reinertrages.
   Die Jahresgeldleistung ist vierteljährlich im Voraus zu entrichten und mit jedem Vierteljahresersten ohne Kündigung fällig. Im Verhältnis der Leibzüchter zu einander steht jedem Leibzüchter die Jahresgeld-leistung und die Wohnungsentschädigung (§ 37) nach Kopfteilen zu.


§ 37.

   Den Leibzüchtern steht frei, die Leibzuchtswohnung nach vierteljährlicher Kündigung gegen einmalige oder rentenmäßige, billige Entschädigung zu räumen.

   Der Anerbe kann unter gleichen Bedingungen die Räumung der Leibzucht verlangen, wenn eine solche Störung der persönlichen Beziehungen eingetreten ist, daß ihm die weitere Leibzuchtshaltung auf dem Hofe nicht mehr zuzumuten ist.

   Mangels Einigung gelten die Vorschriften des § 28.
 

– 148 –

§ 38.

   Wird die Leibzucht vereinbart, so sind Leibzuchtswohnung und etwaige sonstige Leistungen des Anerben in Geld abzuschätzen.


§ 39.

   Bei Gewährung einer abgesonderten Leibzuchts-wohnung ist der Leibzüchter befugt, seine Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen.
   Bei Gewährung lediglich der Mitbenutzung einer Wohnung ist der Leibzüchter nicht befugt, solche Personen aufzunehmen, die erst nach dem Hofantritte Familienangehörige des Leibzüchters geworden sind.
   Dasselbe gilt für Kinder, die aus dem Hausstande des Leibzüchters bereits ausgeschieden sind.


§ 40.

   Ob eine abgesonderte Leibzuchtswohnung oder lediglich die Mitbenutzung einer Wohnung zu gewähren ist, richtet sich in Ermangelung einer Bestimmung des Leibzuchtsvertrages nach der Gewohnheit oder in Ermangelung dessen nach der Beschaffenheit des Hofes.


§ 41.

   Mit dem Ableben des Leibzüchters fällt die Leibzuchtswohnung für dessen Teil zum übernächsten Vierteljahrsersten ohne Entgeld an den Hof zurück. Der Wert der Jahresgeld- oder sonstigen Leistungen an die Leibzucht vererbt sich wie freies Vermögen.


§ 42.

   Wird infolge Ablebens des einen Leibzüchters ein
 

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– 149 –

Teil der Leibzuchtswohnung frei, so steht dem Überlebenden bezüglich dieses Teiles das Vormieterecht zu.


§ 43.

   Wer einen Leibzüchter heiratet, muß die Leibzuchtswohnung im Falle des Ablebens des Leibzüchters mit dem übernächsten Vierteljahrsersten ohne Kündigung und ohne Entgeld räumen.

   Dasselbe gilt für Familienangehörige des Leibzüchters und sonstige in dessen Hausstand aufgenommene Personen.

 

 
 

– 150 –

D. Schlussbestimmungen.


§ 44.

   Die Bestimmungen des Höferechtes gelten nur, soweit gültige Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder auf den Todesfall nicht vorliegen.
   Soweit rechtsgeschäftliche oder höferechtliche Bestimmungen nicht vorliegen, gelten die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches vom 18. August 1896.

§ 45.

   Das Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1910 in Kraft.
   Die bis zu diesem Tage vereinbarten oder bezoge-nen Leibzuchten unterliegen dem bisherigen Rechte.
 

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– 151 –



Alphabetisches Verzeichnis

Die Zahlen bedeuten die Seiten

A

Abmeierung 30

Abtretung eines Hofes, Muster eines Vertrages 126

Achsleute 25

Ackerbau 1 ff., A. und Wirtschaft 3, A. und Bergbau 3 ff., A. und Staat 4
Adel 12, 13, 17, 18
Alter des Anerben bei Hofübernahme, Kritik 131
Ästinationsbücher 25
Allgemeine Gütergemeinschaft: s. Gütergemeinschaft
Allodialvermögen 35
Amtsmeier 27
Anerbe, Recht bei Wiederverheiratung der Mutter 39, Bestimmung durch den Hoferblasser 66 ff., Ansprüche gegen den Hoferblasser 69, Vererbung des Freiguts 71, Alleinerbe des Hofguts 73, Erstgeburtsrecht 74, unehelicher Anerbe 74, Unfähigkeit 75, sittenloser Lebenswandel 76, Zuchthaus 76, Entziehung des Anerbenrechts 76, Anerbenverzicht 77 ff., Erbhoffnung 78, 79, Alter bei Hofübernahme, Kritik 131, Stellung des Anerben, Kritik 134
Anerbenrecht, Entwurf 142
Anhang 113
Antichretische Verpfändung 30, 31
Auseinandersetzung seitens des überlebenden Ehegatten 95
Ausländische Hand 10, 19
Auslegungsregeln bei letztwilligen Verfügungen des Hoferblassers 69
Aussteuer und Ausstattung 68, 84

 
 

– 152 –

B

Bauerngüter, Erbfolge in die 71
Bauersleute, Verordnung wegen Eheverschreibung der 59, 81
Bäuerlicher Besitz, Lastenfreiheit 22
Belastung des Hofes 60
Beliehene Hand, Wandlungen 21
Berechnung des Brautschatzes 83, Kritik 132
Bergbau und Ackerbau 4
Bestandteile des Hofguts 53, 54
Besteuerung des Hofbesitzes 23
Bewegliches Hofgut 54
Bismarks, die, in Lemgo 19
Blomberg 9, 12
Brake 9, 12
Brautkinder 75
Brautschatz 81 ff., frühere Grundsätze 81, Berechnung 83, Kritik der Berechnung 132, Berechtigte 85, Fälligkeit 85, Verzinsung 86, Verfügung über den B. vor dessen Kündbarkeit 86, Sicherstellung 86, Erhöhung und Herabsetzung 86, B.-Kommission 87
Brautschatzrecht, Entwurf, 144
Bürgerliches Gesetzbuch, Verhältnis zur Güter-O. von 1786 39, 41, zum Höferecht 39
Bürgertum (Lehnsleute) 19

D

Detmold 9, 12
Distraktions-(Dismembrations-)Ordnung 59
Dorftestament 120 ff., Muster 124

E

Ehegatte, überlebender, Rechtsstellung 42, 89 ff., Rechtsstellung und Erbschaft bei Verwaltungsgemeinschaft 91, 92, Verfügungsfreiheit 44,
 

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– 153 –

Ehegatte, überlebender, Rechtsstellung bei Gütergemeinschaft des BgB. 94, Auseinandersetzung 95, im Witwenstande, Kritik 131

Eheliches Güterrecht des BgB. 40

Ehen von Leibeigenen und -freien 16
Eheverschreibung der Bauersleute, Verordnung 59

Ehevertrag 40, 48, E. und Erbvertrag 48

Eigenhändiges Testament 113 ff., Muster 115 ff.

Eingebrachtes Gut 45, 46
Einkindschaft 44
Einsicht des Grundbuches 34
Eintragungen in die Hypothekenbücher 29
Elorieren der Höfe 32
Entwurf eines Höferechts 130 ff.
Entziehung des Anerbenrechts 76
Entwurf eines lippischen Höferechts 137
Erbbegräbnisse 35, 53
Erbfall bei kinderloser Ehe infolge Erbvertrags 48, bei kindergesegneter Ehe 49
Erbfolge in die Bauerngüter, Verordnung 71, gesetzliche E. 71
Erbfolgeordnung des BgB. 71
Erbhoffnung des Anerben 78, 79
Erblasser (Hof-) 65, s. auch Testament.
Erbrecht und Güterstand 35 ff., des überlebenden Ehegatten 92
Erhöhung des Brautschatzes 86
Erbvertrag 48
Errungenschaft 36
Erstgeburtsrecht 74, 75
Ertragswert des Hofes 50

F

Falkenburg 9, 12
Falkmann, Simon VI und seine Zeit 18
Fälligkeit der Brautschätze 85
 

– 154 –

Fischereirechte und -pflichten 54
Flörken, die, in Lemgo 19
Flößrechte 54
Fortgesetzte Gütergemeinschaft 38
Freibrief 16
Freies bäuerliches Vermögen 36
Freigut und Hofgut 35 ff., 68, Vererbung 71, Begriff beim Erbrecht 72
Freikauf 21
Freimeier 12, 27
Freischilling 15
Führer, meierrechtliche Verfassung: s. Vorwort, 16

G

Gebundenheit des Hofes, Hofgutes 55 ff, 59, frühere 58, jetzige 59, Hoferblasser und G. 65
Geltungsbereich des Höferechts, Entwurf 137
Gemeine Vollmeier 12
Gemeinschaftliches Testament 117, Muster 118
Genehmigung zur Veräußerung von Höfen und Hofgrundstücken 59, 60, landespolizeiliche 59 ff., 61
Gesamtgut, Verfügung des Ehemannes 41, 42, Vererbung 42, 43, einseitige Bestimmung über das G. 44, 45
Gesetzliche Erbfolge 71
Gesetz über die Brautschätze 81
Gläubiger, Überlassung der Höfe an G. 30, Hofgläubiger 73
Grenzvermarkungsgesetz 63
Großjährigkeit 38
Großkötter 12, 27
Groten, die, in Lemgo 19
Grundbesitz und Hörigkeit 7 ff., Landesherr und G. 7 ff., G. und Leibeigentum 16
Grundbuch-Blatt 32, Eintragungen usw. 33, öffentlicher Glaube 34, Einsicht 34, G.-Ämter 32, Grundbuchung, frühere 23 ff., heutige 32 ff.
 

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– 155 –

Grundherrlichkeit 10

Grundkredit 23 ff.
Grundsteuerveranlagung 28

Gutseigene 16, -eigentum, Aufhebung desselben 22

Gutsherrlichkeit 11, 17

Gutshörigkeit 17
Guts- und Lehnsbesitz 13
Gütergemeinschaft, allgemeine 37, fortgesetzte 38, für Ehen von 1900 39, Aufhebung 43, Eintragung beider Ehegatten in das Grundbuch bei G. 59, Aufhebung 95
Güterstand, gesetzlicher des BgB. 39, 45, G. und Erbrecht 35 ff, neues Recht 38
Güterstände, des BgB. 40
Güterordnung von 1786 37 ff., Verhältnis des BgB. zur Güter-O 39, 40, 41, 45
Güterrecht des BgB. 40
Güterrechtsregister 47
Gütertrennung des BgB. 46, Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten bei G. 91, Erbrecht des überlebenden Ehegatten 92

H

Halbmeier 12, 27
Halbspänner 12
Handdienste 12
Handschriftliches Testament 113 ff, Muster 115
Herabsetzung des Brautschatzes 86
Hochzeitsgeschenke 72
Hof, Vererbung 47, Unteilbarkeit 56, Genehmigung zur Veräußerung 59, 60, Belastung 60, freie Verfügung des Eigentümers 60, Vereinigung mehrerer Höfe 62
Hofabtretungsvertrag, Muster 126
 

– 156 –

Hoferblasser 65 ff., H. und Höferecht 66 ff., H. und Pflichtteilsrecht 68, Auslegungsregeln des Testaments des H. 69
Hoferhaltungsmöglichkeiten 49 ff., 94
Hofgebundenheit 55, Hoferblasser und H. 65 ff.
Hofgut, Begriff 53 ff., unbewegliches 53, bewegliches 54, Vererbung 55, 73, Gebundenheit 55 ff., Frühere G. 58, jetzige G. 59, H. und Freigut 35 ff., 68.
Hofübernahme, Alter des Anerben, Kritik 131
Hofvermögen 35 ff.
Hofzerstückelungsordnung 59
Horn 9, 12
Hoppenplöcker 12
Höfeerbrecht, Entwurf, 141
Höferecht 7, Änderung des H. 38, Erblasser und H. 66
Höferecht, Kritik 130, Entwurf eines H. 137
Höferechtliche landesgesetzliche Sondervorschriften 39
Höhe des Brautschatzes 83
Hörigkeit und Grundbesitz 7
Huderechte und -pflichten 54
Hülfsgeld für unteilbare Lasten 31
Hypothekenbücher 28 ff.

I

Interimswirtschaft, Eintritt 97, Mal- oder Meierjahre 99, Rechtsstellung des Interimswirts 101, Vertrag 99
Intestaterbfolge 71, 90
Jagdrechte und -pflichten 54

K

Kappel 7, 18
Katasterverwaltung 26
 

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– 157 –

Katastrierung 24, Katastration 27

Kinder von Leibeigenen und -freien 16
Kirchenstühle 35, 53
Kleinkötter 12, 27
Kleinsorgen, die, in Lemgo 19
Kolon 12
Kolonatsvermögen 35
Kommission, Brautschatz- 88
Konservenfabriken, Anteile 54
Kottmanns, die, in Lemgo 19
Korvey 9
Kötter 12, 27
Kritik des Höferechts 130

L

Lagerbücher 24
Landesherr und Grundbesitz 7
Landeslehen 20
Landespolizeiliche Genehmigung bei Verkäufen 59 ff., 61
Landespolizeiverordnung 58, 81, 97, 104
Landwirtschaft 3, 4 ff.
Landwirtschaftliche Nebenbetriebe 54
Landwirtschaftliche Sachverständige 25
Lasten, Hülfsgeld für unteilbare 31

Lastenverteilung 31

Laßbrief 15

Leben, wirtschaftliches 2
Lebenswandel, sittenloser, des Anerben 76
Lehnsbesitz und Gutsbesitz 13, 20
Lehnsleute 19
Lehnsherr 14, 17, 18
Lehnsherrlichkeit 12, 17
Lehnslasten 20
 

– 158 –

Lehnspflicht 20
Leibeigene 16
Leibeigentum 14, 20, Aufhebung, L. und Grundbesitz 16
Leibzucht 103 ff., frühere Grundsätze 103, heutige Grundsätze 105, Beginn und Ende 116, L.-Vertrag 107, Wohnung 109, Zubehörungen 110, Rechtseigenschaft der Leibzuchtsgegenstände 111
Leibzugsrecht, Entwurf 147
Leihende Hand, Wandlungen 17
Lemgo 9, 18, 19
Letztgeburtsrecht 74
Letztwillige Verfügung, Erhaltung des Hofes durch L. 50, Auslegungsregeln 69; s. auch Testament
Lippe (Fluß) 7
Lippe (Detmold) 8 ff.
Lippstadt 7, 18, Lipperode 7

M

Maljahre 99
Marienfeld 18
Meier 12
Meierjahre 99
Meier zu Stapelage 19
Meyer, Kolonatsrecht, s. Vorwort
Menkhausen, Erbkötter von 19
Mittelkötter 12, 27
Mittel- oder gemeine Vollmeier 12
Molkerei-Anteile 54
Mühlenrechte und -pflichten 54

N

Nachlaßgläubiger des Hoferblassers 74
Naturalleistungen 21
Nebenbetriebe, landwirtschaftliche 54
Neues Recht für Güterstand und Erbrecht 38 ff
 

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– 159 –

Neuordnung des Höferechts, Kritik 130

Nottestament 120, Muster 124
Numerierung der Besitzungen 27

O

Öffentlicher Glaube des Grundbuches 34

P

Paderborn 9
Pflichtteil 48, 68, Anrechnung der Aussteuer 68
Pflichtteilsrecht und Hoferblasser 68
Pottereirechte und -pflichten 54

R

Neuordnung der Grundbucheintragungen 33
Ritter 12, 17

S

Saalbücher 24, 25
Schaumburg-Lippe 8
Schlichtung 91
Schwalenberg 9
Selbstverfaßtes Testament 113 ff., Muster 115
Sicherstellung des Brautschatzes 86
Sittenloser Lebenswandel des Anerben 76
Sondervorschriften, höferechtliche 39
Spanndienste 12
Saat und Ackerbau 4, St. und Wirtschaft 1
Stapelage, Erbkötter und Erbpächter des Meiers zu 19
Städteherrlichkeit 10
Stellung des Anerben, Kritik 134
Sternberg 9, 12
Steuern, Reichs- und Landesst. 23
Straßenkötter 12, 27
 

– 160 –

T

Testament: eigenhändiges 113, Muster 115 ff., gemeinschaftliches 117, Muster 118, Not-, Dorf- oder Vorstehertestament 110, Muster 124; s. auch letztwillige Verfügung
Testat-Erbfolge 90

U

Unbewegliches Hofgut 53, Freigut 72
Unehelicher Anerbe 74
Uneheliche Kinder, Brautschatz 85
Unfähigkeit des Anerben 75
Unschädlichkeitszeugnis 61
Unteilbare Lasten, Hülfsgeld 31
Unteilbarkeit des Hofes 56
Urproduktion 3
Überlebender Ehegatte, Rechtsstellung 42, 89 ff., Verfügungsfreiheit 44, Erbrecht 92, Rechtsstellung bei der Gütergemeinschaft des BgB. 94, im Witwenstande, Kritik 131

V

Varenholz 9, 12
Veräußerung von Höfen und Hofgrundstücken, Genehmigung 59, 60
Vereinigung mehrerer Höfe 62
Vererbung des Hofguts 55, 73, des Freiguts 71, nach Höferecht 55
Verfügung: s. letztwilliger B. und Testament
Verfügungsbeschränkungen: s. Höferecht, Entwurf 139
Verfügungsfreiheit des Hofbesitzers 59 ff, 65, 69,
bei letztwilliger Verfügung 68
Vermessung 7
Vermögensverwaltung des Mannes 45, 46
 
 

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– 161 –

Verordnung wegen Eheverschreibung der Bauersleute 59, 81

Verwaltung des ehelichen Vermögens 45, 46
Verwaltungsgemeinschaft des BgB. 40, 45, Ausschluß 46, Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten bei V. 91, Erbrecht des überlebenden Ehegatten 92

Verzicht des Anerben 77 ff.

Verzinsung des Brautschatzes 86

Viertelmeier 12
Vollmeier 12, 27
Vollspänner 12
Voraus bei Einkindschaft 44, des überlebenden Ehegatten 49, 72, 94
Vorbehaltsgut der Frau 42, 45

W

Walzende Güter 59, 61
Wasserrechte 54
Wegerechte und -pflichten 54
Weinkauf 14
Wert, Ertragswert, des Hofes 50
Wiederverheiratung, Rechtsfolge 38, 43
Wirtschaft und Staat 1, W. und Ackerbau 3
Wirtschaftliches Leben 2
Wirtschaftsgegenstände 54
Wistinghausen, Erbkötter zu 19

Z

Zubehör des Hofguts 35, 54, der Leibzucht 110
Zuckerrübenfabriken, Anteile 54
Zuspänner 12
Zuständigkeit für die Entziehung des Anerbenrechts 76
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 

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